Abgeordnete fordern mehr Investitionen, Maßnahmen für Jugendbeschäftigung und
gut verhandelte Freihandelsverträge
Brüssel/Wien (pk) - Über das wirtschaftspolitische Arbeitsprogramm der EU für 2017 gibt eine
Jahresvorschau von Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner Auskunft. Auf Verlangen der Grünen befasste sich
auch das Plenum des Nationalrats am 29.03. mit den EU-Plänen zur Weiterentwicklung des EU-Binnenmarkts und
zur Ankurbelung von Wachstum und Beschäftigung. SPÖ und ÖVP unterstrichen die Notwendigkeit gut
verhandelter Freihandelsabkommen und drängten auf die Ankurbelung von Beschäftigung, insbesondere von
Jugendlichen. Während die ÖVP-Abgeordneten die Verbesserung des Investitionsklimas hervorhoben, betonten
die SPÖ-MandatarInnen vor allem die Forderung nach einem sozialeren Europa. Die NEOS begrüßten
Freihandelsabkommen, während Grüne, Freiheitliche und Team Stronach aus jeweils unterschiedlicher Perspektive
ihre Kritik an der Prioritätensetzung der EU-Kommission anbrachten. Dementsprechend stand am Ende der Debatte,
wie bereits im Wirtschaftsausschuss, nur eine mehrheitliche Kenntnisnahme des Berichts.
FPÖ: Russlandsanktionen der EU schädigen Österreichs Wirtschaft
Wenig Neues fand Bernhard Themessl (F) in den EU-Vorhaben. Sie seien weitgehend eine Fortschreibung aus dem Vorjahr.
Bürokratische Hindernisse für den Wirtschaftsstandort würden bleiben. Ein wesentliches Problem ortet
Themessl bei den Fachkräften. Die Ursache sieht er in Fehlentwicklungen bei der Lehrlingsausbildung, die duale
Ausbildung werde nicht mehr entsprechend gefördert. Er hoffe, der Trend werde sich in den nächsten Jahren
umkehren. Der Abgeordnete kritisierte auch die EU-Sanktionen gegen Russland. Sie würden schweren wirtschaftlichen
Schaden verursachen. Die Bundesregierung trägt seiner Meinung nach dafür eine Mitverantwortung, da sie
bisher jeder Verlängerung der Sanktionen zugestimmt habe. Diese Meinung vertrat auch Christian Höbart
(F). Betrachte er Österreich, so sehe er weiterhin zu viel Bürokratie und eine Regulierungswut. Der Fachkräftemangel
werde durch Migration sicherlich nicht behoben, stellte er fest.
ÖVP begrüßt gutes Investitionsklima in EU und Österreich
Die Bundesregierung setze, wie die EU, auf Investitionen und Wachstum und sei damit auf dem richtigen Weg, sagte
Peter Haubner (V). Der Europäische Fonds für strategische Investitionen (EFSI) habe eine beträchtliche
Hebelwirkung entfaltet, und die Wirtschaftsdaten entwickelten sich erfreulich. Österreich habe eigene Investitionspakete
geschnürt, die vor allem den Gemeinden und den klein- und mittelständischen Unternehmen zu Gute kommen
werden. Ein weiterer wichtiger Bereich, sowohl auf nationaler wie auf EU-Ebene, ist für Haubner der Kampf
gegen die Jugendarbeitslosigkeit. Wichtig sei es, gut reglementierte Ausbildungsgewerbe zu erhalten, die eine adäquate
Ausbildung für Jugendliche bereitstellen. Dem Befund von Haubner schloss sich Angelika Winzig (V) an. Auch
sie betonte die Wichtigkeit von Investitionen und verstärkter Anstrengungen für die Ausbildung von Jugendlichen.
Sie unterstrich auch die Wichtigkeit von Handelsabkommen für das Exportland Österreich.
