Leichtfried ist von Engagement der EU für dieses wichtige TEN-Vorzeigeprojekt überzeugt
Brüssel/Brenner/Wien (pk) – Nicht zum ersten Mal befasste sich der Rechnungshofausschuss am 23.03.
mit dem Milliardenprojekt Brenner Basistunnel. In einer umfassenden Gebarensüberprüfung ( III-338 d.B.)
weist der Rechnungshof auf einen starken Kostenanstieg für das Projekt im Laufe der Planungsphase hin. Er
sieht außerdem offene Fragen, die für die Republik noch ein weiteres Finanzierungsrisiko sich ziehen
könnten. Laut Rechnungshofbericht besteht auch ein Spannungsfeld zwischen der angekündigten vollen Inbetriebnahme
des Tunnels Ende 2026 und dem teilweise schleppenden Ausbau der Zulaufstrecken vor allem auf deutscher Seite. Daraus
resultierende Kapazitätsengpässe könnten den verkehrspolitischen Nutzen des Gesamtprojekts insgesamt
in Frage stellen, lautet das Fazit der PrüferInnen.
Den kritischen Fragen der Abgeordneten stellte sich Verkehrsminister Jörg Leichtfried, der den Brenner Basistunnel
als ein Vorzeigeprojekt der EU für die Transeuropäischen Netze (TEN) im Verkehrsbereich bezeichnete.
Detailfragen zum Prüfungsergebnis, zum Projektfortschritt und der weiteren Planung beantworteten Vertreter
der Projektgesellschaft Brenner Basistunnel BBT SE: Herbert Kasser (BMVIT), Konrad Bergmeister (Vorstand der BBT
SE) und Franz Bauer (ÖBB Infrastruktur). Der Bericht wurde vom Ausschuss einstimmig zur Kenntnis genommen
und wird im Plenum noch weiter besprochen werden.
RH dokumentiert Kostenentwicklung und Verzögerungen im Baufortschritt
Die Prüfungsziele des Rechnungshofs zielten auf die begleitenden Kontrolle eines sehr umfangreichen Projekts,
erläuterte Rechnungshofpräsidentin Margit Kraker. Sie umfassten die Frage der nachhaltigen Sicherstellung
der Finanzierung durch den Bund ebenso wie die Kofinanzierung durch die EU. Versucht wurde auch eine Einschätzung
der Rolle der weiteren Finanzierungsmaßnahmen, also der Querfinanzierung durch die Autobahnmaut und der Kostenbeiträge
des Landes Tirol. Überprüft wurde auch die Entwicklung der Kosten und Termine und der organisatorischen
Abwicklung der Finanzierung mit zugehörigem Planungs- und Kontrollsystem. Außerdem bewertet der Rechnungshof
die verkehrspolitischen Rahmenbedingungen des Projekts vor dem Hintergrund der Verkehrspolitik der EU, um Aussagen
über die Erfolgsaussichten des Projekts treffen zu können. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, ob sich
der beabsichtigte Effekt der Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene tatsächlich wie geplant einstellen
kann.
Der Rechnungshof zeigt in seinem Bericht die Entwicklung der prognostizierten Gesamtkosten, die sich im Zeitraum
von 2002 bis 2013 in mehreren Etappen von etwa 4,4 Mrd. € auf ca. 8,661 Mrd. € erhöhten. Als Grund dafür
werden eine fehlende Vorausvalorisierung und unterschiedliche Kostenberechnungsgrundlagen genannt. Außerdem
sieht der Rechnungshof offene Fragen beim Projektabschluss mit einer geplanten Inbetriebnahme Ende 2026 in Anbetracht
des bisherigen Baufortschritts mit Verzögerungen in allen Baulosen.
