Wien (universität) - Plastik und Mikroplastik – also zu kleinen Partikeln zerriebener Kunststoff – sind
heute als Abfallprodukte in der Umwelt weit verbreitet. Die Forschung beginnt erst ihren Einfluss auf die Ökosysteme
zu verstehen. UmweltgeowissenschafterInnen um Thilo Hofmann von der Universität Wien haben nun gezeigt, was
man aus der Nanoforschung für die Analyse und Expositionsbewertung von Mikroplastik lernen kann und welche
Fehler nicht wiederholt werden sollten. Ihre Studie erschien am 07.03. als Feature in der renommierten Fachzeitschrift
"Environmental Science & Technology".
"Mikroplastik als Quelle für die Verschmutzung von Gewässern und Meeren ist ein nicht zu unterschätzendes
Problem geworden", sagt Thorsten Hüffer vom Department für Umweltgeowissenschaften der Universität
Wien. ForscherInnen schätzen den Eintrag von Mikroplastik, also Teilchen mit einer Größe unter
fünf Millimetern, auf rund acht Millionen Tonnen pro Jahr in küstennahen Meeresregionen. Den Hauptanteil
macht sogenanntes sekundäres Mikroplastik aus, das durch den Zerfall verschiedenster Plastikprodukte entsteht.
Industriell eingesetztes Mikroplastik, z.B. als Bestandteil von Kosmetika, spielt mit einem Anteil von geschätzten
0,1 bis 3 Prozent des Mikroplastiks in der Umwelt eine untergeordnete Rolle.
Was Mikroplastik in der Umwelt per se bewirkt und welche Gefahr möglicherweise von ihm ausgeht, ist zum Gutteil
noch nicht bekannt. Fragen zu Eigenschaften und Verhalten kleiner Partikel stellen sich Nanoforscher seit langem
– Thilo Hofmann und sein Team präsentieren in ihrer aktuellen Untersuchung bereits existierende Ansätze
und Methoden. Das Wissen aus der Nanoforschung kann auf Grundlage der ähnlichen Eigenschaften beider Schadstoffgruppen
auch auf Mikroplastik übertragen werden, schreiben die UmweltgeowissenschafterInnen. Die Forschung zu Mikroplastik
sollte demnach auch noch stärker als bisher auf interdisziplinäre Zusammenarbeit und die Einbeziehung
der Erkenntnisse aus der Nanoforschung setzen.
Künstliche Nanopartikel als Wegweiser
Künstlich hergestellte Nanopartikel (1 Nanometer = 1 millionstel Millimeter) finden heute bereits breite
Anwendung in der Industrie, darunter als Zusatz in Sonnencremes, Nahrungsmitteln und Schleifmaterialien. Die Partikel
können während der Produktion, Anwendung oder Entsorgung in die Umwelt gelangen. Nanopartikel wie auch
das etwas größere Mikroplastik sind Schadstoffe, bei denen herkömmliche Analysestrategien nicht
greifen. Konventionelle Schadstoffe liegen in der Regel als individuelle, gelöste Substanzen mit einheitlichen
Eigenschaften vor. "Mikroplastik und Nanopartikel dagegen bestehen aus heterogenen Partikelgemischen, die
mehr oder weniger stabile Suspensionen bilden", sagt Nanoforscherin Antonia Praetorius.
Nicht nur die chemische Zusammensetzung bestimmt das Verhalten und die Toxizität dieser partikulären
Schadstoffe. Auch ihre Größe und Form tragen maßgeblich bei. Je kleiner die Teilchen sind, desto
größer ist z.B. auch ihre reaktive Oberfläche. "Wir benötigen hier eine andere Denkweise",
so Praetorius. Es braucht neue Ansätze zur Abschätzung von Emissionen, zur Charakterisierung (z.B. Bestimmung
von Größenverteilung zusätzlich zur chemischen Zusammensetzung), zur Angabe von Konzentrationen
(z.B. Anzahl- statt Massenkonzentrationen) und zur Verhaltensanalyse und -modellierung.
Über Fehler und Möglichkeiten
"Es gibt Fehler, aus denen wir nach über zehn Jahren Erfahrung in der Erforschung des Umweltverhaltens
von Nanopartikeln gelernt haben und die man beim Mikroplastik gleich vermeiden könnte", so Studienautor
Hüffer. So sollte man etwa Risikobewertungen nicht nur auf Grundlage von Konzentrationen der Stoffe in einem
Medium tätigen, sondern unter Einbeziehung der weiteren Eigenschaften. Die Nanoforschung habe darüber
hinaus gezeigt, dass es in der Regel mehrere Methoden – z.B. aus der Mikroskopie, Massenspektrometrie und Chromatographie
– braucht, um Partikel in ihren Eigenschaften vollumfänglich zu bestimmen. Zudem solle die Laborforschung
nicht nur an unveränderten Partikeln aus dem Handel erfolgen. Wichtig seien vielmehr auch, mit in der Umwelt
gealterten oder verwitterten Partikeln zu arbeiten sowie realitätsnahe Szenarien, z.B. im Hinblick auf zu
untersuchende Konzentrationen, festzulegen.
Eine zentrale Forschungsfrage ist, in welcher Form und in welcher Geschwindigkeit sich der Plastikmüll zersetzt
und wie der Prozess unter verschiedenen Umweltbedingungen abläuft. "Die Entstehung von sekundärem
Mikroplastik, also der Zersetzungsprozess von Plastik, ist einer der Hauptunterschiede zu Nanopartikeln",
sagt Hüffer. Die Quellen von Mikroplastik und seine Umwandlung seien im Vergleich zu künstlichen Nanopartikeln
vielschichtiger. Die Frage, wie aus dem Plastiksackerl letztlich Mikroplastik entsteht, ist damit ohne die Nanoforschung
zu lösen.
Publikation in "Environmental Science & Technology": T. Hüffer, A. Praetorius, S. Wagner, F. von der Kammer, T. Hofmann, "Microplastic
Exposure Assessment in Aquatic Environments: Learning from Similarities and Differences to Engineered Nanoparticles"
Environmental Science & Technology, 2017, 51 (5), pp 2499–2507
DOI: 10.1021/acs.est.6b04054
http://pubs.acs.org/doi/abs/10.1021/acs.est.6b04054
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