Carl Spitzweg trifft auf Erwin Wurm

 

erstellt am
27. 03. 17
13:00 MEZ

Ironisch formulierte Gesellschaftskritik köstlich aufbereitet – Leopold Museum zeigt von 25. März bis 19. Juni 2017 die erste Spitzweg-Ausstellung in Österreich
Wien (leopold museum) - Mit „Cark Spitzweg – Erwin Wurm. Köstlich! Köstlich?“ präsentiert das Leopold Museum die erste Ausstellung von Carl Spitzweg in Österreich und zeigt ein ungemein zeitloses und verblüffend aktuelles Œuvre. In der von Leopold Museum-Direktor Hans-Peter Wipplinger kuratierten Schau trifft der dem Biedermeier zugeordnete, ironisch-humorvolle deutsche Maler Carl Spitzweg (1808–1885) auf Erwin Wurm (geb. 1954), den Meister des erweiterten Skulpturbegriffs.

Die Präsentation im Leopold Museum ist die erste Ausstellung von Carl Spitzweg in Österreich. Sie fokussiert mit rund 100 Gemälden und Grafiken sowie Buchillustrationen auch erstmals – entgegen der mit dem Biedermeier verbundenen Vorstellungen von Beschaulichkeit und kleinbürgerlicher Idylle – explizit auf Spitzwegs gesellschafts- und zeitkritisches Werk, das die Brüche und Konflikte seiner Zeit künstlerisch dokumentiert. Gleichzeitig erschließt die Auseinandersetzung mit Spitzwegs Schaffen die Aktualität seiner Themen, die sich in der „Generation Biedermeier“ des 21. Jahrhunderts wiederfinden und durch 15 präzise gesetzte Interventionen von Erwin Wurm verdeutlicht werden, die mittels der Strategie „Humor als Waffe“ agieren.

Hans-Peter Wipplinger: „Obwohl das Biedermeier das spezifische kulturhistorische Fluidum von Spitzwegs Œuvre darstellt, greift die herkömmliche Definition in Fall des Künstlers bei Weitem zu kurz. Sie verhindert eine komplexere und progressivere Lesart des Spitzweg‘schen Denkens und Schaffens, zu dem – wie die rund 100 präsentierten Exponate deutlich machen – auch die Analyse von sozialen Hierarchisierungen respektive Herrschaftsverhältnissen, die Durchleuchtung der Geschlechterbeziehungen oder die subtile Infragestellung von Harmonie in einer vorgeblich heilen Welt gehören.“

Der epochenübergreifende, dialogische Ansatz der Ausstellung lässt sich über die einzelnen thematischen Kapitel der Präsentation nach verfolgen. So treten etwa die kleinstädtischen Bilder Carl Spitzwegs, die durch eine präzise und detailreiche Konzeption getragen sind, im ersten Raum in einen Dialog mit Erwin Wurms Arbeit Narrow House von 2010. Spitzwegs Werke gleichen hierbei nur auf den ersten Blick idyllischen Stadtszenarien, die mit volkstümlich gekleidetem Personal – vornehmlich Wachposten, Musikanten, Sänger und weibliche Darstellerinnen – bevölkert sind.

Bei genauerer Betrachtung zeichnen sich feudale, hierarchische, patriarchalische und autoritäre Strukturen ab, die auf das System bornierter Beschränkungen verweisen, das geprägt war von den in Spitzwegs Epoche gültigen Moralvorstellungen. Den Eindruck von kleinlichem Gewinkel vermittelt auch Wurms Arbeit Narrow House, die das Elternhaus des Künstlers in Volumen und Proportionen verändert zitiert, um damit auf die gesellschaftliche Enge vergangener Jahrzehnte zu reflektieren.

