OSZE-Konferenz im österreichischen Parlament gedenkt der Opfer in London mit einer Trauerminute
London/Wien (pk) – Bevor Nationalratspräsidentin Doris Bures die im österreichischen Parlament
am dia am 23.03. stattfindende Konferenz "OSCE security policy – female perspectives" eröffnete,
rief sie die TeilnehmerInnen auf, in einer Trauerminute der Opfer des Terroranschlags auf das Londoner Parlament
zu gedenken.
"Meine Anteilnahme und Solidarität gehört der britischen Bevölkerung, den Opfern und ihren
Angehörigen", sagte Bures. Während in Washington Vertreter von mehr als 60 Staaten der Welt zusammentrafen,
um die Allianz gegen den IS-Terror zu vertiefen, sei die Stadt Ziel eines Anschlages geworden. Das schreckliche
Attentat sei gegen das Herz der britischen Demokratie gerichtet. "Die Terroristen werden in ihrem Ziel, die
Werte unserer offenen Gesellschaft zu zerstören, nicht erfolgreich sein", bekräftigte die Nationalratspräsidentin.
Bures: Je mehr Frauen an Friedensverhandlungen beteiligt sind, desto länger hält der Frieden
Welche Rolle haben Frauen bei der Konfliktverhütung, im Kampf gegen Extremismus und Terrorismus? Welchen
Anteil haben Frauen an einer nachhaltigen und stabilen Friedensordnung in der OSZE? Welche Herausforderungen ergeben
sich durch eine gemeinsame Sicherheitsarchitektur in Europa? Diesen Fragen widmet sich die eintägige Konferenz
"OSCE security policy - female perspectives" im Parlament. "Wir haben noch einen weiten Weg vor
uns, bis wir Frauen in der Sicherheitspolitik gleichberechtigt mitentscheiden und mitgestalten können",
resümierte Bures zwei Wochen nach dem Internationalen Frauentag. In modernen Konflikten sei es gefährlicher,
eine Frau zu sein, als ein Soldat - kämen auf einen getöteten Soldaten statistisch gesehen neun getötete
Zivilisten, überwiegend Frauen und Kinder, betonte die Nationalratspräsidentin. Weg von physischer und
sexueller Gewalt, ob ins nächste Dorf oder über die Grenze, sei oft vorrangiges Ziel. Bures verwies in
diesem Zusammenhang auf Zahlen des UNO Flüchtlingshilfswerks, wonach mehr als die Hälfte aller Flüchtlinge
Frauen und Kinder seien. Angesichts dieser massiven Missstände hält es Bures für dringend geboten,
dieses Thema aus weiblicher Sicht und betrachten. "Frauen und Kinder in ihrer speziellen Gefährdungslage
besser vor Krieg und Gewalt zu schützen, aber auch dafür zu sorgen, dass Frauen besser und verstärkt
in die Lösung von Konflikten integriert werden, um so nachhaltiger Frieden zu schaffen", sind erklärte
Ziele von Bures für diese Konferenz. "Der Friede ist zu wichtig, um ihn den Männern allein zu überlassen",
zitierte die Nationalratspräsidentin abschließend die ehemalige Frauenministerin Johanna Dohnal.
Muttonen: Erreichtes Maß an Frieden, Freiheit und Stabilität innerhalb der OSZE nicht selbstverständlich
"Kein Spitzentreffen der Politik, kein politisches Seminar, keine Tagung und keine Talkshow, wo nicht
hauptsächlich nur eine Hälfte der Bevölkerung vertreten ist, um zu diskutieren und nach Lösungen
suchen", obwohl Frauen genauso wie Männer ein starkes Interesse an Frieden und Sicherheit hätten,
beschrieb Christine Muttonen die derzeitige Situation. Nach Ansicht der Präsidentin der Parlamentarischen
Versammlung der OSZE könne nur dann eine nachhaltige und stabile Friedensordnung errichtet werden, wenn alle
gleichwertig daran beteiligt sind.
"Eigenverantwortliche Frauen mit Zugang zu Bildung können wirksam zur Prävention der Radikalisierung
von Jugendlichen beitragen", untermauerte Muttonen die Relevanz der inhaltlichen Ausrichtung der Konferenz.
Die Rollen von Frauen bei der Konfliktvermeidung sowie im Kampf gegen Extremismus und Terrorismus sind neben den
Herausforderungen einer gesamteuropäischen Sicherheitsarchitektur Kernbereiche der Tagung.
Doskozil setzt sich für Erhöhung der Frauenquote beim Militär ein
Frauen sind in Kriegs- und Fluchtsituationen besonders betroffen, man müsse sich deshalb die Frage stellen,
ob richtige Entwicklungsschritte in Europa gesetzt werden, so Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil in seiner
Keynote. Von einer ausgewogenen Geschlechterbilanz in der Sicherheitspolitik sei man weit entfernt. In Regionen
verbindend wirken, vor Ort Sicherheit durch Arbeitsmarkt-Sicherheit und soziale Gleichstellung erzielen, ist laut
Doskozil genauso anzustreben, wie den Anteil der Frauen auch in Exekutive und beim Militär gesellschaftsgetreu
abzubilden. Er hält es für notwendig, ähnlich wie bei der Exekutive, auch beim Militär gegen
die generell sehr niedrige Frauenquote zu arbeiten. Wenngleich es ein langer an viel Überzeugungsarbeit gekoppelter
Prozess sei, müsse der Weg konsequent gegangen werden. Wichtig sei es, MitarbeiterInnen zu überzeugen
und sicherzustellen, dass Frauen in den verschiedenen Ebenen ihre Rollen finden und Teil dieser Organisationen
werden, so der Bundesminister.
