Parlamentarischer Hauptausschuss nimmt Schlussbericht des Antragskomitees einstimmig zur Kenntnis
– NR-Präsidentin Bures würdigt dessen großen Einsatz
Wien (pk) - Der Allgemeine Entschädigungsfonds hat seit seiner Einrichtung im Jahr 2001 über rund
152.000 Entschädigungsforderungen von NS-Opfern entschieden, alle eingegangenen 20.702 Anträge konnten
vom Antragskomitee fertig recherchiert und elektronisch erfasst werden. Dotiert waren für den Fonds, der
zur umfassenden Lösung offener Fragen der Entschädigung von NS-Opfern geschaffen wurde, 210 Mio. US-Dollar,
rund 103.000 Entschädigungsforderungen für Vermögensverluste wurden anerkannt. Am 04.04. hat der
Hauptausschuss des Nationalrats den Abschlussbericht des Antragskomitees, im Dreiergremium waren neben dem Vorsitzenden
Franklin Bermann US-Vertreter G. Jonathan Greenwald und von österreichischer Seite Kurt Hofmann vertreten,
einstimmig zur Kenntnis genommen. Das Antragskomitee des Allgemeinen Entschädigungsfonds beendet damit seine
Arbeit, eines der größten Projekte der Zweiten Republik zur Entschädigung nationalsozialistischen
Vermögensentzuges gilt damit als abgeschlossen.
Dankesworte für die Arbeit des Entschädigungsfonds äußerten neben Ausschussvorsitzender Nationalratspräsidentin
Doris Bures im Hauptausschuss die VertreterInnen aller Parlamentsfraktionen.
Für Kuratoriums-Mitglied und Zweiten Nationalratspräsidenten Karlheinz Kopf dient die Arbeit des Entschädigungsfonds
letzten Endes als verantwortungsbewusster Umgang mit diesem dunklen Kapitel der österreichischen Geschichte,
wie er im Hauptausschuss sagte. Der Fonds habe für die Republik Österreich einen beachtenswerten Beitrag
geleistet, nicht nur durch materielle Entschädigungen, die ohnehin immer nur eine symbolische Geste sein könnten,
sondern auch durch die Anerkennung von Opfern des Nationalsozialismus. Dass die Arbeit des Fonds auch über
die nächsten Jahre hinaus von Bedeutung sein wird, betonte daneben SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder. Die
gesammelte Expertise werde bereits für jährlich stattfindende Gedenktage genutzt.
Seitens der Grünen sagte Harald Walser, dass es zuletzt der Zivilgesellschaft zu verdanken gewesen sei, dass
es durch ihren Druck auf die damals Handelnden zum Washingtoner Abkommen gekommen ist. Das Komitee sei jedenfalls
sehr sensibel mit ihrer Aufgabe umgegangen. Neben Nikolaus Scherak von den NEOS würdigte außerdem Team
Stronach-Abgeordnete Waltraud Dietrich das Engagement des Komitees. Wenn anerkannte Forderungen von rund 1,6 Mrd.
US-Dollar einem Fonds von 210 Mio. US-Dollar gegenüberstehen, sei besonderes Fingerspitzengefühl notwendig.
Der Freiheitliche David Lasar sagte, dass für ihn vieles Großteils erledigt sei, einiges aus der Geschichte
aber noch aufzuarbeiten sei.
Offizieller Dank im Namen der Republik Österreich wurde Bermann, Greenwald und Hofmann durch Kuratoriums-Vorsitzende
Nationalratspräsidentin Bures bei einem Empfang im Parlament zu Ehren des Antragskomitees im Anschluss an
den Hauptausschuss zuteil.
