Leitl, Schenz, Matznetter und Krenn geben
 Startschuss zu großer Kammerreform WKO 4.0

 

erstellt am
13. 03. 17
13:00 MEZ

Digitalisierung wird genützt für noch mehr Effizienz, zusätzliche Serviceangebote für Mitglieder und eine Reduktion der Mitgliedsbeiträge um 15 Prozent
Wien (pwk) - Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl und seine Vizepräsidenten Richard Schenz (Liste Industrie), Christoph Matznetter (Sozialdemokratischer Wirtschaftsverband) und Matthias Krenn (Freiheitliche Wirtschaft) haben am 10.03. den Startschuss für eine umfassende Kammerreform – Motto: WKO 4.0 – gegeben und die zentralen Zielpunkte der umfassenden Neugestaltung der Wirtschaftskammerorganisation inklusive einer deutlichen Reduktion der Mitgliedsbeiträge präsentiert. Die Reform bedeutet 100 Millionen an Umlagensenkungen für die Mitglieder und 34 Millionen Euro an zusätzlichen Leistungen. Das sind rund 20 Prozent der WK-Einnahmen.

„Das große Ziel ist, die WKO zur leistungsfähigsten Wirtschaftskammer im weltweiten Vergleich zu machen. Dazu ist es erforderlich, dass die Wirtschaftskammer unabhängig, kompetent und solidarisch ist. In vielen Bereichen sind wir schon ausgezeichnet und in Spitzenpositionen. Das ist eine Motivation, aber nicht ausreichend“, betonte WKÖ-Präsident Leitl. Stoßrichtung der umfassenden Reform ist, die Digitalisierung als Chance zu nützen, „um den Faktor 10 (9 Landekammern + WKÖ) einzudämmen, Effizienzpotentiale zu heben sowie die Mitgliedsbeiträge zu senken. Zugleich werden die Serviceleistungen für die Mitglieder ausgebaut. Wir müssen die Forderungen, die wir an die Politik stellen, auch selbst erfüllen“, so Leitl, der hinzufügte: „Unsere Organisation wird sich deutlich verändern.“

Für die Mitglieder wird die Reform zum einen durch eine deutliche Reduktion der Kammerbeiträge um 15 Prozent (= 100 Millionen Euro pro Jahr) spürbar. Ein weiterer Teil (rund 34 Millionen) fließt in zusätzliche Mitgliederservices. Leitl: „Wir verlangen von der Politik Zukunftsinvestitionen, damit am Standort Österreich die Herausforderungen der Zeit bewältigt werden können. Was wir von anderen fordern, müssen wir auch selber tun.“

Um die Mitgliedsunternehmen beim Aufbruch in die digitale Welt zu unterstützen, soll die Wirtschaftskammer gemeinsam mit der AUSSENWIRTSCHAFT AUSTRIA zu einer weltweiten Innovationsagentur im Dienst der österreichischen Betriebe ausgebaut werden und dabei Kooperationen z.B. mit dem MIT in Boston und der ETH Zürich etablieren. Beim zweiten zentralen Zukunftsthema Qualifikation kündigte Leitl die Entwicklung eines Gesamtangebots von der dualen Ausbildung bis zur tertiären Ebene durch die WKO an, das ergänzend zum staatlichen Schulsystem positioniert werden soll. Und zudem ist unter dem Schlagwort „Chamber Partnership“ der Aufbau einer breiten B2B-Netzwerkorganisation vorgesehen, um direkte Geschäftskontakte zu vermitteln – etwa zwischen potentiellen Auftraggebern und Startups. Zudem soll die Interessenvertretung auf EU-Ebene gestärkt werden, um hier eine noch stärkere Berücksichtigung von wirtschaftlichen Anliegen und „in Brüssel mehr wirtschaftliches Denken“ zu erreichen.

