Meisterwerke im Fokus im Belvedere
Wien (belvedere) - Im Rahmen der Ausstellungsreihe Meisterwerke im Fokus zeigt das Belvedere vom 17. März
bis 16. Juli 2017 ausgewählte Arbeiten des steirischen Malers Alfred Wickenburg. Kuratorin Kerstin Jesse präsentiert
rund fünfzig Werke von den 1920er- bis zu den 1930er-Jahren und das Spätwerk des Künstlers, das
durch die besondere Leuchtkraft der Farben besticht. Auch die Glasfensterentwürfe des Künstlers werden
in der Ausstellung thematisiert. Bereichert wird die Fokus-Schau von den neuesten Erkenntnissen der Aufarbeitung
von Wickenburgs umfangreichem Oeuvre.
„Diese Ausstellung ist ein gelungenes Beispiel dafür, wie sich die wissenschaftliche Aufarbeitung eines Werkes
und das Ausstellungswesen eines Museums optimal ergänzen können. Seit 2014 wird im Research Center des
Belvedere intensiv an Alfred Wickenburgs Gesamtwerk geforscht. Die bisherigen Erkenntnisse sowie die Auswertung
der zur Verfügung stehenden Archivalien bereichern nun diese beeindruckende Fokus-Schau. Die Fertigstellung
des Werkverzeichnisses ist für 2018 geplant“, so Stella Rollig, Generaldirektorin des Belvedere.
Alfred Wickenburg (1885-1978) entstammte einer steirischen Adelsfamilie. Er entschloss sich früh, den unabhängigen
Weg eines Künstlers einzuschlagen. Als 19-Jähriger besuchte er in München, damals ein „Hotspot“
der Kunstszene, die als liberal geltende Malschule von Anton Ažbe. Damit entschied er sich gegen eine traditionelle
Ausbildung an der Wiener oder der Münchner Akademie, was seiner individuellen künstlerischen Entwicklung
zugutekommen sollte. Rasch entdeckte er sein besonderes Interesse für die Gestaltungsprinzipien von Farbe,
Form, Linie und Fläche für sich. In München kam er auch in Kontakt mit den Werken der Schule von
Pont-Aven und der Nabis. Werke von Paul Gauguin und Emile Bernard, den er später in Paris persönlich
kennenlernte, beeindruckten ihn nachhaltig.
„Alfred Wickenburgs Werk zeichnet sich schon früh durch den Mut zu großzügigen Formen und zur Ausdruckskraft
über das Kolorit aus. Darüber hinaus kennt er keine Berührungsängste hinsichtlich des Bildformats“,
so Kuratorin Kerstin Jesse. Anhand einzelner Arbeiten der frühen Schaffensjahre zeigt die Ausstellung, wie
Wickenburg einzelne der zahlreichen Ismen des 20. Jahrhunderts reflektierte und durch die laufende Beschäftigung
mit Farb- und Formfragen kreativ und selbstständig umsetzte. „Dabei blieb er seinem persönlichen Stil
stets treu und ließ sich selbst für Auftragsarbeiten nicht verbiegen“, ergänzt die Kuratorin.
Im Jahr 1905 ging er nach Dachau zu seinem Mentor Adolf Hölzel, der als wichtiger Vorreiter der ungegenständlichen
Malerei gelten kann und mit seinem Ansatz der Analyse von Linie, Farbe und Form respektive der Lehre über
das „Primat der künstlerischen Mittel“ ein wichtiger Lehrer für Wickenburg war.
Von 1906 bis 1909 absolvierte Wickenburg ein Studium an der renommierten Pariser Académie Julian, die schon
Persönlichkeiten wie Henri Matisse, Pablo Picasso, Fernand Léger oder František Kupka besucht hatten.
