Wien (wifo) - Unternehmen in Österreich sehen die Verfügbarkeit von qualifiziertem F&E-Personal
als wichtigsten Standortfaktor, noch vor der steuerlichen Förderung in diesem Bereich. Das bestätigt
eine WIFO-Umfrage zur Standortqualität Österreichs. Zwei Drittel fordern Verbesserungen bei der Verfügbarkeit
von Humanressourcen.
Hochqualifizierte Arbeitskräfte sowie Personal für Forschung und Entwicklung sind der zentrale Standortfaktor
für Industrieunternehmen, und der politische Handlungsbedarf ist zugleich groß. Das ist eines der Ergebnisse
einer Umfrage des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung (WIFO) unter heimischen Industrieunternehmen:
Zwei Drittel der Befragten gaben an, dass "eine Verbesserung der österreichischen Standortpolitik"
hinsichtlich der Verfügbarkeit nicht-akademischer Fachkräfte aus dem In- und Ausland "besonders
wichtig" sei. Gleich dahinter folgen die Verfügbarkeit akademischer Fachkräfte (47 Prozent) sowie
die Qualität der Lehrlingsausbildung.
"Qualifiziertes Personal ist somit der wichtigste Standortfaktor, und zwar noch vor der steuerlichen Förderung",
sagt WIFO-Ökonom Jürgen Janger. Bestätigt werde das durch die Ergebnisse aktueller Studien - wie
etwa die Evaluierung der Forschungsprämie durch IHS, KMU Forschung und WPZ Research. Mehr als 90 Prozent der
Unternehmen, bei denen Standortentscheidungen eine wichtige Rolle spielen, sahen die Verfügbarkeit von qualifiziertem
Personal als relevanten Standortfaktor. 83 Prozent bejahen dies bei der steuerlichen und 68 Prozent bei der direkten
Förderung. Gleichzeitig ist die Zufriedenheit mit dem Standortfaktor F&E-Personal (sehr zufrieden: 17
Prozent) deutlich geringer ausgeprägt als mit dem Standortfaktor steuerliche Förderung, die mit 36 Prozent
hoher Zufriedenheit am besten unter den abgefragten Faktoren abschneidet.
"Diese Ergebnisse weisen erneut auf die Bedeutung des Bildungssystems für Innovation und Standortattraktivität
hin", sagt Janger. Reformen bei Schulen und Hochschulen seien deshalb prioritär für die Attraktivität
Österreichs als Forschungsstandort. "Ein Fokus nur auf Förderung für die Standortattraktivität
ist gefährlich. Nicht zuletzt, weil Vorteile durch Förderungen auch schnell verloren gehen können.
Wenn Deutschland und die Schweiz ein System der steuerlichen Forschungsförderung einführen, sind die
Standortvorteile dahin", sagt Janger. Reformen im Bildungssystem und bei Hochschulen brauchen in der Regel
wesentlich länger, bis sie wirken, als es dauert, neue Förderungen einzuführen.
Bereits 2014 gaben Unternehmen in den führenden Innovationsländern in einer europäischen Studie
des WIFO den Mangel an qualifiziertem Personal am häufigsten als Hemmnis für Innovationsaktivitäten
an (35 Prozent), während mangelnde Finanzierung nur von 19 Prozent als Hemmnis genannt wird. Ein wichtiger
Grund für die Bedeutung von F&E-Personal und qualifizierten Fachkräften in Forschung und Produktion
ist, dass die österreichischen Industrieunternehmen ihr Produktportfolio aktiv diversifizieren und damit auch
ihre technologischen Kompetenzen zunehmend über bestehende Kernkompetenzen hinaus erweitern müssen. Von
den Unternehmen, die sich in den vergangenen fünf Jahren auf die Vertiefung Ihrer Schlüsselkompetenzen
in den angestammten Technologiefeldern konzentriert haben, wollen in den kommenden fünf Jahren über 39
Prozent ihre Kompetenzen in neuen Technologiefeldern aufbauen.
Literaturhinweise
Ecker, B., Fink, N., Sardadvar, S., Kaufmann, P., Sheikh, S., Wolf, L., Brandl, B., Loretz, S., Sellner, R.,
Evaluierung der Forschungsprämie gem. § 108c EStG, Studie von WPZ Research, KMU Forschung Austria und
IHS im Auftrag des Bundesministeriums für Finanzen, Wien, 2017.
Hölzl, W., Friesenbichler, K. S. Kügler, A., Peneder, M., Reinstaller, A., "Österreich 2025
- Wettbewerbsfähigkeit, Standortfaktoren, Markt- und Produktstrategien österreichischer Unternehmen und
die Positionierung in der internationalen Wertschöpfungskette", WIFO-Monatsberichte, 2017, 90(3), S.
219-228, http://monatsberichte.wifo. ac.at/59375.
Hölzl, W., Janger, J., "Distance to the frontier and the perception of innovation barriers across European
countries", Research Policy, 2014, 43(4), S. 707-725.
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