Österreichs Wirtschaft sei stark exportabhängig und brauche daher gute Handelsabkommen, sagte auch Johann
Singer (V). Er begrüßte es, dass die EU bei den Verhandlungen ihre europäischen Werte einbringen
wolle. Sein Parteikollege Josef Lettenbichler meinte, Europa müsse bei der Gestaltung internationaler Handelsbeziehungen
selbstbewusst auftreten. Er zeigte sich erfreut, dass Österreich innerhalb der EU eine hohe Wettbewerbsfähigkeit
aufweist. Lettenbichler sah darin einen Beweis der Wirksamkeit der Maßnahmen der Bundesregierung. Die Digitalisierung
sei unaufhaltsam, Österreich müsse sich in diesem Bereich eng mit der EU abstimmen.
Andreas Hanger (V) widmete seinen Beitrag der Frage der Jugendbeschäftigung. Österreich stehe vor dem
Problem, dass vielen Regionen die jungen Menschen fehlen. Hier brauche man einen Ausgleich durch Wanderung von
Fachkräften. Er unterstütze daher die Facharbeiterinitiative der EU.
Grüne vermissen eindeutiges Bekenntnis der EU zu öffentlichen Investitionen und erneuern Kritik an
Freihandelsabkommen
Aus Sicht der Grünen sind die Investitionsprogramme der EU falsch konstruiert, wie Werner Kogler (G) erklärte.
Man setze sowohl auf private wie auf öffentliche Investitionen und erreiche damit nur, dass die Maßnahmen
in beiden Bereichen weitgehend wirkungslos bleiben. Eine klare Prioritätensetzung für mehr öffentliche
Investitionen sei notwendig. Kogler sah auch keine Anzeichen dafür, dass die Bundesregierung aus den Problemen
mit CETA die richtigen Schlussfolgerungen für weitere Abkommen wie TTIP oder das Trade in Services Agreement
(TiSA) gezogen hat. Die Frage der Schiedsgerichte ist für ihn weiter ungelöst und die Transparenz der
Verhandlungen trotz gegenteiliger Ankündigungen nicht gegeben. Was die Russland-Sanktionen betreffe, so habe
Russland unbestritten gegen das Völkerrecht gehandelt. Kogler sieht daher keine gangbaren Alternativen zu
Sanktionen. Ihre Aufweichung mit wirtschaftspolitischen Argumenten sei keinesfalls akzeptabel.
Viele Menschen hätten Sorge, dass durch internationale Abkommen soziale und ökologische Standards abgesenkt
werden, sagte Ruperta Lichtenecker (G). Sogar viele Unternehmen hätten Bedenken gegen die Liberalisierung
der Dienstleistungsmärkte, auf die das Abkommen TiSA abziele. Dabei gehe es auch um so sensible Bereiche wie
Wasser und Bildung. Auch die Handelsbeziehungen müssten nachhaltig und ökologisch gestaltet werden, um
global faire Verhältnisse herzustellen. Österreich müsse während seiner EU-Präsidentschaft
kommendes Jahr genau diese Ziele verfolgen, forderte Lichtenecker.
SPÖ stellt Jugendbeschäftigung und soziales Europa in den Mittelpunkt
Die Frage der Russlandsanktionen brauche sorgfältige Betrachtung, hielt Christoph Matznetter (S) Abgeordnetem
Kogler entgegen. Nichts anderes fordere die Bundesregierung ein. Österreich betone auch die Bedeutung öffentlicher
Investitionen und setze sich damit vom bisherigen Mainstream der EU ab. Er, Matznetter, begrüße jede
Maßnahme der EU, die mehr Investitionen bewirke. Die Bundesregierung habe viele Maßnahmen zur Jugendbeschäftigung
gesetzt, eine gute Ausbildung für Jugendliche sei auch ein wichtiger Beitrag zur Integration der Flüchtlinge.
Neben der Sicherung der Jugendbeschäftigung forderte Cornelia Ecker (S) auch eine stärkere Förderung
von Klein- und Ein-Personen-Unternehmen, etwa durch Abschaffung von Selbstbehalten bei Arztbesuchen. Die EU steckt
eindeutig in einer Krise, stellte Ecker fest. Viele Probleme seien hausgemacht, ein Grundproblem sieht sie in einer
Politik, die mehr auf die Interessen multinationaler Konzerne achtet als auf die Bedürfnisse der Menschen,
die sich soziale Standards und Beschäftigung wünschen.
