Wien (universität) - Seit einigen Jahren werden Metallverbindungen erfolgreich als Chemotherapeutika zur
Bekämpfung bestimmter Krebsarten eingesetzt – am häufigsten Platinverbindungen. Bei der Suche nach neuen,
wirksameren Antitumormitteln steht oft das fehlende Verständnis der zugrundeliegenden molekularen Mechanismen
in diesen Metallverbindungen im Wege. Ein internationales Forschungsteam um Leticia González von der Universität
Wien hat nun ein Verfahren entwickelt um die Wechselwirkung von Metallverbindungen mit dem zellulären Erbgut
zu beobachten.
Im Kampf gegen Krebs werden jedes Jahr tausende von chemischen Verbindungen entwickelt und auf ihre potenzielle
Wirksamkeit gegen Tumore untersucht. Findet man eine solche Wirksamkeit, dauert es meistens jedoch viele Jahre,
bis ein neuer Wirkstoff als tatsächliches Medikament zugelassen wird und bei PatientInnen eingesetzt werden
kann. Der Prozess der Zulassung dauert unter anderem deswegen so lange, weil es in der Regel sehr schwierig ist,
den Weg eines Wirkstoffs innerhalb der menschlichen Zellen zu verfolgen. Infolgedessen lassen sich mögliche
Nebenwirkungen nur schwer vorhersagen und müssen durch aufwändige Experimente erforscht werden.
Die Arbeitsgruppe von Leticia González von der Fakultät für Chemie der Universität Wien hat
nun, in Zusammenarbeit mit der Forschungsgruppe von Jacinto Sá von der Universität Uppsala sowie weiteren
internationalen Partnern, ein Protokoll entwickelt, mit dem sich die Wechselwirkung metallhaltiger Medikamente
mit Biomolekülen innerhalb eines Organismus mit hoher Genauigkeit verfolgen lässt. "In einem ersten
Schritt haben wir mit Hilfe speziell erzeugter Röntgenstrahlen jenen Ort bestimmt, an dem das Medikament innerhalb
der Zelle andockt", erklärt González. In einem zweiten Schritt haben die ForscherInnen mittels
aufwändiger Computersimulationen, welche teilweise am Supercomputer "Vienna Scientific Cluster"
durchgeführt wurden, den Grund für die Bevorzugung dieses bestimmten Ortes aufgeklärt.
Den WissenschafterInnen ist es bereits gelungen, dieses Protokoll erstmals bei einem Medikament anzuwenden, dessen
Antitumorwirkung bekannt, der genaue Wirkmechanismus aber noch nicht geklärt ist. Von der Verbindung "Pt103"
aus der Familie der platinhaltigen Wirkstoffe ist bereits aus vorangegangenen Studien eine Antitumorwirkung bekannt.
Bisher vermuteten ForscherInnen, dass die Substanz mit dem Erbgut der Zelle wechselwirkt und dadurch die Weitergabe
des genetischen Codes während der Zellteilung stört. "Wir konnten zeigen, dass der Wirkstoff an
eine ganz spezielle, für uns unerwartete Stelle andockt und gleichzeitig klären, warum genau diese spezifischen
Stellen angegriffen werden", so Juan J. Nogueira, Postdoc in der Gruppe von González und Co-Autor der
Studie. Dank dieser Erkenntnis lässt sich die Funktionalität der Chemotherapeutika besser verstehen und
kann zur Entwicklung neuer, effizienterer Wirkstoffe beitragen.
Publikation in "Journal of Physical Chemistry Letters"
"Direct Determination of Metal Complexes Interaction with DNA by
Atomic Telemetry and Multiscale Molecular Dynamics." Joanna Czapla-Masztafiak, Juan J. Nogueira, Ewelina Lipiec,
Wojciech M. Kwiatek, Bayden R. Wood, Glen B. Deacon, Yves Kayser, Daniel L. A. Fernandes, Mariia V. Pavliuk, Jakub
Szlachetko, Leticia González, and Jacinto Sá
The Journal of Physical Chemistry Letters 2017, 8, 805-811.
DOI: 10.1021/acs.jpclett.7b00070
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