Änderungen seien nichts Neues, sondern Präzisierung
Wien (pk) - Im anhaltenden Tauziehen zwischen den Regierungsparteien, ein Auftrittsverbot für ausländische
PolitikerInnen in eine grundlegende Reform des Versammlungsrechts einzubetten, bleibt Innenminister Wolfgang Sobotka
auch weiterhin bei seinen bisherigen Vorschlägen. Er wolle zwar kein "Lex Erdogan" schaffen, derzeit
existiere in Österreich aber keine Rechtsgrundlage, um Wahlkampfauftritte von PolitikerInnen aus dem Ausland
zu verhindern. Bei seinen Vorschlägen gehe es außerdem um keine Gesamtänderung, sondern um eine
Präzisierung des Versammlungsrechts, wie es Sobotka zufolge auch der Verfassungsgerichtshof eingefordert hat.
Er habe nie vorgehabt, Demonstrationen bzw. "Spaßdemos" zu verbieten oder die Meinungsfreiheit
einzuschränken, sagte der Innenminister in der Sitzung des Menschenrechtsausschusses vom 15.03.
"Nichts Neues, sondern eine Präzisierung", sind für Sobotka demnach seine z.B. für die
Grünen verfassungsrechtlich bedenklichen Pläne zur Änderung des Versammlungsrechts. Bereits die
geltende Fassung würde etwa einen Verantwortlichen bzw. Versammlungsleiter voraussetzen, zudem könne
die Sicherheit bei unangemeldeten Versammlungen innerhalb von 24 Stunden weder für die VersammlungsteilnehmerInnen
noch für die Öffentlichkeit gewährleistet werden. "Für Spontandemos brauchen wir Mittel
und Möglichkeiten", sagte der Innenminister, sogenannte BerufsdemonstrantInnen aus dem Ausland sollten
in die Verantwortlichkeit des Versammlungsleiters fallen, wie er gegenüber Abgeordnetem Josef Muchitsch (S)
geltend machte. Demonstrationen müssten im Rechtsrahmen bleiben und insofern Gewalt ausschließen.
Seine Einwände gegenüber Sobotkas "Feuerwerk an Ideen", die allesamt verfassungsrechtlich bedenklich
seien, äußerte Albert Steinhauser von den Grünen. Werden die Vorschläge des Innenministers
umgesetzt, sei ein freies Demonstrieren in Österreich nicht mehr möglich. Für Nikolaus Scherak (N)
steht fest, dass es mit den derzeitigen gesetzlichen Regelungen für Auftrittsverbote ausländischer PolitikerInnen
keine neuen Gesetze braucht. "Die Debatte innerhalb der Regierung ist unnötig", so Scherak.
Elektronische Form der Überwachung für Gefährder und Heimkehrer
Hinterfragt haben Steinhauser und Scherak im Menschenrechtsausschuss außerdem Sobotkas Idee, für sogenannte
GefährderInnen eine Fußfessel einzuführen. Für beide Abgeordnete ist klar, dass eine Präventivhaft
laut Menschenrechtskonvention unzulässig wäre. Sobotka entgegnete, dass er nie explizit eine Fußfessel,
sondern eine elektronische Art der Überwachung – in welcher Ausformung auch immer – gefordert hatte. Eine
Fußfessel kann er sich allerdings bei Personen in Untersuchungshaft oder bereits eingesessenen Gefährdern
vorstellen. Er will alle Instrumente und Möglichkeiten diskutieren, wie der Innenminister sagte. Insbesondere
müsse bei den Heimkehrern, zur Zeit sind es rund 93, alles unternommen werden, um diese engmaschig zu betreuen.
