Brüssel/Innsbruck (öaw) - Dem Innsbrucker Experimentalphysiker Christian Roos wurde vom Europäischen
Forschungsrat ein ERC Advanced Grant zugesprochen. Bis zu 2,5 Millionen Euro stehen ihm und seinem Team am Institut
für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in den
kommenden 5 Jahren für den Bau eines neuartigen Quantensimulators zur Verfügung.
Die Entwicklung in der Quanteninformationsverarbeitung schreitet rasant voran. Was vor drei Jahrzehnten mit ersten
Ideen begann, ist inzwischen ein breitgefächertes Forschungsfeld. So konnten Experimentalphysiker - darunter
weltweit führend die Innsbrucker Gruppe um Rainer Blatt - die Grundbausteine eines zukünftigen Quantencomputers
im Labor bereits realisieren. Bis allerdings ein universeller Quantencomputer tatsächlich gebaut werden kann,
wird noch einige Zeit vergehen. Bis dahin wollen die Forscher die außergewöhnlichen Eigenschaften der
Quantenwelt für spezielle Fragestellungen nutzbar machen. So eignen sich Quantensysteme besonders gut dafür,
andere Quantensysteme zu simulieren und deren Eigenschaften zu studieren. Solche Simulationen werden heute im Labor
bereits erfolgreich durchgeführt. Allerdings ist die Zahl der verfügbaren Quantenbits noch so klein,
dass diese Fragestellungen auch an einem herkömmlichen Rechner simuliert werden können. Mit einer neuen
Art von Quantensimulator will der Innsbrucker Physiker Christian Roos dieses Problem nun umgehen.
Eine neue Dimension erschließen
Die Forschungen zum Quantencomputer in Innsbruck wurden bisher mit linearen Ionenfallen durchgeführt,
in denen sich die Teilchen wie an einer Perlenkette aufreihen. „Wir können in diesem Design heute bis zu 20
Ionen sehr gut kontrollieren“, erzählt Christian Roos. „Je mehr Teilchen aber benötigt werden, umso schwieriger
wird es.“ Deshalb will der Physiker nun eine kryogene Apparatur zur Speicherung zweidimensionaler Ionenkristalle
entwickeln. In ihr will Roos bis zu 100 Ionen gleichzeitig kontrollieren. „Damit kommen wir in einen Bereich, wo
numerische Simulationen auf herkömmlichen Computer zu aufwändig werden“, sagt der Physiker. Ein zweidimensionales
System bietet überdies die Möglichkeit, bisher in der Quantensimulation nicht zugängliche physikalische
Phänomene zu untersuchen. Mit dem vom Europäischen Forschungsrat zugesprochenen ERC Advanced Grant wird
das Innsbrucker Team um Roos nun zunächst versuchen, dieses neue Konzept im Labor umzusetzen. Dann wollen
die Wissenschaftler erste konkrete Simulationen umzusetzen. „Unser Ziel ist es, eine Simulation durchzuführen,
die mit der herkömmlichen Methode der numerischen Simulation nicht realisierbar ist“, sagt Roos. Beste Voraussetzungen
dafür finden die Forscher am Quantenstandort Innsbruck vor, arbeiten hier doch Theoretiker und Experimentalphysiker
aus aller Welt auf höchstem Niveau Hand in Hand.
Zur Person
Christian Roos wurde 1968 in Deutschland geboren, studierte Physik an der Universität Göttingen und
kam für das Doktoratsstudium in die Arbeitsgruppe von Rainer Blatt an der Universität Innsbruck. Nach
der Promotion im Jahr 2000 forschte er zwei Jahre am Laboratoire Kastler-Brossel der Ecole Normale Supérieure
in Paris. Nach drei weiteren Jahren am Institut für Experimentalphysik der Universität Innsbruck wechselte
Christian Roos an das kurz zuvor neu gegründete Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI)
der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) in Innsbruck, wo er seither als Senior Scientist
in der Arbeitsgruppe von Rainer Blatt forscht. Roos wurde unter anderem bereits mit dem Forschungspreis der Stadt
Innsbruck, dem Otto-Seibert-Forschungspreis und dem Förderungspreis des Landes Tirol für Wissenschaft
ausgezeichnet.
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