Größte Ungewissheit ist Wirtschaftspolitik der USA, Österreich hat zur Eurozone
aufgeschlossen
Wien (pk) - In Europa gebe es eine positive Grundstimmung, was die Lage der Weltwirtschaft betrifft. Allerdings
bestünden eine Reihe von Risiken. Das hielt der Gouverneur der Oesterreichischen Nationalbank Ewald Nowotny
am 16.03. im Finanzausschuss des Nationalrats fest. Gemeinsam mit Vize-Gouverneur Andreas Ittner informierte er
die Abgeordneten traditionsgemäß über die aktuelle wirtschaftliche Entwicklung im Euroraum und
in Österreich sowie die Situation der Banken und der Finanzmärkte. Die Wirtschaft in Österreich
wird laut Nowotny heuer mit einer prognostizierten Wachstumsrate von 1,6% voraussichtlich wieder im Gleichklang
mit Deutschland und der Eurozone wachsen, eventuell könnten die Zahlen auch noch leicht nach oben revidiert
werden.
Größter Unsicherheitsfaktor, was die Weltwirtschaft betrifft, ist laut Nowotny die Wirtschaftspolitik
der USA. Die USA haben heuer ein deutliches Wachstum, gleichzeitig herrsche mit einer Arbeitslosenrate von 5% –
im Gegensatz zu 10% in Europa – de facto Vollbeschäftigung. Nowotny führt das auf eine Kombination aus
Investitionen in die Infrastruktur und erwartete Steuersenkungen zurück. Die Frage sei, wie lange diese Entwicklung
anhalte. Es gebe zum Teil große Nervosität. Angesichts der Konjunkturentwicklung in den USA rechnet
Nowotny jedenfalls mit steigenden Zinsen und einer Aufwertung des Dollars, was allerdings im Widerspruch zu dem
stehe, was die US-Regierung eigentlich anstrebe.
Positiv bewertet Nowotny auch die Entwicklung in Zentral- und Osteuropa, der stärksten Wachstumszone in Europa.
Länder wie Tschechien haben nahezu eine Vollbeschäftigung, wovon auch österreichische Unternehmen
und Banken profitieren. Zuletzt zugenommen hat auch die Lohndynamik in Deutschland, Nowotny geht davon aus, dass
in Folge die Importe steigen werden und der hohe Leistungsbilanzüberschuss damit tendenziell reduziert wird.
Märkte sind wieder positiv gegenüber Österreich eingestellt
Die Wirtschaft in Österreich wird 2017, anders als zuletzt, wieder im Gleichklang mit Deutschland und der
Eurozone wachsen. "Die Delle ist vorbei." Insgesamt geht Nowotny von einem BIP-Plus in der Eurozone von
1,8% und in Österreich von 1,6% aus, wobei beide Zahlen eventuell noch leicht nach oben revidiert werden könnten.
Eine ähnliche Entwicklung ist für 2018 und 2019 zu erwarten. Die Wachstumsraten vor der Krise von 2%
bis 3% wird man nach Einschätzung von Nowotny aber nicht so bald erreichen.
Was Österreich betrifft, wertete Nowotny es als positiv, dass zuletzt nicht nur die Zahl der Beschäftigten,
sondern auch die Zahl der geleisteten Arbeitsstunden deutlich zugenommen hat. Das sei eine echte Verbesserung am
Arbeitsmarkt.
Positiv gegenüber Österreich sind derzeit auch die Märkte eingestellt, die Situation habe sich,
so Nowotny, massiv verbessert. Es werde honoriert, dass es gelungen sei, das Hypo-Alpe-Adria-Thema positiv zu erledigen.
Das habe befreiend gewirkt.
Deflationsgefahr in Europa ist gebannt
Massiv geändert hat sich seit der letzten Aussprache im Finanzausschuss laut Nowotny die Inflationsrate. Für
2017 ist in der Eurozone mit einem Wert von 1,7% zu rechnen, die Kerninflation ohne Energie und Nahrungsmittel
wird bei rund 1% liegen. Auch in den nächsten Jahren ist ein ähnlicher Wert zu erwarten, Nowotny sieht
damit die Deflationsgefahr gebannt. Die Teuerungsrate in Österreich wird 2017 voraussichtlich – wie in Deutschland
– 2% betragen.