Daran knüpfen auch Sobotkas Vorschläge rund um eine Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung
oder einer Vernetzung der privaten Videoüberwachung. Bei beiden geht es laut Innenminister lediglich um den
Anlassfall. "Gerade bei der Internetkriminalität sind wir den Tätern 3 bis 4 Schritte hinten nach",
so Sobotka. Eine zusätzliche elektronische Kennzeichenerfassung würde zudem die polizeiliche Arbeit wesentlich
erleichtern, geht es etwa um das Ausheben terroristischer oder anderweitig krimineller Netzwerke. Der Minister
kann sich das an allen österreichischen Grenzübergängen vorstellen.
EU-Flüchtlingspakt wird nach Meinung Sobotkas halten
Geht es nach dem Innenminister, wird der Flüchtlingspakt zwischen der Europäischen Union und der Türkei
auch in Hinblick auf aktuelle Spannungen aufgrund von wirtschaftlichen Verflechtungen grundsätzlich halten.
Platzt der Deal, sei Österreich mit der Sonderverordnung zur Schließung der Balkanroute aber gut vorbereitet.
Priorität sei innerhalb der EU jetzt aber die Mittelmeerroute. Schleppern müsse das Handwerk gelegt und
Herkunftsländer, wie Libyen, im Kampf gegen Schlepperei gestärkt werden. Laut Minister sind bis Ende
Februar 9000 AsylwerberInnen über die Mittelmeerroute nach Österreich gekommen, 2000 über die Balkanroute.
Das ist laut dem Minister im Vergleich zum vorigen Jahr eine "gewaltige Reduktion".
Kritik an den geplanten Asylrechtsverschärfungen kam von der Grünen Menschenrechtssprecherin Alev Korun
(G). Für sie beinhaltet das Fremdenrechtspaket einen massiven Freiheitsentzug für AsylwerberInnen und
die besorgniserregende Möglichkeit einer monatelangen Schubhaft. Sobotka machte geltend, dass er sich bei
negativen Asylbescheiden eine Ausreiseanhaltung vorstellen kann, sollten vorangegangene Instrumente, etwa Gebietsbeschränkungen
oder Geldstrafen nicht funktioniert haben. Nach Umsetzung des Asylrechtspakets erwartet er sich allerdings ohnehin,
dass es zu mehr freiwilligen RückkehrerInnen kommen wird.
Im Fall eines 18-Jährigen in den vergangenen Tagen abgeschobenen afghanischen Asylwerbers, informierte das
Innenressort, dass die Abschiebung neben dem Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) auch vom Verwaltungsgerichtshof
als rechtmäßig erklärt wurde. Große Teile Afghanistans seien zudem als sicher zu bezeichnen.
Beim Thema Schutz weiblicher AsylwerberInnen vor gewaltsamen Übergriffen informierte der Innenminister, dass
es sich unter den 2016 zirka 42.000 gestellten Asylanträgen bei rund 13.000, also gut einem Drittel, um Frauen
handelt. In Traiskirchen wurde ein Frauenhaus eingerichtet, um diese besonders vulnerable Gruppe sicher unterzubringen.
Zudem seien BetreuerInnen und Sicherheitspersonal speziell geschult worden, für Asylwerberinnen selbst würden
Workshops zur Selbstverteidigung und Gewaltprävention angeboten, wie er auf Nachfrage Elisabeth Pfurtschellers
(V) berichtete. Zusätzlich werde auf Informationsarbeit gesetzt, um Asylwerberinnen über ihre Frauen-
und Kinderrechte aufzuklären.
Die FPÖ hat sich im Menschenrechtsausschuss auf das Thema der Staatsbürgerschaften eingeschworen. Etwa
wollte Wolfgang Klinger wissen, ob Menschen, die das Staatsgrundgesetz nicht anerkennen, die österreichische
Staatsbürgerschaft verweigert wird. Sobotka erklärte, dass diese Menschen per se keine österreichische
Staatsbürgerschaft erhalten würden. Schwieriger sei in diesem Zusammenhang die Frage der Aberkennung,
beispielsweise im Fall staatsfeindlicher Bewegungen wie Freeman. Jene Personen zu Staatenlosen zu machen würde
internationalen Gesetzen widersprechen.