Entschädigungen für rund 24.000 Opfer des Nationalsozialismus
Der über 700 Seiten starke Schlussbericht dokumentiert die Tätigkeit des Antragskomitees, insbesondere
die Bedeutung des Washingtoner Abkommens in der Aufarbeitung des Nationalsozialismus in Österreich, die Vielschichtigkeit
der bei seiner Umsetzung zu berücksichtigenden Aspekte sowie das Verfahren und die dabei angewendeten hohen
Verfahrensstandards. Der Schlussbericht wurde dem Entschädigungsfondsgesetz entsprechend im September 2015
an das Kuratorium des Fonds und anschließend zur Kenntnisnahme an den Hauptausschuss des Nationalrats übermittelt.
Darin unterstreicht Vorsitzender Bermann die Unabhängigkeit des Komitees, das seinen Kurs von Anfang an der
Entschlossenheit orientierte, "dass die bloße Zahlung von Geldentschädigungen niemals das geschehene
grobe Unrecht wieder gutmachen kann und dass ein Hauptzweck des Allgemeinen Entschädigungsfonds darin bestand
anzukündigen, dass mit ihm eine Stelle geschaffen worden war, die Antragstellerinnen und Antragstellern zuhört,
die ihre Lebensgeschichte aufnimmt und die in einer gewissen Form anbietet, ihr Leid offiziell anzuerkennen".
Das Antragskomitee hat über 20.702 Anträge entschieden, die 151.949 Forderungen für 94.335 Verluste
enthielten. Dabei sprach es 18.155 Antragstellerinnen und Antragstellern (87,70 %) eine Entschädigung zu,
2.547 Anträge (12,30 %) wurden zur Gänze abgelehnt. Etwas mehr als zwei Drittel der Forderungen (103.425
bzw. 68,07%) wurde stattgegeben. Den höchsten Anteil stattgegebener Entscheidungen zeigen die "berufs-
und ausbildungsbezogenen Verluste", während Forderungen für Immobilien zum weit überwiegenden
Teil abgelehnt wurden. In diesen Zahlen spiegelt sich auch die frühere österreichische Rückstellungspolitik
wider, die nach 1945 dem Grundsatz gefolgt war, nur mehr vorhandenes Vermögen, darunter Liegenschaften, zu
restituieren.
Insgesamt wurden Forderungen in Höhe von rund 1,6 Mrd. US-Dollar vom Antragskomitee anerkannt, davon rund
32% für berufs- und ausbildungsbezogene Verluste, rund 22 % für liquidierte Betriebe und rund 15 % für
Aktien, der Rest verteilt sich auf die übrigen Verlustkategorien Bankkonten, Versicherungspolizzen, Immobilien,
bewegliches Vermögen, Schuldverschreibungen, Hypotheken sowie sonstige Verluste und Schäden. Entsprechend
der fixen Dotierung des Fonds wurden bis 15. März 2017 insgesamt rund 213,27 Millionen US-Dollar ausbezahlt
werden, davon rund 161,52 Millionen US-Dollar im Wege von Vorauszahlungen und 51,75 Millionen im Wege von abschließenden
Zahlungen. Insgesamt werden am Ende 24.000 Begünstigte eine Zahlung aus dem Entschädigungsfonds erhalten
haben.
Offene Aufgaben des Entschädigungsfonds sind die Suche nach Erbinnen und Erben verstorbener AntragstellerInnen,
die Funktion als Geschäftsapparat der Schiedsinstanz für Naturalrestitution, die 2018 ihren Schlussbericht
vorlegen wird, sowie die Sicherung und Dokumentation der Datenbanken und des Archivbestandes. Von 666 verstorbenen
AntragstellerInnen werden noch Erbinnen und Erben gesucht. 1.373 Anträge sind noch nicht vollständig
ausbezahlt. Bis Ende April 2019 können Leistungen noch in Anspruch genommen werden, danach tritt die gesetzlich
vorgesehene Verjährung der Forderungen ein. Mit der vollständigen Erfüllung seiner Aufgaben gilt
der Entschädigungsfonds als aufgelöst.
