Themen im Verkehrsausschuss: EU-Vorhaben für 2017, Gigaliner, Kabotage, Bestellungen von
Schienenverkehrsleistungen durch den Bund
Brüssel/Wien (pk) - Über die großen Linien der europäischen Verkehrspolitik diskutierten
die Abgeordneten des Verkehrsausschusses am 05.04. mit dem Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie
Jörg Leichtfried. Die erklärten Absichten der EU-Politik, die Dekarbonisierung des Verkehrssystems und
die Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene zu fördern, finden sich seiner Ansicht nach nicht in
ausreichendem Maß in den Maßnahmen der nächsten Zeit wieder. Der Bericht des Ministers über
die von der Europäischen Kommission (EK) bzw. den EU-Ratspräsidentschaften für das Jahr 2017 geplanten
Vorhaben gab dem Ausschuss außerdem Gelegenheit, weitere verkehrspolitische Grundsatzfragen zu diskutieren.
So wurden Fragen des Güterverkehrs auf Straße und Schiene, das Problem der Gigaliner-LKW, eine mögliche
Liberalisierung der Kabotage und die Zukunftsperspektiven der Elektromobilität angesprochen. Der Bericht über
Verkehrsvorhaben der EU 2017 wurde mehrheitlich, ohne die Stimmen der FPÖ, zur Kenntnis genommen.
Dem Ausschuss lag auch ein Bericht über die Bestellungen von gemeinwirtschaftlichen Leistungen der Schiene
durch den Bundes vor. Der Bericht, das das Jahr 2015 abdeckt, wurde ebenfalls ohne die Stimmen der FPÖ mehrheitlich
zur Kenntnis genommen. Verkehrsminister Leichtfried betonte, dass die Bestellungen der öffentlichen Hand dabei
eng mit dem Ziel einer kontinuierlichen Steigerung der Qualität des Angebots gekoppelt sind und dieser Zugang
auch erfolgreich sei. Das hohe Einsparungspotenzial durch eine Vergabe der Bestellungen über Ausschreibungen,
mit denen FPÖ und NEOS gegen die Direktvergaben argumentieren, sieht der Minister durch einschlägige
Studien nicht bestätigt. Zwei Anträge der NEOS zum Thema Direktvergabe wurden mehrheitlich vertagt.
Leichtfried: EU muss mehr zur Verkehrsverlagerung auf die Schiene und CO2-Reduktion tun
Ein Auseinanderklaffen der offiziellen Ziele der EU-Verkehrspolitik und der von ihr tatsächlich vorgeschlagenen
Maßnahmen beschreibt Verkehrsminister Jörg Leichtfried in seinem Einleitungsstatement zum EU-Vorhabensbericht
2017 seines Ressorts ( III-353 d.B.). Die erklärte Absicht, den CO2-Ausstoß zu reduzieren, die Elektromobilität
und die Verlagerung von Personen- und Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene zu fördern,
findet aus seiner Sicht in den Planungen der EK keinen entsprechenden Niederschlag. Aus österreichischer Sicht
komme der raschen Umsetzung des Aktionsplans für emissionsarme Mobilität der EK große Bedeutung
zu, sagte der Verkehrsminister. Dabei geht es unter anderem um Maßnahmen zur Reduzierung von CO2-Emissionen
von PKW und leichten Nutzfahrzeugen (LNF).
Auch die Umsetzung eines globalen marktbasierten Systems (GMBM) zur Reduktion von CO2-Emissionen im Luftverkehr
sollte nach Ansicht von Minister Leichtfried rascher vorangetrieben werden. Das System wird unter dem Titel "Carbon
Offsetting and Reduction Scheme for International Aviation (CORSIA)" laufen und soll in der Pilotphase von
2012 bis 2023 und in der ersten Phase 2024-2026 auf Freiwilligkeit beruhen. Eine für alle Staaten verpflichtende
zweite Phase ist für 2027-2035 geplant. Leichtfried stimmte dem Verkehrssprecher der Grünen Georg Willi
zu, dass diese Abmachungen noch zu wenig sind, gab aber zu bedenken, dass für sie das Konsensprinzip gelte.