Vorerst noch keine großen Auswirkungen hat die Inflationsentwicklung auf die Geldpolitik der Europäischen
Zentralbank (EZB). Man habe bei der letzten Sitzung beschlossen, den bisherigen Kurs weiterzuführen, etwa
was die Zinspolitik betrifft. Allerdings wird das Ankaufsprogramm für Wertpapiere (Quantitative easing) leicht
zurückgefahren. Ab April bis Dezember werden die monatlichen Wertpapier-Ankäufe von bisher 80 Mrd. €
auf 60 Mrd. € reduziert.
In Summe wird die EZB mit Jahresende Nowotny zufolge rund 2,3 Billionen Euro an Wertpapieren haben. Die weitere
Entwicklung stehe noch nicht fest, persönlich würde er aber eine schrittweise Rückkehr zur Normalität
begrüßen. Das Ankaufsprogramm sofort zu beenden, sei allerdings unrealistisch, sagte Nowotny, niemand
könne erwarten, dass man von 60 Mrd. € abrupt auf null gehe. Er geht außerdem davon aus, dass angekaufte
Wertpapiere bei einer Beendigung des Programms nicht verkauft werden, sondern normal auslaufen. In diesem Sinn
würden die Bilanzsummen der Notenbanken auch in den nächsten Jahren vergleichsweise hoch bleiben.
Das Quantitative easing hat laut Nowotny Wirkung gezeigt. Nicht nur sei es gelungen, die Gefahr der Deflation zu
beseitigen, auch die Kreditvergabe im Euroraum sei gestiegen. Das gelte auch für Österreich.
Dass es derzeit in weiten Bereichen nach wie vor negative Zinssätze gibt, hänge aber nicht nur mit der
Geldpolitik der EZB zusammen, unterstrich Nowotny. Dahinter stehe auch "eine Flucht in die Bonität".
Zwar würden die langfristigen Zinssätze derzeit eher steigen, die kurzfristigen Zinsen könnten aber
noch weiter sinken, vor allem in Ländern mit hoher Bonität wie Deutschland oder Österreich. Es gebe
eine massive Nachfrage nach sicheren Veranlagungsmöglichkeiten, die allerdings immer weniger werden.
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Zinsaufwand der privaten Haushalte hat sich gegenüber 2008 halbiert
Von SPÖ-Abgeordneten Christoph Matznetter auf die Auswirkungen der Nullzinspolitik auf die österreichischen
SparerInnen angesprochen, machte Nowotny geltend, dass viele private Haushalte – genauso wie Unternehmen – von
den historisch niedrigen Zinsen stark profitiert haben. Einer Studie der Nationalbank zufolge hat sich der Zinsaufwand
der Privathaushalte demnach im dritten Quartal 2016 gegenüber dem vierten Quartal 2008 um 51% verringert,
also mehr als halbiert. Junge Familien, die sich eine Eigentumswohnung gekauft haben, gehörten also zu den
Gewinnern der Zinsentwicklung, hielt Nowotny fest. Noch signifikanter sind die Zahlen für Unternehmen: Sie
mussten im dritten Quartal 2016, bei annähernd gleichem Kreditvolumen, um 62% weniger Zinsen zahlen als im
vierten Quartal 2008. Was die Sparguthaben betrifft, habe eine Studie der OeNB gezeigt, dass es seit 1960 in der
Mehrzahl der Jahre einen negativen Realzins gegeben hat.
Team-Stronach-Klubobmann Robert Lugar drängte angesichts des niedrigen Zinsniveaus darauf, die Banken dazu
zu verpflichten, "kleinen Häuslbauern" ausschließlich Kredite mit Fixzinsen zu gewähren.
Er fürchtet, dass ansonsten ähnliche Probleme wie bei den Fremdwährungskrediten drohen. Viele Betroffene
würden sich die Kreditraten nicht mehr leisten können, wenn der Zinssatz auf 5 bis 6% steige.
Verpflichtende Vorschriften durch die Notenbank oder gesetzliche Vorgaben halten allerdings weder Finanzminister
Hans Jörg Schelling noch Nowotny für notwendig. Die Banken seien ohnehin dazu angehalten, die Tilgungsfähigkeit
der Kreditnehmer zu prüfen, sagte Nowotny, wiewohl er mit Lugar übereinstimmte, dass langfristige Fixzinskredite
derzeit sinnvoll seien. Auch Schelling verwies im Ausschuss auf die strengen Vorschriften für Banken bei Kreditvergaben.
Verwundert darüber, dass das Anleihenankaufprogramm der EZB nicht stärker zurückgefahren wird, obwohl
sich die Inflationsrate dem EZB-Ziel nähere, zeigte sich NEOS-Abgeordneter Rainer Hable. Seiner Meinung nach
wäre die Entwicklung ein Anlass, kräftiger auf die Bremse zu steigen. An die Regierungsparteien appellierte
Hable, die Niedrigzinspolitik für Strukturreformen zu nutzen und weitere Steuersenkungen zu beschließen.
