Kontroverse Diskussionen auch zum Schubhaftzentrum Vordernberg und der grundrechtlichen Sensibilisierung
des Innenministers
Wien (pk) - In einer heftigen Debatte im Nationalrat machten sich die MandatarInnen am 31.03. über
die geltenden Verträge mit dem Schubhaftzentrum Vordernberg, die Auslagerung von Sicherheitsaufgaben an Private
und die Frage, ob der Innenminister ein Sensibilisierungsprogramm benötige, Gedanken. Der diesbezügliche
Antrag der Grünen und NEOS fand keine Mehrheit und wurde abgelehnt.
Hingegen bestand Einigkeit über die Ausweitung grenzüberschreitender, polizeilicher Zusammenarbeit zwischen
Österreich, Liechtenstein und der Schweiz. Der Nationalrat nahm die Abkommen mehrheitlich an.
Private Sicherheitsverträge im Schubhaftzentrum Vordernberg
Nach der Rechnungshofkritik am Schubhaftzentrum Vordernberg Ende letzten Jahres stand das bei Teilen der Opposition
umstrittene Zentrum auf der Tagesordnung des Nationalrats. Der Rechnungshof kritisiert das Schubhaftzentrum in
einem seiner Berichte als unausgelastet, zu teuer und unwirtschaftlich. Hier setzt auch ein vom Menschenrechtsausschuss
abgelehnter Antrag der Grünen an. Die vertraglich vereinbarten Pauschalzahlungen an die private Sicherheitsfirma
G4S, die laut Entschließung für ihre Leistungen 400.000 € im Monat von der Gemeinde Vordernberg bekommt,
sind aus Sicht der Oppositionspartei nicht mehr tragbar. Das Innenministerium soll nach Meinung der Grünen
aus den Verträgen mit der Gemeinde Vordernberg aussteigen und neue Verträge ohne Auslagerungen an Privatunternehmen
abschließen. Als "Millionengrab" bezeichnete Albert Steinhauser (G) das Zentrum, weshalb er für
die Auflösung des laufenden Vertrags oder eine Neuverhandlung ist.
Neben den Grünen wollen auch die NEOS die Auslagerung von hoheitlichen Sicherheitsaufgaben in Schubhaftzentren
an Private stoppen. Sie sehen Graubereiche und kritisieren Rechtsschutzlücken für dort angehaltene Menschen
etwa im Fall von rechtswidrigem Handeln privater Wachebediensteter. Nikolaus Scherak (N) ortete Handlungsbedarf,
die monatlichen Kosten - unabhängig von der Auslastung – seien zu hoch, man sollte sparsamer mit dem Geld
der SteuerzahlerInnen umgehen. Die Kritik der Volksanwaltschaft aufgreifend, untermauerte Scherak seinen Vorstoß:
Wenn privaten Sicherheitsfirmen im quasi-hoheitlichen Bereich tätig sind, müsse bei menschenrechtsverletzendem
Fehlverhalten öffentlich-rechltich gegen diese vorgegangen werden können, wie dies auch bei der Polizei
der Fall sei.
Nurten Yilmaz (S) entgegnete, nach Auffassung des Innenministeriums üben diese MitarbeiterInnen keine hoheitlichen
Aufgaben aus. Sie seien aus der Region und keine Securities mit Pfeffersprays. Man könne nicht alles mit Geld
aufwiegen, wenn auch viel Geld investiert werde, werde dieses sehr gut ausgestattete Zentrum wohl benötigt,
um den Rechtsstaat erhalten zu können, so Yilmaz. Mit dem Bürgermeister von Vordernberg hat Andrea Gessl-Ranftl
(S) Rücksprache gehalten. Dieser sehe Vordernberg als Vorzeigeprojekt, die kolportierten Auslastungszahlen
seien falsch, die Akzeptanz bei BürgerInnen der Gemeinde sei hoch, wurden doch auch viele Arbeitsplätze
geschaffen.
Geht es nach Gerhard Schmid (o.F.), erfordert die Willkomenskultur Maßnahmen zur inneren Sicherheit. Das
Maß des Erträglichen sei erreicht, Maßnahmen der öffentlichen Sicherheit seien deshalb zu
straffen, Parallelgesellschaften sind laut Schmid in der Lage, für Unsicherheiten in der Bevölkerung
zu sorgen. Er befürworte deshalb die Videoüberwachung von Binnengrenzübergängen, die Flüchtlingswelle
ist seiner Ansicht nach noch lange nicht bewältigt, die finanziellen Mittel seien allerdings ausgeschöpft.
Die Ängste und Sorgen der Bevölkerung erachtet Leopold Steinbichler (T) als berechtigt. Dieses Thema,
wie viele andere, brenne unter den Nägeln, werde allerdings "wie alles von der Regierung schöngeredet",
meinte er. Steinbichler thematisierte ferne, die Verhinderung von Protesten von Landwirten in Oberösterreich
und merkte dazu an, "das hätte so ein fleißiger Berufsstand nicht verdient".
Grüne: Mehr Menschenrechtskenntnisse für den Innenminister, Menschen- und Verfassungsrechte im Fokus
Die Grünen fordern Innenminister Wolfgang Sobotka in einem Antrag auf, grundrechts- und menschenrechtskonforme
Politik zu machen. Andernfalls sollte sich der Minister Menschenrechtskenntnisse anhand von Fachliteratur, Schulungen
oder Gesprächen mit ExpertInnen aneignen. Die Bedenken der Grünen reichen vom kritischen Blick in Richtung
der Amtsführung Sobotkas und seinen jüngsten Vorschlägen zur Einschränkung des Demonstrationsrechts
bis hin zu seinen Überlegungen zur Vernetzung privater Videokameras oder QR-Codes für BürgerInnen.