Christoph Hagen (T) thematisierte Probleme mit der Herkunftsfeststellung von Flüchtlingen, nachdem aus seiner
Sicht 99% der AsylwerberInnen ihre Pässe wegwerfen.
Grüne: Mehr Menschenrechtskenntnisse für den Innenminister
Ihren Unmut gegenüber dem Innenminister brachten die Grünen auch in einer Entschließung zum Ausdruck.
Darin fordern sie menschenrechtskonforme Politik von Sobotka. Andernfalls sollte sich der Innenminister für
eine grundrechts-, menschenrechts- und verfassungskonforme Amtsführung entsprechende Kenntnisse anhand von
Fachliteratur, Schulungen oder Gesprächen mit ExpertInnen aneignen. Der Innenminister habe seit Amtsantritt
wiederholt menschenrechts- und verfassungswidrige Vorschläge gemacht ( 2018/A(E)). Die Bedenken der Grünen
betreffen neben jüngsten Vorstößen zur Einschränkung des Demonstrationsrechts zudem Sobotkas
Überlegungen rund um QR-Codes für BürgerInnen. Der Umgang des Innenministers mit den Grund- und
Menschenrechten bereite den Grünen zunehmend Sorgen, erklärte Alev Korun. Grünen-Verfassungssprecher
Albert Steinhauser meinte, dass ihre Entschließung konstruktiver als ein Misstrauensvotum im Plenum sei.
Mit der Verfassung und den Grundrechten sollte man sensibel umgehen, mahnte er ein.
Nach dem Empfinden von Hannes Weninger (S) grenzt der Vorstoß der Grünen an den Bereich der Beleidigung,
weshalb er der Oppositionsfraktion riet, diesen zurückzuziehen. Als "angenehmen Umweg" definiert
Georg Vetter (V) die Kritik der Grünen am "eigenen Stil" des Innenministers. Die von Sobotka gesetzten
Akzente lassen erkennen, dass er nicht ein Produkt seiner Berater sei, verdeutlichte Vetter. Einem "Parlament
unwürdig" und "absurd, sich damit zu befassen" fügte Nikolaus Berlakovich (V) dem Attest
seiner Vorredner hinzu. Team Stronach-Mandatar Christoph Hagen äußerte sich gegenüber Sobotka hinsichtlich
seiner sachlichen und faktischen Kenntnisse positiv.
Günther Kumpitsch (F) erachtet eine weitere Sensibilisierung des Innenministers im Sinne der österreichische
Bevölkerung als wichtig.
Nikolaus Scherak (N) konnte die Erschütterung von Weninger nicht nachvollziehen. Ein differenzierterer und
sensiblerer Umgang und die Auseinandersetzung mit Grund- und Menschenrechten sowie der Verfassung, anstatt mit
Vorschlägen direkt in die mediale Debatte zu gehen, würde der Sache dienen, meinte er in Richtung Sobotka.
Der Antrag wurde mit den Stimmen der Regierungsparteien abgelehnt.
Menschenrechtsausschuss für leicht lesbare Behördenformulare- und broschüren
Auf einen barrierefreien Zugang zu Informationen insbesondere von Sicherheitsbehörden zielt eine gemeinsame
Entschließung der SPÖ und ÖVP ab, die einstimmig angenommen wurde. Alle Parlamentsfraktionen sehen
in der Verwaltung demnach Bedarf an Informationen in leicht verständlicher Sprache ( 2026/A(E)). Österreich
habe sich im Rahmen der UN-Behindertenrechtskonvention dazu verpflichtet, für Menschen mit Leseschwächen
oder Sprachschwierigkeiten barrierefreien Zugang zu Informationen zu gewährleisten, machen SPÖ und ÖVP
in ihrem Vorstoß geltend.
