Diskussion mit deutschen Politikern über Ärztemangel, e-Card und Stärkung des
ambulanten Sektors
Wiesbaden/Wien (pk) – Zu einer ähnlichen gesundheitspolitischen Problemanalyse kamen am 28.03. deutsche
und österreichische PolitikerInnen bei einem Treffen im Parlament, bei dem Abgeordnete Dagmar Belakowitsch-Jenewein
(F) den hessischen Staatsminister für Soziales und Integration, Stefan Grüttner, und seine Delegation
begrüßte. Fehlender Hausärztenachwuchs vor allem im ländlichen Raum, mangelnde Attraktivität
des Berufs AllgemeinmedizinerIn oder Reformschwierigkeiten aufgrund föderaler und struktureller Gegebenheiten
seien die bestimmenden Faktoren. Ein zentrales Thema in der Unterredung war die organisatorische Neugestaltung
des ambulanten Sektors, wo man in Österreich mit der geplanten Einführung von Primärversorgungszentren
erst am Anfang steht. Derartige Einrichtungen, die es in Deutschland bereits seit dem Jahr 2004 gibt und die als
"Medizinische Versorgungszentren (MVZ)" bezeichnet werden, können einen wichtigen Beitrag zur besseren
Versorgung im ländlichen Raum leisten, war CDU-Politiker Ralf-Norbert Bartelt überzeugt. Einer Beteiligung
von Kapitalgesellschaften in diesem Bereich stand er jedoch sehr kritisch gegenüber. Nicht vergessen sollte
man, dass Deutschland und Österreich noch immer führend sind, was den Zugang zu medizinischen Leistungen
betrifft.
Staatsminister Stefan Grüttner wies darauf hin, dass in den nächsten zehn Jahren etwa die Hälfte
der AllgemeinmedizinerInnen das Pensionsalter erreichen werden. Dennoch müssten viele weiterarbeiten, da es
insbesondere in den ländlicheren Gebieten an Nachwuchs fehle. Generell gebe es den Wunsch nach attraktiveren
Arbeitsbedingungen und einer besseren Work-Life-Balance, zumal auch zwei Drittel der MedizinstudentInnen mittlerweile
Frauen sind. Die Lösung für all diese Probleme liege nicht in einer einzigen Organisationform, meinte
SPD-Politiker Gerhard Merz, der eine ländliche Gesamtstrategie, die von der Frage der Kinderbetreuung, der
Mobilität, der Arbeitsplätze etc. bis hin zur medizinischen Versorgung reiche, einmahnte. Wenn Österreich
auf eine Vernetzung von Strukturen setze, dann sei es auf dem richtigen Weg, konstatierte Frank Dastych, der Vorsitzende
der Kassenärztlichen Vereinigung in Hessen. Man müsse jedoch darauf achten, dass es zu keiner Versorgungskonzentration
und einer Limitierung des Angebots kommt.
Dieser Befund treffe auch auf Österreich zu, erklärte Ulrike Königsberger-Ludwig (S), die die Einrichtung
von Primärversorgungszentren als einen wichtigen Lösungsansatz sah. Planungsschwierigkeiten ergeben sich
auch dadurch, dass die Verwaltung der Krankenhäuser den Ländern obliege und dass die Gesundheitsministerin
nur über 3 Mrd. € des insgesamt 27 Mrd. € umfassenden Gesundheitsbudgets verfügen könne. Ihr Fraktionskollege
Johann Hechtl (S) informierte die deutschen Gäste über die Vorteile der Elektronischen Gesundheitsakte
(ELGA) und der e-Card für die PatientInnen. Sehr wichtig sei auch die Einführung der e-Medikation, weil
damit gefährliche Wechselwirkungen von Arzneistoffen vermieden werden können, erklärte ÖVP-Mandatarin
Martina Diesner-Wais. Um die Versorgung im ländlichen Raum zu verbessern, wurden bereits einige Maßnahmen
ergriffen, wie etwa die Schaffung von Gruppenpraxen oder die Absicherung der Hausapotheken.
Einen kritischeren Blick auf das heimische Gesundheitswesen warf Andreas Karlsböck (F), der von einem schwer
durchschaubaren bürokratischen Dickicht sprach. Er verstehe auch bis heute nicht, warum ÄrztInnen keine
anderen ÄrztInnen anstellen dürfen. Was die Primärversorgungszentren betrifft, so bemängelte
er den Ausschluss der MedizinerInnen aus diesem Prozess, denen nur mehr eine beratende Stimme eingeräumt werde.
Außerdem befürchtete er eine Verstaatlichung der Strukturen. Auch NEOS-Mandatar Gerald Loacker sah durch
die Vorhaben der Regierung den freien Arztberuf gefährdet. Eva Mückstein von den Grünen hielt es
vor allem für wichtig, die nicht-ärztlichen Gesundheitsberufe zu stärken und ihnen eine entsprechenden
Stellenwert einzuräumen. Durch eine Verlagerung von Leistungen in diesen Sektor würde man die MedizinerInnen
entlasten und zugleich für mehr Qualität sorgen, war sie sicher. Die e-card wiederum bringe zu wenig
Nutzen für die PatientInnen, da sie etwa die in Impf- oder Radiologiepässen enthaltenen Informationen
speichern sollte. Aus Datenschutzgründen sprach sie sich aber gegen ein zentrales Register aus.
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