Der Bundesminister zeichne sich als impulsiver Ideengeber aus, diese seien allerdings schnell einmal verfassungswidrig,
stellte Albert Steinhauser (G) dar. Die Reaktion der Grünen auf diverse, ihrer Meinung nach verfassungswidrige
Vorschläge mit einem Entschließungsantrag anstatt eines Misstrauenvotums zu reagieren, erachtete Steinhauser
als konstruktiv, würde dies doch der Verfassung und den Grundrechten gut tun und die Kompetenz des Ministers
stärken. Grünen-Abgeordnete Sigrid Maurer unterstrich die inhaltliche Begründung des Antrags. Die
öffentliche Debatte sei enorm aufgeheizt, nach ihrem Dafürhalten täte es gut, sich in diesen Debatten
mehr auf die rechtliche Basis zu besinnen. Gerade in der Zeit von Fake News und Hasspostings sei es die Aufgabe
der PolitikerInnen, seriös, faktenbezogen und auf Basis der anerkannten Grundrechte - wie Menschenrechte und
der Verfassung - zu argumentieren.
SPÖ, ÖVP und FPÖ: Lobbekundigungen für Innenminister
SPÖ-Menschenrechtssprecher Franz Kirchgatterer lehnte die Belehrung des Innenministers ab. Die SPÖ sei
allerdings sehr wohl für inhaltliche Diskussionen zu haben, weshalb er alle Fraktionen einlud, die Stärkung
der parlamentarischen Kontrolle im menschenrechtssensiblen Bereich voranzutreiben. Auch Hannes Weninger (S) schätzt
den Bundesminister, ortete keinen "Bildungsmangel bei ihm", trotzdem hätten einige Aussagen in den
letzten Monaten dazu beigetragen, dass die politischen Spannungen in Österreich angeheizt anstatt beruhigt
wurden. Die Aufforderungen im Antrag hielt er für nicht angemessen, vielmehr sei ein politischer Konsens in
Österreich nötig, politische Wachsamkeit und zivile Courage zu fördern.
Für den Innenminister und seine "Feinsinnigkeit und Kultiviertheit" sprach sich Georg Vetter (V)
aus. In Richtung der Grünen hielt er fest, dass respektvolle und vor allem inhaltliche Auseinandersetzungen
wünschenswert und eher in seinem Sinne seien. Friedrich Ofenauer (V) attestierte, dass "keiner in der
Regierung dem Minister das Wasser reichen" könne. Auch er kritisierte den Antrag der Grünen und
ihren Umgang mit den Meinungen anderer.
FPÖ-Mandatar Wolfgang Klinger sieht wenig Verbesserungsbedarf beim Minister. Er hielt allerdings fest, es
gelte, die Menschenrechte für ÖsterreicherInnen zu wahren. Keineswegs dürfe man "übervolkt
werden von anderen, die unsere lang erarbeiteten demokratischen Werte nicht hoch halten". Das rief eine scharfe
Kritik von Albert Steinhauser (G) hervor, der die "bewusste Provokation durch die Wortwahl" verurteilte.
Als "respektlos und moralische Überheblichkeit der Grünen", bezeichnete Jessi Lintl (F) die
Initiative. Sie sieht das Recht der ÖsterreicherInnen auf Sicherheit durch Migrationswellen vermehrt bedroht,
eine "Null-Obergrenze und rigorose Abschiebepolitik" werden ihrer Ansicht nach benötigt. Der von
Lintl eingebrachte Entschließungantrag, in dem eine "Rückkehrerpremie" für abgelehnte
AsylwerberInnen als finanzieller Anreiz kritisiert wird, wurde abgelehnt.
Einvernehmen hinsichtlich polizeilicher Zusammenarbeit zwischen Österreich, Liechtenstein und der Schweiz
Eine Verstärkung der polizeiliche Zusammenarbeit, die Verbesserung in der Effizienz in Bezug auf Gefahrenabwehr
und Strafverfolgung sowie die grenzüberschreitende Verfolgung von Verkehrsdelikten waren heute im Nationalrat
ebenfalls Thema. Inhaltlich war man sich hier vollends einig. Sowohl seitens der ÖVP als auch der SPÖ
und den Freiheitlichen ernteten die Vorlagen große Zustimmung. Norbert Sieber (V) meinte, dass durch den
grenzüberschreitenden Wirtschaftsraum auch die Kriminalität steige, was diese Anpassung der polizeilichen
Zusammenarbeit nötig mache. Auch Anton Heinzl (S) begrüßte diese Adaption eines im Jahr 1999 vereinbarten
Vertrags, der durch diese Regelung ersetzt wird. Nach 18 Jahren sei eine Modernisierung angebracht. Mit dem Beitritt
der Schweiz und Liechtenstein zum Schengenraum hätten sich die Rahmenbedingungen schließlich erheblich
geändert, unterstrich er außerdem.
Im Konkreten sind auch der automatisierte Austausch von Fahrzeug- und Halterdaten wie die Unterstützung bei
der Ausforschung und Vernehmung von VerkehrssünderInnen vorgesehen. Verkehrssicherheit fordere Strafverfolgung
auch von ausländischen RaserInnen, dies sei nun besser möglich, präzisierte Sieber (S) die Abkommen.
Solche würden die Arbeit der Exekutive erheblich erleichtern, durch grenzüberschreitende Zusammenarbeit
werde die immer komplexere Arbeit sinnvoll lösbar, so Jessi Lintl (F).
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