Bochum (idw) - Welche chemischen Prozesse im Weltall die Bausteine des Lebens hervorgebracht haben könnten,
erforschen Chemiker an der Ruhr-Universität Bochum (RUB) im Team von Prof. Dr. Wolfram Sander. In ihren Experimenten
simulieren die Wissenschaftler die Bedingungen im Weltall und vollziehen im Detail nach, wie bestimmte chemische
Reaktionen vonstattengehen. Über die Ergebnisse berichten sie im Wissenschaftsmagazin Rubin der Ruhr-Universität
Bochum.
Eine Theorie besagt, dass die Bausteine des Lebens nicht auf der Erde entstanden sind. Kometeneinschläge haben
möglicherweise Aminosäuren, die Grundeinheiten der Proteine, auf unseren Planeten gebracht. Wie sich
solche komplexen Moleküle im All gebildet haben könnten, ist eine Frage, der Sanders Team nachgeht. Die
Wissenschaftler beschäftigen sich mit Vorgängen in kondensierter Phase, also in Flüssigkeiten, Festkörpern
oder auf Oberflächen, die bislang wenig erforscht sind.
Ein Vorläufer der Aminosäuren
Neben Wasserstoff und Sauerstoff sind im Eiskern von Kometen üblicherweise auch Stickstoff und Kohlenstoff
enthalten – alle Elemente, die es für eine Aminosäure braucht. Eine mögliche Vorläuferstufe
der Aminosäuren im Weltall könnte das Molekül Hydroxyalmin sein (NH2–OH), das aus einem Stickstoff-,
einem Sauerstoff- und drei Wasserstoffatome besteht. Bislang konnte es allerdings nicht im All nachgewiesen werden.
RUB-Doktorand Yetsedaw Tsegaw untersuchte im Experiment, ob die Bedingungen im Weltraum es überhaupt zulassen
würden, dass sich dieses Molekül bildet. Er stellte den Zustand im Kometeneis im Labor nach, brachte
in dieser Umgebung Ammoniak (NH3) und Sauerstoff (O2) zusammen und behandelte die Mischung mit hochenergetischer
Strahlung, wie sie auch im Weltall vorkommt. Mit einer besonderen Form der Infrarot-Spektroskopie beobachtete er
die auftretenden Reaktionen.
Verstecktes Molekül
Die Messungen führte Tsegaw als Gastwissenschaftler am „WM Keck Research Laboratory in Astrochemistry“ auf
Hawaii durch, in der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Ralf Kaiser. An der RUB analysierte er anschließend die
Daten. Das Ergebnis: In dem Experiment war tatsächlich Hydroxylamin entstanden. Es war aber nicht auf den
ersten Blick sichtbar. Denn die Banden von Hydroxylamin wurden im Infrarot-Spektrum von den Banden anderer Moleküle
überlagert. Erst als Tsegaw die Probe Schritt für Schritt erwärmte und sich die störenden Substanzen
verflüchtigten, konnte er Hydroxylamin nachweisen.
Theoretisch könnte sich das Molekül also im Kometeneis bilden. Der Chemiker vermutet, dass man im Weltall
bislang nicht mit den richtigen Techniken danach gesucht hat.
Kooperationen
Wolfram Sander ist Mitglied im Bochumer Exzellenzcluster „Ruhr Explores Solvation“, kurz Resolv. Das Resolv-Team
widmet sich der Frage, welche Rolle umgebende Lösungsmittel für chemische Reaktionen spielen. Sanders
Labor ist auf verschiedene spektroskopische Techniken spezialisiert und somit für Astrochemiker interessant.
Sein Lehrstuhl für Organische Chemie II pflegt intensive Kooperationen mit Experten für Astrochemie in
Pasadena, Marseille und auf Hawaii.
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