Bosnaspur machte ein Recycling als Touristenattraktion in Wales möglich
Welshpool/Salzburg (lk) - Warum und wo die vor 60 Jahren eingestellte Ischlerbahn fährt, welche ehemals
zwischen Salzburg und Bad Ischl verkehrende Lokomotive Ostseeluft als rasender Roland schnupperte, warum eine Eierspeise
noch einmal auf die Schienen durfte und wo die Gaisbergbahn ihren vorläufig letzten Halt gefunden hat, verrät
ein aktueller Salzburger Grenzfall aus der gleichnamigen Serie.
Ob sich nun die Buslobby oder die Regionalbahnbefürworter in Salzburgs Nahverkehrszukunft durchsetzen, eines
ist gewiss: Die Ischlerbahn, wie die Salzkammergut-Lokalbahn allgemein genannt und die 1957 auf der Strecke zwischen
Salzburg und Bad Ischl eingestellt wurde, lebt weiter – und das nicht nur als nostalgiebehaftete Zukunftshoffnung
begeisterter Lokalbahnfans, sondern als Touristenattraktion auf malerischer Strecke in der walisischen Grafschaft
Powys. Auf der ehemaligen Trasse durch den Flachgau genießen jetzt Radfahrer bei sanftem Gefälle das
Voralpenpanorama, schon seit Jahrzehnten liegen dort keine Schienen mehr. Überlebt haben jedoch einige Lokomotiven
und Waggons, insbesondere auf der Welshpool and Llanfail Railroad, wo eine Lokomotive der ehemaligen Ischlerbahn
heute Touristen kurvenreich durch eine Hügellandschaft bringt.
Vom Kriegsgerät zum adeligen Bummelzug
Lok Nummer 19, als Kriegsdampflok 1944 im damals von den Deutschen besetzten Frankreich gebaut, wurde nach Kriegsende
von den Amerikanern der Salzkammergut-Lokalbahn übergeben und durfte den morgendlichen Milchzug von Vetterbach
nach Salzburg ziehen. Noch vor Ende der Ischlerbahn wurde die Lok in die Steiermark verkauft und zwischen Weiz
und Ratten eingesetzt. Scheinbar schon am Ende ihres Daseins wurde sie 1965 abgestellt. Doch Eisenbahnenthusiasten
in Wales suchten für die zwei Jahre zuvor wiederbelebte Welshpool and Llanfair Light Railway nach Zügen,
die auf den für die britischen Inseln unüblichen Spurweite von 762 Millimetern eingesetzt werden konnten.
Hier sorgte die "Bosnaspur", die Bosnische Spurweite, auf der die Ischlerbahn fuhr, für die Wiederauferstehung
bei den Walisern, wo die Lokomotive seit 1970 als "Sir Drefaldwyn" knapp drei Jahrzehnte im Einsatz war
und seit 2014 erneut aufgemöbelt wurde.
Über Rügen zurück in die Heimat
Lok Nummer 22 der Ischlerbahn kann auch mit außergewöhnlichen Einsatzorten aufwarten. Ihr weiterer Lebensweg
führte über das Zillertal, das Deutsche Technikmuseum Berlin und als "Rasender Roland" auf
der Ostseeinsel Rügen nach Sachsen. Sie kehrte im April 2017 reich an Schienenerfahrung auf einem Sattelschlepper
zu Liebhabern nach Salzburg zurück.
Viele Ischlerbahn-Wagen endeten als Bauhütten, Gartenhäuser oder Hühnerställe. Für die
Taurachbahn, als Museumsbahn zwischen Tamsweg und Mauterndorf geführt, erlebten neben einem Originalwaggon
einige Wagen eine Wiederauferstehung als Neubauten. Mit etwas Glück kann man mit einer vollständigen
Ischlerbahn-Garnitur im Lungau unterwegs sein.
Wechselnde Besitzer
In der 67-jährigen Betriebsgeschichte der Ischlerbahn wechselten die Besitzer und Betreiber beinahe so häufig
wie die Fahrpläne. Die meiste Zeit war die Bahn in deutschem und englisch-schweizerischem Eigentum. Am kürzesten
scheint Salzburg als Mehrheitseigentümer auf. Die zur Elektrifizierung von den US-Truppen aus Kriegsbeute
zur Verfügung gestellten tonnenschweren Kupferdrähte verschwanden aus der Itzlinger Werkstätte kurz
vor der Montage. "Durch die Geschichte dieses Unternehmens gehen Dummheit, Unfähigkeit, Profitsucht und
Sabotage von Seiten der Geschäftsführung wie ein roter Faden", ätzte eine Zeitung 1957 zur
Einstellung. Die Bahn hatte gegen den Individualverkehr und die bis heute profitable Buslinie 150 verloren.
Rasende Eierspeis' als Fortschrittsopfer
Fast zwei Jahrzehnte zuvor hatte dieses Schicksal die in der Landeshauptstadt zwischen dem Hauptbahnhof und der
Riedenburg verkehrende "Gelbe Elektrische" ereilt. 1940 musste die im Volksmund als "Rasende Eierspeis"
bezeichnete Straßenbahn dem damals hippen Obus Platz machen. Nach einem Schicksal als Industriebahn in Kaprun
und als Hasenstall und Brennholzlager wurde ein Triebwagen zum Jubiläum "100 Jahre Gelbe Elektrische"
im Jahr 2009 nachgebaut und durfte einige Nostalgiemeter auf eigens vor das Schloss Mirabell gelegten Schienen
zurücklegen.
Per Bahn auf Salzburgs Hausberg
Für die Gaisbergbahn war bereits 1928 Endstation. Seit 1887 schnaufte die Zahnradbahn in der Sommersaison
auf den Salzburger Hausberg, im Eröffnungsjahr waren es 40.000 Touristen und 180 Tonnen Gepäck und Güter.
Eine Lokomotive hat einen würdigen letzten Halt in einer historischen Remise im Salzburger Freilichtmuseum
in Großgmain gefunden.
Kurioses über Grenzen hinweg
Die Salzburger Grenzfälle
versammeln Kuriositäten rund um die Grenzen Salzburgs und bilden eine aufschlussreiche Lektüre zu Geschichte,
Landeskunde und Politik des Bundeslandes. Der Autor Stefan Mayer beschäftigt sich seit 2002 mit grenzfälligen
Besonderheiten in und um Salzburg. Er gestaltet die monatliche Serie "Grenzfälle", von der bereits
vier Bücher erschienen sind. Band 4 kann im Webshop des Landes um 6,90 Euro bestellt werden, digitale Versionen aller vier Bände stehen
dort zum kostenlosen Herunterladen zur Verfügung. Einzelne Grenzfall-Artikel können jederzeit abgerufen werden.
|