Praxis widerlegt Behauptungen: Gewerkschaft vida fordert, Österreich soll bilaterale Vereinbarungen
zur Einbringbarmachung von Strafen treffen
Wien (vida) - „Die Gewerkschaft vida bekennt sich in der Transportbranche zum freien grenzüberschreitenden
Warenverkehr innerhalb der EU“, sagte Karl Delfs, Bundessekretär des Fachbereichs Straße in der Verkehrs-
und Dienstleistungsgewerkschaft vida. „Das Problem dabei ist aber, dass sich immer mehr südosteuropäische
Firmen, die mit ihren LKW nach Österreich fahren, nicht an die Spielregeln halten und dabei wird ihnen von
ihren Herkunftsländern auch noch die Stange gehalten“, kritisiert Delfs die in einem Brief wegen der strengen
österreichischen Auslegung der EU-Entsenderichtlinie an Sozial- und Arbeitsminister Alois Stöger von
Slowenien und den Visegrad-Staaten (Polen, Tschechien, Slowakei, Ungarn) erhobenen Behauptungen, dass „das Prinzip
'gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Arbeitsort' bereits eine gelebte Praxis" beider Seite sein
soll, als „blanken Hohn“.
„Nicht umsonst haben wir ja vor kurzem gemeinsam mit der Wirtschaftskammer (WKÖ) in der ersten wissenschaftlichen
Studie, die es zu dieser Problematik im Transportbereich gibt, festgestellt, dass der öffentlichen Hand in
Österreich durch grenzüberschreitende illegale Kabotage-Fahrten ausländischer LKW im Jahr 500 Millionen
Euro durch die Finger rinnen. Diese Summe entspricht der Beschäftigung von 14.000 LKW-LenkerInnen im Jahr“,
erläutert Delfs.
Laut heimischer Rechtslage seien ausländische Firmen aller Branchen verpflichtet, bei Tätigkeiten in
Österreich ihre MitarbeiterInnen nach den österreichischen Kollektivverträgen zu bezahlen. Die Finanzpolizei
habe im letzten Jahr klar und deutlich dazu festgestellt, dass das in vielen Fällen aber nicht passiere. Ausländischen
ArbeitnehmerInnen würden nach wie vor weit unter dem österreichischen Kollektivvertrag entlohnt oder
sie müssten oft die doppelte Arbeitszeit leisten. Laut Finanzpolizei gebe es Fälle, wo osteuropäische
ArbeiterInnen zwar den österreichischen Lohn erhalten, aber einen Teil des Geldes später im Heimatland
an ihre Dienstgeber wieder zurückbezahlen müssten, ruft der vida-Gewerkschafter in Erinnerung.
Bei den Kontrollen vorgewiesene Dokumente (Anmeldungen zur Sozialversicherung bis hin zu Lohnunterlagen) seien
oft von Fälscherwerkstätten organisierter Banden hergestellt. So sei 2016 von der Bezirkshauptmannschaft
Neusiedl am See bekannt geworden, dass diese Strafen in der Höhe von 1,1 Millionen Euro gegen ausländische
Unternehmen wegen Lohn- und Sozialdumpings verhängt habe. Davon habe man aber nur 2.000 Euro eintreiben können,
verdeutlicht der Gewerkschafter. Zudem explodiere insgesamt die Zahl aller von osteuropäischen Firmen nach
Österreich entsandten Arbeitskräfte. Seien es 2011 noch 27.000 Anträge auf Entsendung gewesen, waren
es 2015 schon 150.000. Für 2016 habe die Finanzpolizei 180.000 Anträge prognostiziert, so Delfs.
„Angesichts dieser Zahlen klingen die Behauptungen Sloweniens und der Visegrad-Staaten wie blanker Hohn in meinen
Ohren. Ich erwarte mir vielmehr von diesen Staaten, wenn es um die grenzüberschreitende Kontrolle des österreichischen
Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetzes geht, dieselbe Schnelligkeit, Offenheit und Kooperation bei einer
Lösung dieses Problems, wie dies seitens des österreichische Arbeits- und Sozialministeriums angesichts
der von Slowenien und der Visegrad-Staaten geäußerten Bedenken angeboten wurde“, fordert Delfs.
„Weil die EU-Gesetzgebung bei Lohn- und Sozialdumping bei Entsendungen von Arbeitskräften bis jetzt komplett
versagt hat, sollte Österreich zwecks Einbringbarmachung von ausgesprochenen Strafen bei Verstößen
bilaterale Vereinbarungen mit diesen Ländern treffen. Momentan ist das nämlich überhaupt nicht der
Fall“, betont der Verkehrsgewerkschafter. „Wenn die Visegrad-Botschafter großspurig ankündigen, sie
werden Verstöße gegen unsere Gesetze in ihren Heimatländern rigoros sanktionieren, dann wären
derartige grenzüberschreitende Abkommen zwischen den Behörden dieser Länder mit Österreich
der Lackmustest für sie. Denn derzeit spricht aus dem Schreiben der Botschafter an Minister Stöger in
erster Linie der Geist der Unternehmer als jener der ArbeitnehmerInnen“, stellt Delfs fest.
„Unsere LKW-Fahrerkollegen aus Slowenien und den Visegrad-Staaten sind zudem immer wieder sehr froh, wenn sie im
Rahmen von Entsendungen nach dem deutlich höheren österreichischen Kollektivvertrag entlohnt werden.
Wir werden nicht zulassen, dass der Gewinn der Unternehmen aus diesen Ländern aus dem sozialen Leid ihrer
Beschäftigten gespeist wird, indem ihnen rechtlich zustehende Entlohnung und soziale Absicherung vorenthalten
werden“, appelliert Delfs abschließend.
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