Die Europäische Kommission beteiligte sich an der Finanzierung bis 2019 mit etwa 1,7 Mrd. €. Sie nahm jedoch
aus budgetären Gründen eine Kürzung um die Jahrestranche 2020 vor (etwa 411,42 Mio. €). Für
die Jahre nach 2020 liegt noch keine Entscheidung über eine mögliche EU-Kofinanzierung vor, weshalb insgesamt
das Risiko bestehe, dass die Italienische Republik und die Republik Österreich die Errichtung des Brenner
Basistunnels ohne weitere EU-Zuschüsse finanzieren müssen, hält der Bericht fest. Für Österreich
wären das Mehrkosten von rund 757 Mio. €. Einen weiteren Kostenfaktor für die Republik Österreich
sieht der Rechnungshof neben den Kosten für die Errichtung des Brenner Basistunnels selbst noch in den zusätzlichen
Investitionskosten für den Nordzulauf in geschätzter Höhe von über 1,8 Mrd. €.
Diesen Fragen der Finanzierung des Großprojekts widmeten sich in einer ersten Fragerunde die Abgeordneten
Hermann Gahr (V), Martina Schenk (T), Andrea Gessl-Ranftl (S), Erwin Angerer (F) und Georg Willi (G). Thematisiert
wurde die Frage, inwieweit der Kostenanstieg seit den ersten Planungsphasen schlüssig erklärt werden
kann, und weiter, ob unter den vom Rechnungshof aufgezeigten Voraussetzungen der weitere Finanzierungspfad gesichert
ist.
Verkehrsminister Jörg Leichtfried hob hervor, dass der Südzulauf zur Gänze von der Italienischen
Republik abgewickelt werde und für die Republik Österreich keinen weiteren Aufwand bringe. Er sehe auch
die Äußerungen der deutschen Seite zur dortigen Zulaufstrecke nicht so dramatisch, wie sie teilweise
medial dargestellt wurden, sondern sehe sie als gutes Zeichen, dass man nun in die Phase der konkreten Überlegungen
eintrete. Auch was die EU-Kofinanzierung angehe, so sehe er keinen Grund zur Sorge. Die Zurückstellung der
Budgettranche 2020 erkläre sich budgettechnisch, da im letzten Jahr des Finanzrahmens der EU ermittelt werden
müsse, wieviel Geld nicht abgeholt wurde. Da erfahrungsgemäß eine Reihe von Projekten nicht umgesetzt
werde, rechne er mit ausreichenden EU-Mitteln bis 2020. Für Leichtfried sprechen pragmatische Gründe
dafür, dass die Finanzierung auch über 2020 hinaus gesichert ist. Hier handle es sich schließlich
um ein Vorzeigeprojekt der EU-Verkehrspolitik, das man nicht aufgeben werde.
Die Vertreter der Projektgesellschaft Brenner Basistunnel BBT Herbert Kasser, Konrad Bergmeister und Franz Bauer
erläuterten die Kostenentwicklung. Das Projekt wurde in der Planungsphase mehrmals erweitert, seit 2011 sind
diese nicht weiter angestiegen. Wie dem Bericht des Rechnungshofs zu entnehmen sei, wurden im Zuge der Gebarensüberprüfung
verschiedene Verbesserungen in der Projektplanung und Maßnahmen zur Optimierung der Finanzierung gesetzt.
So ermöglichte die Italienische Republik einen direkten Mittelfluss von der Europäischen Kommission an
die BBT SE. Die EU-Mittel kommen somit in Zukunft unmittelbar dem Bahnprojekt Brenner Basistunnel zu. Die Vertreter
der Projektgesellschaft dankten dem Rechnungshof ausdrücklich für seinen Beitrag zur Optimierung des
Projekts.
SPÖ-Mandatar Elmar Mayr (S) betonte aufgrund der Ausführungen der Experten, es sei wichtig, Missverständnisse
über die Aussagen des Rechnungshofberichts auszuräumen. Von einer plötzlichen Kostenexplosion des
Projekts könne keine Rede sein, vielmehr habe der Rechnungshof verschiedene, nicht direkt miteinander vergleichbare
Projektphasen und Berechnungsmodelle aufgelistet.