Die EU müsse klarstellen, dass soziale Grundrechte Vorrang haben, forderte auch SPÖ-Mandatar Wolfgang
Katzian. Ziel sei ein soziales Europa, kein europäischer Nachtwächterstaat. Katzian betonte die Wichtigkeit
von Freihandelsabkommen. Sie dürften aber nicht benützt werden, um andere Dinge durchzusetzen. Der größte
Garant für Wachstum sei die Stärkung der Binnennachfrage, sagte der Abgeordnete, der sich auch größere
Verbindlichkeit bei der Erfüllung der Verpflichtungen des Pariser Abkommens zur nachhaltigen Energiegewinnung
wünschte.
Ungleichgewichte im Welthandel thematisierte Rainer Wimmer (S). So überflute etwa China Europa mit Billigstahl,
der unter schlimmsten sozialen und ökologischen Bedingungen hergestellt werde. Die europäische Produktion
müsse durch höhere Schutz- und Strafzölle davor geschützt werden. Er bedankte sich bei den
Menschen, die eine entsprechende Bürgerinitiative unterstützt haben.
Walter Schopf (S) beklagte, dass österreichische Montageunternehmen oftmals von Unternehmen aus den Nachbarstaaten
unterboten werden, die durch günstigere Bedingungen bei Steuern und Sozialabgaben im Heimatland einen Wettbewerbsvorteil
haben. Das Problem wäre leicht zu lösen, wenn diese Unternehmen dieselben Steuern und Abgaben zu leisten
hätten. Die MitarbeiterInnen des Arbeitsinspektorats spielen seiner Meinung nach eine wichtige Rolle für
den fairen Wettbewerb, da sie für die Einhaltung der Kollektivverträge sorgen. Die oft überzogene
Kritik an der Arbeitsinspektion weise er daher zurück, sagte Schopf.
Franz Kirchgatterer (S) unterstrich die Stärken der österreichischen Industrie und Wirtschaft und lobte
das duale Ausbildungssystem. Mehr Auslandserfahrung für Lehrlinge, etwa durch das Programm Erasmus+, sei dabei
von Vorteil.
NEOS: Angst vor Freihandelsabkommen ist unberechtigt
Die Kritik der Grünen an Handelsabkommen konnte Josef Schellhorn (N) nicht nachvollziehen. Die behauptete
Bedrohung durch das in Verhandlung befindliche Handelsabkommen mit Japan sei nicht gegeben. Vielmehr könne
Österreich davon nur profitieren, da Japan einer der wichtigsten Handelspartner der EU ist. Wichtig für
die Entwicklung der EU und Österreichs seien gute Freihandelsabkommen, die Sicherung der Personenfreizügigkeit
und eine Entbürokratisierung. Gerade in letzterem Punkt schiebe man leider die Verantwortung zwischen nationaler
Ebene und EU hin und her, statt endlich Unternehmen zu entlasten und ihnen zu erlauben, auf einem offenen Markt
zu reüssieren.
Team Stronach: EU löst ihre Versprechen nicht ein
Die Zahl der Wirtschafts- und Klimaflüchtlinge steige aufgrund eines Raubtier-Kapitalismus, meinte Leopold
Steinbichler (T). Das Wirtschaftsprogramm der EU setzt aus seiner Sicht zu sehr auf große Wirtschaftsbetriebe
zu Lasten der Kleinbetriebe und habe auch keine Strategie für nachhaltige Energieproduktion und den Ausstieg
aus der Atomkraft.
Er zweifle daran, dass die EU in ihrem derzeitigen Zustand ihre Vorhaben umsetzen kann, meinte Rupert Doppler (o.F.).
Ihm zufolge müsse sie Investitionen anzukurbeln und mehr gegen Fachkräftemangel und Jugendarbeitslosigkeit
unternehmen.
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