Matvienko: Russland ist bereit, an gesamteuropäischer Sicherheitsarchitektur mitzuarbeiten
Mit den Augen von Frauen sieht man vieles ganz anders, war die Vorsitzende des russischen Föderationsrats,
Valentina Ivavovna Matvienko, überzeugt. Frauen spürten viel stärker eine Verantwortung für
ihre Angehörigen und sorgten sich um deren Sicherheit. Die russische Politikerin, die das dritthöchste
Amt in ihrem Land inne hat, ging sodann auf die aus ihrer Sicht tektonischen sicherheitspolitischen Veränderungen
in Europa in den letzten Jahrzehnten ein. Aus ihrer Sicht wurden die Chancen, die sich etwa durch die Charta von
Paris im Jahr 1990 oder diverse russische Initiativen geboten haben, nicht ergriffen. Mehr denn je herrsche ein
Vertrauensmangel in den Beziehungen zwischen den Staaten, urteilte sie, außerdem sei ein Wettrüsten
begonnen worden, das niemand benötige. Was noch immer fehle, sei ein klar gestaltetes Sicherheitssystem in
Europa, das die Interessen aller Länder berücksichtigt.
In Bezug auf die Ukraine-Krise und die Entwicklungen auf der Krim vertrat Matvienko mit Nachdruck die russischen
Regierungspositionen und lud alle Interessierten ein, sich vor Ort ein eigens Bild zu machen. In diesem Zusammenhang
kritisierte sie auch die "Dämonisierung Russlands" in vielen europäischen Medien, die jeder
objektiven Grundlage entbehrten. Gerade in schwierigen Zeiten, in denen man mit Phänomenen wie Terrorismus,
Drogenhandel oder Cyberkriminalität konfrontiert sei, gelte es zusammenzuarbeiten, da diese Probleme kein
Land allein lösen könne. Für wenig hilfreich hielt Matvienko die von der EU verhängten wirtschaftlichen
Sanktionen gegenüber Russland, die nur beiden Partnern schaden würden. Ob man es wolle oder nicht, ohne
Russland, dem größten europäischen Land, könne keine effiziente Sicherheitsarchitektur in
Europa aufgebaut werden, sagte sie. Auf Basis des Völkerrechts sei Russland auch immer bereit, einen konstruktiven
und ehrlichen Dialog zu führen, betonte Matvienko.
Lunacek sieht keine Notwendigkeit für neue Sicherheitsarchitektur und plädiert für Einbeziehung
der Frauen
Auch Ulrike Lunacek, die Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, machte einen Blick zurück
in die Geschichte und bedauerte, dass trotz vieler Fortschritte in Europa die Nationalismen, die etwa in den Balkankriegen
zum Ausdruck gekommen sind, nicht gänzlich überwunden werden konnten. Im Gegensatz zu ihrer Vorrednerin
sprach sie von einer "Invasion der Krim" und einer "Okkupation" in der Ukraine. Richtig sei
aber auch, dass alle Seiten Fehler gemacht haben und es nun darum gehe, konstruktive Lösungen zu finden. Dabei
können vor allem die Frauen eine wichtige Rolle spielen, erklärte Lunacek, die als positives Beispiel
den Friedensprozess in Kolumbien anführte. Gerade die OSZE habe im Hinblick auf die bessere Einbeziehung von
Frauen viele Programme initiiert. Sehr erfolgreich sei etwa ein Programm im Kosovo, wo seit fünf Jahren Treffen
zwischen serbischen und kosovarischen Frauen stattfinden; dieses Modell sollte ihrer Ansicht nach auch in anderen
Ländern zur Anwendung kommen.
Angesichts der neuen Bedrohungsszenarien, wie dem internationalen Terrorismus, plädierte Lunacek dafür,
sich vom rationalen Denken leiten zu lassen und ein Gleichgewicht zwischen den notwendigen Schutzmaßnahmen
und den persönlichen Freiheiten zu finden. Sie denke, dass dazu auch keine neue Sicherheitsarchitektur nötig
sei; man müsse nur die vorhandenen Instrumente besser nutzen. Skeptisch stand Lunacek jedoch dem Zwang zur
Einstimmigkeit in der OSZE gegenüber, der Weiterentwicklungen oft behindere. Schließlich appellierte
sie noch an alle Frauen, Mut zu beweisen, damit in Zukunft die Beteiligung von Frauen in allen Strukturen der Gesellschaft
eine Selbstverständlichkeit sein wird.
Die Rolle der Frau hinsichtlich ihres Beitrags zur Konfliktvermeidung und ihrem Part im Kampf gegen Extremismus
und Terrrorismus werden im Laufe des Tages noch im Rahmen von drei Panels unter den Titeln "Challenges and
Perspectives for a new pan-European Security Architecture ", "Strengths and weaknesses of current OSCE
missions" und "The role of women in (the fight against) violence-prone extremism and terrorism"
diskutiert.
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