Zahlreiche Werke Carl Spitzwegs offenbaren auch seine subversive Haltung gegenüber den Mächten des Staates, seien es Zollbeamte, Wachposten oder Bürgersoldaten. Die Beschäftigungslosigkeit der Uniformierten in den friedlichen Zeiten nach den Napoleonischen Kriegen verleitete Spitzweg zu grotesken Darstellungen wie strickenden Soldaten. Doch Spitzweg scheute auch nicht vor der Thematisierung von Korruption und Ungerechtigkeit im Überwachungsstaat zurück. Die Aktualität dieser Themen wird durch Erwin Wurms Arbeit New York Police Cap Gold von 2010 unterstrichen, welche der Polizeikappe überdimensionale Größe verleiht und die Betrachtenden dazu einlädt, sich unter dieses nicht nur schützend, sondern auch bedrohlich wirkende Symbol des Rechtsstaates zu stellen.

Weitere Bereiche der Ausstellung widmen sich Carl Spitzwegs Passion der Darstellung widersprüchlicher Charaktere, die den Künstler nicht nur als Chronisten seiner Zeit, sondern insbesondere auch als sensiblen Psychologen erkennen lassen. So finden sich in seinen Bildern scheinbar fromme Mönche, die sich vermeintlich asketisch von der Zivilisation in ihre Eremitenhöhle zurückgezogen haben, hier jedoch einer durchaus lustorientierten Lebensweise frönen. Auch ins Schrullige gesteigerte Gelehrten-Darstellungen, mit welchen Spitzweg die Wissenschaftsgläubigkeit seiner Zeit ironisierte, finden sich in vielen Arbeiten des Künstlers. Zu ihnen gesellen sich Erzählungen von Spießbürgern in ihrer Freizeitbeschäftigung als „Sonntagsjäger“ und vom nicht nur realen, sondern auch moralisch gesehenen rechten Weg abkommenden „Schulmeisterlein“.

„Inmitten gefährdeter Idyllen finden sich in den Spitzweg’schen Szenerien zahlreiche gebrochene Charaktere. Diesen vermeintlich eigenbrötlerischen Sonderlingen (...), die beim Nachgehen ihrer mitunter skurril erscheinenden Alltagstätigkeiten zugleich immer ein Hauch von Resignation und Widerständigkeit umweht, gilt dabei Spitzwegs große Sympathie. Dies ist umso bemerkenswerter, da es sich – in einer Zeit der politischen Restauration nach dem Wiener Kongress 1815 und damit in einer Periode konformistischer Verhaltensweisen – beim Spitzweg’schen Personal oftmals um klassische Anti-Idealtypen handelt, die gemeinhin als nicht systemkompatibel erschienen“, schreibt Hans-Peter Wipplinger im Katalog zur Ausstellung.

 

 

Ihr Gegenüber finden die Spitzweg’schen Antihelden in One Minute Sculptures und anderen Werken Erwin Wurms, welche oftmals – ebenso wie Spitzwegs Gemälde – Situationskomik mit einer gesellschaftskritischen Note vermengen. Beide Œuvres verbindet somit – wie die Ausstellung aufzeigt – ein kritisch-reflektierter Humor, der als Waffe eingesetzt, den Alltag aus anderer Perspektive zeigt und damit vielschichtige Dimensionen evoziert.

Der Einladung zur Eröffnung in Anwesenheit von Erwin Wurm und seiner Frau Elise Mougin folgten u.a. Eröffnungsredner Johannes K. Haindl, deutscher Botschafter in Wien, und seine Frau Regina Haindl, die Leopold Museum-Vorstände Elisabeth Leopold, Agnes Husslein-Arco, Helmut Moser und Carl Aigner sowie Gabriele Langer, kaufmännische Direktorin des Leopold Museum.

Auch Kooperationspartner und Hauptleihgeber Fritz Ritzmann, Präsident der Stiftung des Museum Georg Schäfer Schweinfurt, die Sammlerpaare Rudolf und Edith Breuninger, Rudolf und Elisabeth Geymüller sowie Sonja Leimann und Hella Pohl (Galerie Thaddaeus Ropac) folgten der Einladung des Leopold Museum.