Die unterschiedliche Konjunkturentwicklung in den USA und Europa sprach Grün-Abgeordneter Bruno Rossmann an.
Einen Grund dafür sieht er in einem besseren Zusammenspiel von Geld- und Fiskalpolitik in den Vereinigten
Staaten. Nowotny gab in diesem Zusammenhang allerdings zu bedenken, dass der Verschuldensspielraum der USA wegen
des Umfangs des dortigen Kapitalmarkts größer sei als der Europas. Vor allem für ein kleines Land
wie Österreich sei eine solide stabile Finanzpolitik extrem wichtig, um sich nicht von fremden Kreditgebern
abhängig zu machen. Schon eher die Möglichkeit einer expansiveren Finanzpolitik sieht er im Euroraum
insgesamt.
Keine großen Gefahren durch Fremdwährungskredite
Über die Situation der Banken und Finanzmärkte berichtete Vize-Gouverneur Andreas Ittner. Er wies darauf
hin, dass sich die Situation der österreichischen Banken, etwa was die Profitabilität und die Risiken
betrifft, verbessert habe. So seien die Gewinne im dritten Quartal 2016 im Vergleich zum Vorjahr leicht gestiegen.
Dennoch empfehle der Internationale Währungsfonds, im Einklang mit der OeNB, weitere Verbesserungen bei der
Kapitalausstattung der großen Banken. Laut Ittner ist mehr Kosteneffizienz der Hauptpunkt, um den sich die
Banken bemühen müsstn.
Die Fremdwährungskredite sind Ittner zufolge gegenüber dem Höchststand mehr als halbiert worden,
wechselkursbereinigt sind es sogar mehr als 60%. Dennoch seien weiter Wechselkursrisiken vorhanden, die Deckungslücke
mit Ende 2015 beziffert er mit 6 Mrd. €. Im Sinne der Finanzmarktstabilität sei es aber positiv, dass die
betroffenen Kreditnehmer zumeist finanzstarke Haushalte sind.
Was die Bankenregulierung betrifft, setzt sich Österreich laut Ittner auf EU-Ebene dafür ein, die Belastungen
für kleine Institute zu reduzieren. Als Reaktion auf die Finanzkrise sei es notwendig gewesen, die Regulierung
auszuweiten und etwa strengere Eigenkapitalvorschriften zu beschließen, man habe aber viele Details geregelt,
die aus seiner Sicht nicht notwendig sind. Österreich tritt insbesondere für Erleichterungen für
kleine Institute ein, die keine komplexen Produkte anbieten. Es liege zwar schon ein Proportionalitätskonzept
der Europäischen Kommission vor, berichtete Ittner, mit einer Reduktion der Meldefrequenzen sei den Instituten
aber wenig geholfen.
Seitens der ÖVP wertete es Andreas Zakostelsky als positiv, dass man langsam von der "Überregulierung"
der Banken weggehe. Seiner Meinung nach sind viele regulatorische Maßnahmen nutzlos und würden lediglich
zu einem hohen Verwaltungsaufwand führen.
Neue 50-Euro-Banknote kommt am 4. April in den Umlauf
Von Ittner angesprochen wurde auch das Thema Bargeld, wobei er versicherte, dass keine europäische Notenbank
daran denke, das Bargeld abzuschaffen. Es gebe weder einen Grund noch eine Notwendigkeit dafür. Auch Grün-Abgeordneter
Werner Kogler wertete diesbezügliche Verschwörungstheorien im Internet als hanebüchen.
Laut den von Ittner präsentierten Daten ist die Bargeldnachfrage im Euroraum zuletzt um knapp 4% gewachsen.
Die Bedeutung von Bargeldtransaktionen hat in Österreich zuletzt zwar etwas abgenommen, noch immer werden
aber 82% der Transaktionen mit Bargeld durchgeführt. Ausgabestart für die neue 50-Euro-Banknote ist Ittner
zufolge der 4. April, sie wird die gleichen Sicherheitsmerkmale haben wie die neue 20-Euro-Note.
Den Bitcoin sehen weder Ittner noch Nowotny als eine Währung. Dieser sei vielmehr ein Tauschobjekt und ein
Spekulationsobjekt, sagte Ittner. Es gebe auch keine Preise in Bitcoin, sondern stets in lokalen Währungen.
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