Während seiner Zeit in Paris lernte Wickenburg das Werk der Fauves kennen, das sich durch den künstlerischen
Einsatz von Farbe als Gefühlsausdruck auszeichnet. Das Sujet wird dabei zweitrangig, Farbe und Gesamtform
sind die wesentlichen Elemente des Kunstwerks, das sich bekanntlich vorwiegend dem Sinnerlebnis verschreibt. Der
Einfluss der Fauves, im Besonderen die Arbeiten von Matisse, ist in Wickenburgs farbintensivem Spätwerk ab
den 1950er-Jahren erkennbar. Sein weiterer Ausbildungsweg führte ihn an die Akademie nach Stuttgart, wo er
die Komponierschule seines Mentors Adolf Hölzel besuchte.
Impulse aus Italien
Weitere Impulse für seine künstlerische Entwicklung erhielt Wickenburg insbesondere während seiner
Studienaufenthalte in Venedig, Rom und Florenz. In Italien setzte sich der Künstler mit der Antike und der
Kunst der Renaissance auseinander und begann, sich eingehend mit der kubistischen und futuristischen Formensprache
zu beschäftigen. Durch die Arbeiten von Giorgio de Chirico und Carlo Carrà kam er in Berührung
mit der metaphysischen Malerei, die sich durch einen bühnenhaften Charakter und der Bezugslosigkeit der Bildelemente
auszeichnet.
Spätwerk und Bedeutung
Die zunehmende Reduktion auf das Wesentliche des Dargestellten und eine ausgewogene Balance des Zusammenspiels
von Linie, Form und Farbe bilden die Hauptelemente im Schaffen Wickenburgs, der über viele Jahre als Zeichenlehrer
sowie als Leiter der Abteilung für Freskomalerei an der Bundesgewerbeschule Graz tätig war.
Wickenburgs beständiges Weiterentwickeln des gleichen Motivs wird ebenfalls in der Ausstellung im Belvedere
thematisiert. In mehreren Versionen des Gemäldes Burgenländisches Stillleben ist erkennbar, dass es dem
Künstler hier um die schrittweise Intensivierung des Ausdrucks ging.
Ab den 1960er-Jahren setzte sich der Künstler intensiv mit Glasfensterarbeiten auseinander. Eine Werkstattkopie
eines Glasfensters ist zusammen mit dem zugehörigen Entwurf in der Ausstellung zu sehen.
Kunsthistorikerin Lucia Beck, die für die Erstellung des Werkverzeichnisses verantwortlich zeichnet, widmet
sich in ihrem Katalogbeitrag Wickenburgs Glasfensterarbeiten im öffentlichen und sakralen Raum. Weitere Katalogbeiträge
widmen sich dem Ausbildungsweg des Künstlers (Kerstin Jesse) sowie seiner Beziehung zu Adolf Hölzel (Alexander
Klee). Die Publikation enthält zudem eine ausführliche Biografie des Künstlers.
Bis ins hohe Alter von 93 Jahren blieb Wickenburg, Mitbegründer der Grazer Secession (1923) und Mitglied der
Wiener Secession (nach 1945), künstlerisch aktiv. Zahlreiche Preise und Ehrungen sowie eine intensive Ausstellungstätigkeit
im In- und Ausland, darunter die Teilnahme an der Biennale in Venedig in den Jahren 1934, 1936, 1950 und 1958,
begleiteten seine langjährige künstlerische Laufbahn.
Dem Engagement der Familie des Künstlers, allen voran Henriette Gorton-Wickenburg, ist zu verdanken, dass
2014 die Arbeiten an einem umfassenden Catalogue raisonné am Institut für Werkverzeichnisse im Research
Center des Belvedere aufgenommen werden konnten. Das Verzeichnis der Gemälde ist bereits online unter http://werkverzeichnisse.belvedere.at abrufbar und soll bis 2018 fertig gestellt werden.
Ausstellungen der Reihe Meisterwerke im Fokus werden mit freundlicher Unterstützung des Dorotheum ermöglicht.
|