ForscherInnen der Uni Graz entwickeln neues Modell zur Erklärung der Entstehung biologischer
Vielfalt
Graz (universität) - An der Südspitze des ostafrikanischen Tanganjikasees leben rote, blaue und
gelbe Buntbarsche der Gattung „Tropheus“. Die gelben sind das Ergebnis einer Hybridisierung, sprich Kreuzung, aus
roten und blauen Fischen, haben ForscherInnen der Karl-Franzens-Universität Graz durch populationsgenetische
Analysen und Nachzüchtungen im Labor geklärt. Wie aber konnte sich der neue Phänotyp – so nennt
die Wissenschaft das äußere Erscheinungsbild eines Organismus – durchsetzen? Warum haben sich die gelben
Buntbarsche nicht gleich wieder mit den blauen und roten vermischt? Die Antwort auf diese Frage sehen die Grazer
ForscherInnen in Umweltveränderungen. Diese haben die Anordnung der Barrieren zwischen den Lebensräumen
der verschiedenen Fischpopulationen entlang der Küstenlinie so verändert, dass die roten und blauen in
Kontakt kommen konnten, während ihre Kreuzungsprodukte sofort wieder räumlich von den Elternlinien getrennt
wurden. Ihre Erkenntnisse haben die WissenschafterInnen nun im renommierten Fachjournal „Ecology Letters“ veröffentlicht.
„Dass sich durch Kreuzung von Tieren verschiedener Populationen ein neuer Phänotyp entwickelt, der über
viele Generationen erhalten bleibt, kommt in der Natur nicht oft vor“, weiß Univ.-Prof. Dr. Kristina Sefc
vom Institut für Zoologie der Uni Graz, Erstautorin der aktuellen Publikation. „Denn damit sich eine Hybrid-Population
mit eigenen Merkmalen halten kann, darf es zu keiner weiteren Vermischung mit den Elternlinien kommen.“ Möglich,
allerdings sehr selten ist, dass nur mehr Exemplare des eigenen Phänotyps als PaarungspartnerInnen erkannt
werden. Häufiger ist es der Fall, dass sich die neue Population ökologisch so stark von ihren Vorfahren
unterscheidet, dass sie sich einen neuen Lebensraum sucht, weil sie beispielsweise ein trockeneres Habitat bevorzugt.
Zu einer räumlichen Trennung können aber auch Umweltveränderungen, die natürliche Barrieren
entstehen lassen, führen. Letzteres beschreiben die Grazer WissenschafterInnen in ihrem „Shifting Barriers
Model“, das sie nun erstmals veröffentlichen.
Das Modell, das grundsätzlich für unterschiedliche Organismen gelten kann, ist das Ergebnis der Forschungen
an den roten, blauen und gelben Tropheus-Populationen im Tanganjikasee. Die untersuchten Buntbarsche leben alle
entlang der felsigen Bereiche des Seeufers, wobei die gelben nur an einem rund 30 Kilometer langen Abschnitt zu
finden sind, der an beiden Enden durch sandige Abschnitte, auf einer Seite im Mündungsbereich des großen
Lufubu-Flusses, begrenzt wird. Weil diese Fische in Bezug auf ihren Lebensraum hoch spezialisiert sind, stellt
Sand eine Barriere für sie dar und verhindert, dass sie auf ihre roten und blauen ArtgenossInnen treffen,
die andere Uferregionen bewohnen. Sonst würden sie sich mit ihnen paaren, wie Experimente im Labor gezeigt
haben.
Wie aber kam es dann zur Kreuzung? „Vor rund 100.000 Jahren lag der Wasserspiegel mehr als 400 Meter tiefer, und
die Uferlinie sah völlig anders aus. Damals gab es den Lufubu als Barriere nicht“, erklärt Sefc. „In
dieser Zeit ist wahrscheinlich der neue Phänotyp entstanden“, vermutet die Forscherin. Diese Annahme passt
auch zur Tatsache, dass unter den gelben Buntbarschen wiederum bereits mehrere verschiedene Populationen entstanden
sind. Das deutet darauf hin, dass die Hybridisierung bereits lange zurückliegt.
Bei ihren Analysen wurden die ZoologInnen von KollegInnen aus der Analytischen Chemie der Uni Graz unterstützt.
Publikation
Shifting barriers and phenotypic diversification by hybridization, Sefc,
Kristina; Mattersdorfer, Karin; Ziegelbecker, Angelika; Neuhüttler, Nina; Steiner, Oliver; Goessler, Walter;
Koblmüller, Stephan; Ecology Letters, DOI: 10.1111/ele.12766
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