ÖVP-Verkehrssprecher Andreas Ottenschläger fügte hinzu, dem Projekt Single European Sky komme große
Bedeutung zu, da es dazu beitrage, Flugstrecken und Wartezeiten zu verkürzen, was auch CO2-Ausstoß reduziere.
Leichtfried teilte diese Sichtweise und wies auf erste Erfolge hin. Er stellte aber auch fest, dass nationale Interessen
derzeit weitere Fortschritte von Single European Sky blockieren.
Was eine Neufassung der Richtlinie über die Genehmigung und die Marktüberwachung von Kraftfahrzeugen
und Kraftfahrzeuganhängern betrifft, so sei Österreich für eine Stärkung des Typengenehmigungssystems
und der Marktüberwachung, sagte Leichtfried. Grundsätzlich müssten die CO2-Grenzwerte gesenkt werden,
sich dafür in der EU einzusetzen, liege aber im Zuständigkeitsbereich des Umweltministers.
Die Abgeordneten diskutierten in diesem Zusammenhang auch die Zukunft der Dieselfahrzeuge und der E-Mobilität.
Georg Willi (G) forderte einmal mehr stärkere Konsequenzen aus dem Skandal um geschönte Abgasmessungen.
Günther Kumpitsch (F) stellte die Frage, ob die für den Umstieg erforderlichen Elektrizitätsmengen
überhaupt zur Verfügung stehen werden. Leichtfried konzedierte, dass der Frage von Strom aus erneuerbaren
Energieträgern zentrale Bedeutung zukommt, um E-Mobilität erfolgreich zu machen. ÖVP-Verkehrssprecher
Ottenschläger hielt fest, dass auch im Bereich sauberer Verbrennungsmotoren noch neue Entwicklungen möglich
sind.
Gemeinsame EU-Maut lässt auf sich warten
Leichtfried sprach auch die Frage eines gemeinsamen europäischen Mautsystems an. Dessen Umsetzung schreite
nicht so rasch voran, wie vor einigen Jahren angekündigt wurde. Österreich habe aufgrund der vergleichsweise
kurzen Strecken des Transitverkehrs durch das Land wenig Möglichkeiten, über Mautzuschläge einen
Verlagerungseffekt von der Straße auf die Schiene zu erzielen. Er sehe dabei zwei Ansätze, nämlich
die Einführung einer Sektorbemautung sowie einer Mindestmaut. Das werde er in die Gespräche über
die Weiterentwicklung der Wegekostenrichtlinie, die bereits jetzt die Einrechnung externer Kosten erlaube, einbringen.
Er sei in diesem Sinne auch offen für Überlegungen zu einer eigenen Korridormaut, etwa am Brennerkorridor,
teilte der Verkehrsminister Abgeordnetem Willi (G) mit. Dabei sollte, wie Willi ausführte, auf Strecken, die
im TEN-V Netz mit EU-Geldern gebaut werden, eine höhere Maut möglich sein, um Verlagerungseffekte auf
die Schiene zu erzielen. Leichtfried meinte, er sei hier, wie in der Frage der Mindestmaut, zwar nicht sehr optimistisch,
was die Erfolgschancen in naher Zukunft betrifft, doch werde er die österreichische Linie in dieser Richtung
weiter vertreten.
Liberalisierung bei Gigalinern, Kabotage und Fernbussen: Österreich kritisch bis ablehnend
Die EK plant 2017 auch eine Reihe von REFIT-Initiativen, also Überarbeitungen von Richtlinien, teilte der
Minister mit. Eine kritische Position vertrete Österreich dabei, was die Überarbeitung der Verordnungen
über ein besseres Funktionieren des Marktes für den Kraftomnibusverkehr und von zwei Verordnungen über
den Zugang zum Güterverkehrsmarkt der EU betrifft. Grundsätzlich werde die Überarbeitung zwar positiv
gesehen, doch sollte dabei keine Liberalisierung der Bestimmungen zur Kabotagebeförderung erfolgen, betonte
der Verkehrsminister. Vielmehr sollte zuerst die Anwendung und Effizienz der bestehenden Bestimmungen sichergestellt
werden, da einige Staaten es mit den Kontrollen nicht sehr ernst nehmen und eher Aufweichungen anstreben würden.