Vize-Präsident Schenz – er ist auch Finanzreferent der WKÖ - hielt fest, dass die Reform „aus Sicht der Liste Industrie zwar zu wenig weitgehend, aber doch ein beachtlicher Schritt ist. Diesen Schritt muss man verdauen, um dann über weitere notwendige Schritte zu reden. Und als gelernter Wirtschaftler sage ich ‚wenn man dir gibt, dann nimm, auch wenn das ganz große Ziel noch nicht erreicht ist‘“. Die Beitragsentlastung für große Betriebe werde sich wie folgt zusammensetzen: Bei der Kammerumlage 1 (KU 1) werden Investitionen beitragsfrei gestellt, wodurch sich die Beiträge summa summarum um 20 Millionen Euro im Jahr reduzieren werden. Für sehr große Beitragszahler gibt es eine zusätzliche Entlastung von 10 oder 15 Prozent, weil bei der KU1 zusätzlich ein degressiver Tarif eingeführt wird. Dies bedeutet eine weitere Beitragssenkung von 15 Millionen Euro. Schenz: „Allein die Industriebetriebe ersparen sich dadurch in Summe pro Jahr 18-20 Millionen an Kammerbeiträgen.“

WKÖ-Vizepräsident Christoph Matznetter hielt für den Sozialdemokratischen Wirtschaftsverband (SWV) fest, dass „die Wirtschaftskammer die Bereitschaft zu Neuerungen haben müsse. Wer nicht mit der Zeit geht, der geht mit der Zeit“. Er verwies auch darauf, dass Österreich weltweit für die Außenwirtschaftsorganisation oder das Kollektivvertragssystem beneidet werde, letzteres aber nur funktioniere, „wenn es auf Arbeitgeberseite starke und fähige Partner gibt“. Dem SWV sei wichtig, „dass alle Unternehmen, auch die rund 300.000 EPU und Kleinbetriebe, die Verringerung der Beiträge spüren“. Dies sei z.B. durch den Entfall der Grundumlage im ersten Gründungsjahr gewährleistet, die zu einer Entlastung von immerhin 6 Mio. Euro pro Jahr führen wird, so Matznetter. Ein weiterer Entlastungsschritt, von dem insbesondere auch kleine Unternehmen profitieren, sei die Reduktion der Gewerbeberechtigungen aufgrund der Gewerbeordnungsreform (20 Mio. Euro). Abschließend hielt Matznetter für den SWV fest: „Es kann nicht nur bei einem Reförmchen bleiben. Man muss die Dinge direkt anpacken und ich bin froh, wenn wir diesen Prozess jetzt beginnen.“

Vizepräsident Matthias Krenn von der Freiheitlichen Wirtschaft betonte: „Wenn man eine Reform umsetzt, muss sie für jedes Mitglied und nicht nur für Funktionäre spürbar sein und sie sollte auch andere Institutionen in der Republik motivieren, ähnliche Schritte zu setzen.“ Für die Freiheitliche Wirtschaft sei es wichtig, dass kleine und mittlere Unternehmen profitieren, wie dies durch die Reduktionen bei der KU1 bzw. der KU2 erreicht werde. Krenn: „Mit der Absenkung der KU2 um 5 Prozent sinken die Lohnnebenkosten.“ Wichtig sind ihm insbesondere auch der Entfall der Rechtsformstaffelung bei der Grundumlage sowie die Abschaffung der Mehrfachmitgliedschaften innerhalb einer Fachorganisation: „Ein Bäcker und Konditor muss jetzt nicht mehr zwei Mal innerhalb ein und derselben Fachorganisation zahlen.“

Ein mittelständischer Betrieb mit 100 Mitarbeitern, der bisher 83.000 Euro pro Jahr an Kammerbeiträgen zu leisten hatte, werde sich künftig rund 7.600 Euro pro Jahr ersparen. Krenns Fazit: „Wir hätten uns bei der Kammerreform noch mehr vorgestellt, aber man kann ein System, das über Jahrzehnte gewachsen ist, nicht von einem Tag auf den anderen über den Haufen werfen, sondern man muss es schrittweise umbauen. Der Reformprozess muss daher – etwa mit der Demokratisierung des Wahlrechts – weitergehen.“

Nach dem Startschuss wird die Kammerreform WKO 4.0 bei einem außerordentlichen Wirtschaftsparlament am 6. April beschlossen und im zweiten Quartal 2017 politisch umgesetzt. Die Umgestaltung der WKO startet im dritten Quartal 2017 und soll mit Ende 2019 abgeschlossen sein. Ab 1. Jänner 2019 wird die finanzielle Beitragsentlastung der Mitglieder erfolgen.

 

 

 

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