WKÖ-Hochhauser: „Brauchen Evolution, nicht Revolution“ – Wirtschaftskammer präsentiert
Studie zu Effizienzpotenzialen des Sozialversicherungssystems – Kernpunkt ist 5-Träger-Modell
Wien (pwk) - Die von der Politik angekündigte Umstrukturierung des österreichischen Sozialversicherungssystems
braucht eine sachliche Basis. Deshalb hat die Wirtschaftskammer Österreich eine Studie in Auftrag gegeben,
die Effizienzpotenziale des Systems beleuchtet. „Als Verantwortungsträger und Interessenvertretung haben wir
die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass mit den Mitteln im Sozialversicherungssystem effizient und effektiv umgegangen
wird. Außerdem ist es uns ein Anliegen, dass das System nicht zum Spielball der Parteipolitik wird“, sagte
WKÖ-Generalsekretärin Anna Maria Hochhauser am 16.03. bei der Präsentation der Studie in einer Pressekonferenz.
Wie Prof. Hans-Jürgen Wolter, Studienautor vom Schweizer Beratungsunternehmen c-alm AG, erläuterte,
lag sein Fokus in der Studie auf das Suchen von Effizienzsteigerungspotenzialen in der Verwaltung des Sozialversicherungsystems.
„Der Verwaltungsbereich ist der Schlüssel zur Effizienzsteigerung für den weitaus größeren
Leistungsbereich“, so der Experte, der die tatsächlichen Kosten des Verwaltungssystems mit rund 4,7 Prozent
wesentlich höher ansetzt als sie generell angegeben werden (2,8 Prozent). Für die Studie wurde der Status
Quo analysiert, um in einem weiteren Schritt aufzuzeigen, wo Effizienzpotenziale und Kosteneinsparungsmöglichkeiten
liegen, ohne die Qualität der Leistungen zu schmälern. Demnach liegt im derzeitigen System ein Effizienzpotenzial
von rund 10 Prozent bzw. 152 Millionen Euro pro Jahr.
5 Träger als gesunde Basis
Wesentliche Voraussetzung dafür, das Sozialversicherungssystem auf Dauer schlank, zukunftsfit und nachhaltig
aufzustellen, ist jedoch aus Sicht des Experten die Trägerstruktur neu aufzustellen. Aktuell gibt es in Österreich
21 Sozialversicherungsträger. Wolter: Die Reformierung des Trägersystems ist notwendig, um Potenziale
heben zu können und das System zukunftsfit zu machen und das Leistungsniveau anzupassen. Bei 21 Trägern
findet man immer jemanden, der Nein sagt.“
Für die Studie wurden mehrere Trägermodelle analysiert und verglichen. Fazit der Experten: Ein Modell
mit 5 statt 21 Trägern wäre am effizientesten. Die wesentlichen Merkmale dieses Trägermodells:
- Zusammenschluss der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (SVA)
und der Sozialversicherungsanstalt der Bauern (SVB) zu einem Sozialversicherungsträger der Selbständigen.
- Die Gebietskrankenkassen gehen in einer Dachorganisation auf, wobei die föderale
Struktur betreffend Umsetzungskompetenzen weitgehend aufrechterhalten bleibt. Wesentlich ist eine klare Aufgabenverteilung
zwischen Dach- und Landesorganisationen. Dies reduziert die regionale Fragmentierung und erhöht die Steuerbarkeit
der Krankenversicherung im Bereich der heutigen Gebietskrankenkassen.
- Beibehaltung der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter (BVA).
- Stärkung des Hauptverbands für die Verbesserung der trägerübergreifenden
Koordination.
Hochhauser: „Die Studie zeigt: Deutliche Effizienzsteigerungen sind bei gleichbleibender Qualität möglich.
Wenn wir das System ändern wollen, brauchen wir Mut zur Veränderung. Das 5-Träger-Modell ist aus
unserer Sicht eine tragbare Variante, weil keine Umsetzungsblockaden zu befürchten sind und die Unterschiede
der Erwerbs- und Versichertenbiografie berücksichtigt werden.“ Auch eine Stärkung des Hauptverbandes
sei in diesem Modell verankert.
Die Studie zeigt auch den Optimierungsbedarf im Beitragseinhebungssystem: Sie schlägt die Etablierung einer
gemeinsamen Einhebung von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen durch eine Stelle, vorzugsweise das Finanzministerium,
vor. Damit würden Doppelgleisigkeiten beseitigt und dem Dienstgeber stünde nur eine einhebende Behörde
gegenüber.
Martin Gleitsmann, Leiter der Abteilung für Sozialpolitik, führte weitere Empfehlungen der Studie aus:
„Wenn man sagt: jeder sollte das tun, was er sehr gut kann, so kann das auch für die Sozialversicherungen
gelten.“ Derzeit betreiben die Sozialversicherungsträger 154 eigene Einrichtungen, wie zum Beispiel Kliniken.
Dabei ist längst belegt, dass ein Aufenthalt in einer solchen eigenen Einrichtung doppelt so teuer kommt.
Die Studie empfiehlt, eigene Einrichtungen zu hinterfragen und stattdessen etwa Private Public Partnerships anzudenken.
Gleitsmann: „Hier ist viel zu gewinnen – im Sinne der Gesundheit, der Patienten und der Systemeffizienz.“
Weiters ging Gleitsmann auf die Unterschiede bei Leistungen für Versicherte je nach Bundesland ein. „Die Differenzen
sind groß und nicht nachvollziehbar. Auch wenn das nicht von heute auf morgen geht – Ziel muss hier eine
Vereinheitlichung sein“.
„Wir wollen keine Revolution, sondern eine Evolution des Sozialversicherungssystems“, fasste WKÖ-Generalsekretärin
Hochhauser zusammen. „Wir brauchen optimale Leistungen, die effektiv und effizient erbracht werden. Dabei gilt
es, die Qualität für die Versicherten zu erhalten, aber dennoch Kostendämpfungen in Gang bringen.
Nur so kann das System für die nächsten Generationen erhalten werden. Unsere Ziele sind klar: Es geht
um Stabilität und Zukunftsabsicherung des Systems.“
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