Verlagerung von Güterverkehr auf die Schiene: Unsicherheitsfaktor Ausbau der Zulaufstrecken
Im Mittelpunkt einer weiteren Fragerunde des Ausschusses stand vor allem die vom Rechnungshof vorgenommene Bewertung
des Projekts als Teil einer EU-Gesamtstrategie zur Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene und unter
welchen Voraussetzungen sich das Projekt betriebs- und volkswirtschaftlich überhaupt rechnen kann. Der Brenner-Korridor
ist Teil der Strecke Berlin-Palermo im Kernnetz der TEN, das im Weißbuch Verkehr der EU festgelegt ist. Der
Brenner-Korridor spielt dabei eine zentrale Rolle.
Der Rechnungshof betrachtete im Zuge seiner Prüfung auch den Stand des Ausbau der Zulaufstrecken zum Brenner-Basistunnel
in Österreich, Deutschland und Italien. Da hier voraussichtlich nicht alle Abschnitte gleichzeitig mit dem
Brenner Basistunnel in Betrieb genommen werden können, sieht er die Gefahr langfristiger Kapazitätsengpässe
auf dem gesamten Korridor. Neben der Schaffung der entsprechenden technischen Voraussetzungen für das Funktionieren
des Korridors misst der Rechnungshof auch der allgemeinen Verkehrspolitik eine wichtige Rolle bei. Erreiche man
auf längere Zeit keine entsprechende Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene, würde sich das
negativ auf die Kosten-Nutzen-Rechnung der Milliardeninvestitionen der Republik auswirken, warnt der Rechnungshof.
An diese Überlegungen des Rechnungshofes knüpften neben Ausschussvorsitzender Gabriela Moser (G) auch
ihr Fraktionskollege Georg Willi kritische Anmerkungen. Sie sahen Mängel der Verkehrspolitik vor allem im
Mautbereich. Bedenken, ob verkehrspolitisch die richtigen Schlüsse für den Erfolg des Projekts gezogen
werden, meldete auch NEOS-Abgeordneter Michael Bernhard an. Eine aus seiner Sicht mutlose EU-Verkehrspolitik prangerte
der Abgeordnete der Grünen Werner Kogler an. Er hält es für notwendig, dass die EU-Verkehrspolitik
sich vom Druck der Lobbyisten befreit und konkrete Maßnahmen für die Kostenwahrheit auf der Straße
setzt. Er sieht hier das Mautsystem als Ansatzpunkt.
Leichtfried sieht Brenner Basistunnel als Teil der Lösung der Transitfrage
Verkehrsminister Jörg Leichtfried sagte, die Frage, ob die Republik die Kosten der Finanzierung für das
Projekt übernehme, sei eine politische Grundsatzfrage. Er beantworte sie im Sinne der Verkehrspolitik positiv.
Eine Frage, die der Rechnungshof nicht in seine verkehrspolitischen Überlegungen einbezogen habe, seien die
geographischen Gegebenheiten, merkte der Verkehrsminister an. Die Transitstrecke durch Tirol sei zu kurz, um über
die Maut entsprechende Lenkungseffekte für die Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene erzielen
zu können, wie Kogler sie fordere. Letztlich müsse man also neben Lenkungsmaßnahmen auch auf ein
attraktiveres Angebot der Schiene setze, genau hier setze der Brenner Basistunnel an.
Zur Mautfrage merkte Leichtfried grundsätzlich an, es gebe leider sehr verschiedene Transitinteressen der
unmittelbaren Nachbarn Deutschland und Italien. Das erkläre, warum die Möglichkeiten der Wegekostenrichtlinie,
die er grundsätzlich für den richtigen Ansatz halte, nicht voll ausgeschöpft werden. Für die
weitere Entwicklung der Wegekostenrichtlinie und der Maut sehe er zwei Hauptpunkte. Erstens müsse der CO2-Ausstoß
in die Berechnung der externen Kosten einbezogen werden. Zweitens gehe es darum, die Gigaliner an den österreichischen
Grenzen aufzuhalten, sagte Leichtfried.
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