Direktor Hans-Peter Wipplinger begrüßte ebenso das Sammlerehepaar Diethard und Waltraud Leopold, Post-Generaldirektor Georg Pölzl und seine Frau Eveline Pölzl, Head des Circle of Patrons des Leopold Museum, Leopold Museum-Freundevereins-Präsident und Vorstand der Wiener Städtischen Versicherung Dkfm. Hans Raumauf, Künstler Christian Ludwig Attersee mit seiner Frau, Kunstforum Geschäftsführerin Ingried Brugger, mumok-Direktorin Karola Kraus und Ex-mumok-Direktor Edelbert Köb, Secessionspräsident Herwig Kempinger, die Künstler Daniel Spoerri, Heinrich Dunst, Ingo Nussbaumer, Jakob Gasteiger, Hubert Schmalix, Roland Kollnitz, Manfred Wakolbinger, Anna Heindl, Alois Mosbacher, Lorenz Estermann, Peter Sandbichler und Constantin Luser, Filmregisseur Michael Haneke, die Professoren Burghart Schmidt und Allan Janik, Banker Karl Arco, Immobilienverwalterin Johanna Arco, Neurowissenschaftler Ricardo Aviv, Chirurg Arthur Bohdjalian, Dorotheum GF Martin Böhm, Dompfarrer Toni Faber, ImPulsTanz-Intendant Karl-Regensburger, Sozialbau-Vorstand Josef Ostermayer und Ex-Minister Nikolaus Berlakovich, Zahnarzt Roberto Lhotka, Heinrich Mautner-Markhof und Caroline Mautner-Markhof, ISMH Direktorin Martina Lillie, Internist Prof. Siegfried Meryn sowie Korn Ferry GF Christoph la Garde und Immobilienmaklerin Ramona la Garde und die Galeristen Christine König und Ernst Hilger.

Die Kunstsammler Margot und Roman Fuchs, Barbara Grötschnig (Vienna Insurance Group), KHM-Generaldirektorin Sabine Haag und Salzburg Museum Direktor Prof. Martin Hochleitner, Alfred Weidinger (Belvedere, designierter Direktor Museum der bildenden Künste Leipzig), Albertina-Kuratorin Antonia Hoerschelmann und Managerin Eva Maria Höfer fanden sich ebenfalls zur Eröffnung ein wie der Industrielle Adrian Riklin (Alcar Holding), Jurist Axel Audrel (Dorda Brugga Jordis), Antonis Stachel (Kurator Sammlung Sanziany), Franz Pichorner (KHM), Sylvia Eisenburger-Kunz (Gesellschaft der Freunde der bildenden Künste), Galerist Cornelis van Almsick, Fotograf Hubertus Hohenlohe, Birgit Vikas (Kunsttrans), Katarzyna Uszynska (Neuer Kunstverein Wien), Christian Weiland (Across Business Development) und Larissa Weiland u.v.m.

Kuratorenführung mit Direktor Hans-Peter Wipplinger am Do, 30.03.2017, 18 Uhr und mit Franz Smola, Sammlungskurator am Do, 11.05. und Do, 08.06.2017, 15 Uhr
Künstler- und Kuratorenführung im Rahmen eine exklusiven Sonderöffnung mit Erwin Wurm und Kurator Direktor Hans-Peter Wipplinger am Mi, 19.04.2017, 18.30 Uhr (Anmeldung:
rahmenprogramm@leopoldmuseum.org)

Zur Ausstellung ist ein 224 Seiten und 150 Abbildungen umfassender Katalog im Verlag der Buchhandlung Walther König erschienen, herausgegeben von Hans-Peter Wipplinger mit Beiträgen von Stefan Kutzenberger, Franz Smola, Burghart Schmidt, Hans-Peter Wipplinger und eine Biografie des Künstlers von Esther Hatzigmoser. Erhältlich im Leopold Museum Shop, Preis: Euro 29,90

 

 

 

Weitere Informationen:
http://www.leopoldmuseum.org

 

 

 

 

 

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