Soziale Interaktion ist Schlüssel zum kognitiven Erfolg
Wien (universität) - Kolkraben haben erstaunliche kognitive Fähigkeiten beim Umgang mit Artgenossen
– diese sind durchaus vergleichbar mit vielen Affenarten, bei denen die Entstehung ihrer sozialen Intelligenz mit
ihrem Gruppenleben in Zusammenhang gebracht wird. In einer internationalen Zusammenarbeit hat ein Team um den Kognitionsbiologen
Thomas Bugnyar von der Universität Wien nun erstmalig das Gruppenleben nicht-brütender Kolkraben genauer
untersucht, um die Evolution der Intelligenz von Kolkraben besser zu verstehen. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift
"Scientific Reports" veröffentlicht.
Mehrere aktuelle Studien haben gezeigt, dass Raben zu den intelligentesten Vogelarten bzw. Tierarten überhaupt
gehören. Aber welche Faktoren beeinflussen die Evolution von Intelligenz? Gemäß einer gängigen
Hypothese fördert das Leben in sozialen Gruppen die Evolution eines leistungsfähigeren Gehirns. Dies
gilt vor allem dann, wenn Individuen davon profitieren sich die Identität anderer und Interaktionen mit diesen
zu merken. Dieses Wissen können Tiere nutzen um Konflikten mit dominanten Artgenossen auszuweichen oder Allianzen
zu bilden, die den Zugang zu Ressourcen erleichtern.
Die Wissenschafter um Thomas Bugnyar in Österreich sowie Kollegen aus Frankreich statteten 30 Raben für
einige Monate bis Jahre mit kleinen Rucksäcken aus, die stündlich die Position der Tiere mit GPS übermittelten.
Photovoltaikzellen erzeugten die nötige Energie und die Daten wurden über das Mobilfunknetz versendet.
Seit etwa vier Jahren können die Forscher so die Flugbewegungen von Raben über bis zu 160 Kilometern
am Tag beobachten. Zusätzlich markierten sie 332 Raben individuell in Österreich und Italien mit Farbringen
und Flügelmarken, um deren Anwesenheitsmuster in zwei Studiengebieten über diese Zeit zu dokumentieren.
Das Fazit der Biologen: Während einige Nichtbrüter sich in relativ kleinen Gebieten aufhalten, durchstreifen
andere pro Jahr tausende Quadratkilometer. Dennoch treffen viele Individuen wiederholt bei reichhaltigen Nahrungsquellen
(z.B. Mülldeponien, Kompostieranlagen) und gemeinsamen Schlafplätzen aufeinander. "Wir waren erstaunt
über die Ähnlichkeit zu unserer Gesellschaft: Manche Menschen verbringen lieber ihr Leben in einer einzigen
Stadt oder gar einem kleinen Dorf, andere hingegen genießen häufiges Reisen und Umziehen. Genauso ist
es bei den Raben", erklärt Matthias Loretto, Erstautor der Studie.
Sobald sich Raben versammeln entstehen Freundschaften, jedoch kommt es auch oft zu heftigen, aggressiven Auseinandersetzungen.
"Wenn ein Rabe sich einer Gruppe anschließt, kann es sehr nützlich sein, sich an vorhergehende
Interaktionen mit diesen Artgenossen zu erinnern, um zu entscheiden, wer einem freundlich oder eher feindlich gesinnt
ist. Die Kombination der beiden Faktoren – also Freundschaften bei Nichtbrütern und das Zusammenleben in derartig
dynamischen sozialen Gruppen – dürfte die Intelligenz der Raben im Lauf der Evolution gefördert haben",
so Loretto abschließend.
Publikation in "Scientific Reports": Loretto,
M.-C., Schuster, R., Itty, C., Marchand, P., Genero, F. and Bugnyar, T. 2017: Fission-fusion dynamics over large
distances in raven non-breeders. Scientific Reports 7 Published online 23. März 2017. DOI: 10.1038/s41598-017-00404-4
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