Besonders wichtig ist für Leichtfried in diesem Zusammenhang die geplante Überarbeitung der Verordnungen
und Richtlinien zu Sozialvorschriften im Straßenverkehr. Damit sollen die Straßenverkehrssicherheit
und Arbeitsbedingungen für FahrerInnen verbessert und Wettbewerbsverzerrungen zwischen den Marktteilnehmern
bekämpft werden. Auch hier gebe es starke Wettbewerbsverzerrungen, unterstrich der Verkehrsminister. So hätten
die an der geographischen Peripherie Europas gelegenen Staaten vor allem Interesse an einem möglichst unregulierten
Transitverkehr, während die Staaten der Mitte Europas diesen beschränken wollen. Österreich stehe
in dieser Frage nicht allein und habe mit acht anderen Staaten, zu denen Deutschland und die Länder Nordeuropas
gehören, eine Road Alliance gebildet, um gegen Sozialdumping im Transportgewerbe vorzugehen.
In diesem Zusammenhang kam einmal mehr das Thema der Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße auf
die Schiene zur Sprache. Verkehrsminister Leichtfried wies darauf hin, dass das Thema Gigaliner nicht vom Tisch
sei. Er fürchte, dass ihre Zulassung in immer mehr Staaten Druck auf die Europäische Kommission aufbaut,
diese auch im grenzüberschreitenden Verkehr zuzulassen. Österreich habe die klare Haltung, dass eine
solche Liberalisierung nicht im österreichischen Interesse liege, da das unter anderem riesige Folgekosten
für das Straßennetz nach sich ziehen würde. Außerdem schaffe man damit der Schiene neue Wettbewerbsnachteile,
sagte Leichtfried. Diese Haltung bekräftigte auch Johann Hell (S). Abgeordneter Ottenschläger (V) meinte,
grundsätzlich müssten sich LKW-Verkehr und Schiene ergänzen. NEOS-Verkehrssprecher Michael Bernhard
sagte, die NEOS würden Gigaliner nicht per se ablehnen, seien aber überzeugt, dass sie für Österreich
nicht passen. In der Frage der Kabotage wären sie aber für eine gänzliche Liberalisierung, denn
damit würde man den Binnenmarkt vorantreiben und Leerfahrten reduzieren, was letztlich auch positive Umwelteffekte
hätte.
Schienenverkehr in der EU: Technische Unterschiede bremsen Binnenmarkt aus
Den Ausbau der Transeuropäischen Netze (TEN) in den Bereichen Energie, Telekom vor allem im Bereich Verkehr
(TEN-V) sieht Leichtfried als wichtigen Beitrag zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Schiene, was
auch der Erreichung von Umwelt- und Klimazielen dient. Österreich leiste mit Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur
einen wichtigen Beitrag zur Realisierung des TEN-V. In diesem Zusammenhang kam der Verkehrssprecher des Team Stronach
Christoph Hagen einmal mehr auf die Transitprobleme Vorarlbergs zu sprechen und forderte ein eigenes Güterverkehrsgleis
für das Rheintal und den Ausbau der S18 Richtung Schweiz.
Der Bericht thematisiere auch das Vierte Eisenbahnpaket, das aus sechs Rechtsvorschriften besteht, hob ÖVP-Verkehrssprecher
Ottenschläger hervor. Die technische Säule des Pakets enthalte zwei Richtlinien, die bis Mitte 2019 in
nationales Recht umzusetzen sind. Die Verwirklichung eines gemeinsamen europäischen Schienennetzes setze eine
technischen Harmonisierung voraus, sagte der Abgeordnete. Minister Leichtfried erläuterte dazu, dass sich
aus historischen Gründen in den Nationalstaaten viele unterschiedliche technische Standards für die Bahn
entwickelt haben. Daraus erkläre sich, warum die technische Zusammenführung des Eisenbahnnetzes zu einem
gemeinsamen Markt nur sehr langsam erfolge.