Der Zugang bei den Behörden müsse so einfach wie möglich gestaltet werden, erläuterte Franz
Kirchgatterer (S) den Antrag. Auf den Hinweis von Grünen-Menschenrechtssprecherin Alev Korun betreffend häufig
auftretende Schwierigkeiten bei der allgemeinen Verständlichkeit von Gesetzestexten – etwa beim Fremden- und
Asylgesetz –, verwies Elisabeth Pfurtscheller (V) auf den Passus der "Sprachschwierigkeiten" im Antrag,
welchem genau hiermit entgegengesteuert werden soll.
Christoph Hagen (T) erachtete den Antrag als positiv, er macht allerdings auch auf die grundsätzliche Möglichkeit,
die Angelegenheit über den Verordnungsweg innerhalb der Ministerien zu klären, aufmerksam.
Schubhaftzentrum Vordernberg: Grüne und NEOS machen weiterhin Druck
Nach der Rechnungshofkritik am Schubhaftzentrum Vordernberg Ende letzten Jahres stand das bei Teilen der Opposition
umstrittene Zentrum einmal mehr auf der Tagesordnung des Menschenrechtsausschusses. Der Rechnungshof kritisierte
das Schubhaftzentrum in einem seiner Berichte als unausgelastet, zu teuer und unwirtschaftlich. Hier setzt auch
eine Forderung der Grünen an. Die vertraglich für 15 Jahre vereinbarten Pauschalzahlungen an die private
Sicherheitsfirma G4S, die laut Antrag für ihre Leistungen 400.000 € im Monat von der Gemeinde Vordernberg
bekommt, sind aus Sicht der Oppositionspartei nicht mehr tragbar.
Es handle sich um eine Verschwendung von Steuergeldern, die anfallenden Unterbringungskosten würden aufzeigen,
wie schlecht der Vertrag ausverhandelt wurde, sagte NEOS-Abgeordneter Nikolaus Scherak im Ausschuss. Das Innenministerium
soll aus den Verträgen mit der Gemeinde Vordernberg aussteigen und neue, transparente Verträge zum Betrieb
des Schubhaftzentrums ohne ausgelagerte private Organisationen abschließen ( 1148/A(E)), betonte auch Alev
Korun (G).
Jederzeit aus Verträgen auszusteigen, erachtet Georg Vetter (V) als wenig sinnvoll. Für ihn gibt es einige
Vorteile von Verträgen zwischen dem Staat und Privaten.
Hoheitliche Aufgaben wie die Sicherheit sollen nach Ansicht der Freiheitlichen grundsätzlich nicht an Private
übergeben werden, hielt Günther Kumpitsch fest. Christoph Hagen (T) verwies schließlich auf den
Rechnungshofbericht, der auch verdeutliche, dass man eingreifen müsse, wenn sich das Zentrum nicht rechne.
Neben den Grünen machten auch die NEOS weiterhin Druck, die Auslagerung von Sicherheitsaufgaben in Schubhaftzentren
an Private zu stoppen. Sie sehen dadurch gewisse Graubereiche und kritisieren das Rechtsschutzdefizit für
dort angehaltene Menschen, etwa im Falle von rechtswidrigem Handeln privater Wachebediensteter. Das Argument, der
Staat übernähme die Haftung für etwaiges Fehlverhalten des privaten Sicherheitsdienstes G4S, ist
für NEOS-Abgeordneten Nikolaus Scherak nicht ausreichend, er forderte gleiche Rechtsmittel, unabhängig
davon, ob Sicherheitsaufgaben an Private ausgelagert sind oder nicht ( 213/A(E)). Er verwies hier auf eine entsprechende
Forderung der Volksanwaltschaft. Alev Korun (G) sprach sich ebenfalls dafür aus, offene Rechtschutzlücken
zu schließen.
Unklarheiten im Antrag der NEOS ortete Georg Vetter (V), Rechtsmittel seien bereits vorhanden, Lücken allerdings
nicht. Christoph Hagen (T) argumentierte ähnlich, aus seiner Sicht braucht es den Antrag der NEOS nicht. Beide
Anträge wurden mit den Stimmen der Regierungsparteien abgelehnt.
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