Leichtfried: Bestellungen gemeinwirtschaftlicher Leistungen sorgen für leistbare Mobilität
Der Bund bestellte auch 2015 umfangreiche Leistungen im Schienenverkehr. Die Verlagerung vom Individualverkehr
hin zum Öffentlichen Verkehr erklärt Verkehrsminister Jörg Leichtfried im Bericht seines Ressorts
darüber ( III-365 d.B.) zum zentralen Anliegen der Verkehrspolitik des BMVIT. Sowohl beim Klimaschutz wie
im Bemühen um mehr Verkehrssicherheit komme dem öffentlichen Verkehr große Bedeutung zu. Das Angebot
an öffentlichem Verkehr könne jedoch nicht allein durch die Tarifeinnahmen gedeckt werden, weshalb laut
Leichtfried die Bestellungen gemeinwirtschaftlichen Leistungen durch die öffentliche Hand unumgänglich
sind.
Abgeordneter Johann Hell (S) hob hervor, dass der Bund das Grundangebot im Schienenpersonenverkehr sichert, weshalb
er rund 83% aller gemeinwirtschaftlichen Leistungen finanziert. Abgestimmt mit den Zusatzbestellungen der Länder
habe man so auch 2015 wieder ein optimales Verkehrsangebot für die Bevölkerung schaffen können.
Auf die Frage der Behindertensprecherin der Grünen Helene Jarmer, wie sich der Aspekt der Barrierefreiheit
auf die Bestellungen auswirke, betonte Leichtfried, dass mangelnde Barrierefreiheit sich als Abzüge für
geringere Qualität des Angebots auswirke, was Ulrich Puz, Geschäftsführer der Schieneninfrastruktur-Dienstleistungsgesellschaft
mbH (SCHIG) im Detail ausführte. Einen unerklärlichen Kostenanstieg der Leistungen pro Kilometer, wie
ihn Abgeordneter Hagen (T) sah, konnten Leichtfried und Puz nicht erkennen. Die Valorisierung der Kosten beruhe
auf einem eigens dafür erstellten Warenkorb, sagte Puz.
Bedenken der NEOS gegen Direktvergaben von gemeinwirtschaftlichen Leistungen
Wie NEOS-Verkehrssprecher Michael Bernhard im Ausschuss einmal mehr betonte, gibt es große Bedenken der NEOS
gegen die Direktvergabe gemeinwirtschaftlicher Leistungen im öffentlichen Verkehr. Er fühlt sich auch
durch die kritische Haltung der EU-Kommission in dieser Frage bestätigt. Die NEOS fordern daher zum einen
den Verkehrsminister auf, Direktvergaben von Aufträgen nur in absoluten Ausnahmefällen zuzulassen ( 1104/A(E))
und urgieren zum anderen eine Studie zur Klärung, ob und inwieweit öffentliche Ausschreibungen von gemeinwirtschaftlichen
Leistungen effizientere Ergebnisse erzielen als Direktvergaben (1974/A(E)).
Bernhard betonte, nach seinen Berechnungen zahle der Bund aufgrund des Verzichts auf eine Ausschreibung bis zu
200 Mio. € mehr als er müsste. Die Kritik an der Direktvergabe unterstützte auch FPÖ-Verkehrssprecher
Gerhard Deimek. Verkehrsminister Leichtfried konnte diese Rechnung nicht nachvollziehen. Der direkte Vergleich
des Zuschusses pro Schienenkilometer in Österreich mit dem, was die öffentliche Hand in Deutschland aufwende,
sei nicht zulässig, da dort andere Voraussetzungen bestehen. So beruhe das System etwa auf Aufzahlungen für
Kosten, die durch Tarife nicht abgedeckt werden. Eine Erhöhung der Tarifpreise wirke sich dementsprechend
in Form geringerer Kosten für die öffentliche Hand aus. Ulrich Puz verwies dazu auf die Ergebnisse, die
eine Studie des Linzer Instituts für Kommunalwissenschaften dazu angestellt hat. Diese kommt zum Ergebnis,
dass der Bund die gemeinwirtschaftlichen Leistungen der Schiene zu einem angemessenen Preis erhält.
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