Das Antragskomitee konstituierte sich im November 2001 und wurde auf Basis des Washingtoner Abkommens zwischen
den Regierungen der USA und Österreichs zur Regelung von Fragen der Entschädigung und Restitution für
Opfer des Nationalsozialismus und aufgrund des Entschädigungsfondsgesetzes als unabhängiges, internationales
Entscheidungsgremium für Anträge auf Geldentschädigung beim Allgemeinen Entschädigungsfonds
eingerichtet. Den Vorsitz führte von Beginn an Sir Franklin Berman, Visiting Professor für Völkerrecht
der Universitäten Oxford, Cape Town und King's College, London sowie Richter in internationalen Streitschlichtungs-
und Gerichtsverfahren. Von österreichischer Seite ist der ehemalige Vizepräsident des Obersten Gerichtshofes,
Dr. Kurt Hofmann, seit 2001 Mitglied des Antragskomitees. Von US-amerikanischer Seite waren von 2001 bis 2004 Prof.
Robert Rosenstock und von 2004 bis 2006 Prof. Vivian Grosswald Curran Mitglieder. Seit Mai 2006 ist der US-Diplomat
und Vizepräsident der International Crisis Group, Washington D.C., G. Jonathan Greenwald Mitglied des Antragskomitees.
Der Allgemeine Entschädigungsfonds für Opfer des Nationalsozialismus wurde 2001 zur umfassenden Lösung
offener Fragen der Entschädigung von NS-Opfern für Verluste und Schäden eingerichtet, die als Folge
von oder im Zusammenhang mit Ereignissen auf dem Gebiet der heutigen Republik Österreich entstanden waren.
Der Fonds hat die Aufgabe, jene Verluste, die von früheren Rückstellungs- oder Entschädigungsmaßnahmen
nicht oder nicht hinreichend berücksichtigt worden waren, zu entschädigen.
Online-Plattform "Findbuch für Opfer des Nationalsozialismus"
Auf großes Interesse stößt auch die vom Fonds entwickelte Online-Plattform "Findbuch für
Opfer des Nationalsozialismus". 2015 konnten bereits 1.400 UserInnen registriert werden, davon sind rund 10%
englischsprachig. Pro Tag verzeichnet das Findbuch durchschnittlich 100 BesucherInnen und fast 400 Zugriffe. Diese
Datenbank beruht auf den Angaben über Aktenbestände zu NS-Vermögensentziehungen und österreichischen
Entschädigungs- und Restitutionsmaßnahmen, die österreichische Archive dem Nationalfonds in den
Jahren seiner Tätigkeit zur Verfügung gestellt haben. Diese Daten wurden von den MitarbeiterInnen des
Entschädigungsfonds im Zuge der Bearbeitung von Anträgen zusammengeführt, teilweise ergänzt,
überarbeitet und nötigenfalls elektronisch erfasst. Die daraus entstandene Datenbank liefert die Grundlage
für das Findbuch. Es wird auf der Website des Nationalfonds der Öffentlichkeit zugänglich gemacht
und ermöglicht die Suche nach Personen und Unternehmen in österreichischen Archivbeständen zu NS-Vermögensentziehungen
sowie Entschädigungs- und Restitutionsmaßnahmen.
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Antragskomitee-Mitglied G. Jonathan Greenwald erhält Ehrenzeichen der Republik Österreich
"Eines der größten Projekte der Zweiten Republik zur Entschädigung nationalsozialistischen
Vermögensentzuges ist abgeschlossen", würdigte Nationalratspräsidentin Doris Bures im Rahmen
eines Empfangs am 04.04. im Parlament zu Ehren des Antragskomitees des Allgemeinen Entschädigungsfonds dessen
Verdienst um die historische Aufarbeitung. Mit der Kenntnisnahme des Abschlussberichts im Hauptausschuss zuvor
wurde das Antragskomitee des Allgemeinen Entschädigungsfonds für Opfer des Nationalsozialismus aufgelöst.
Der Entschädigungsfonds wurde 2001 zur umfassenden Lösung offener Fragen der Entschädigung von NS-Opfern
geschaffen. Seither hat das dreiköpfige Antragskomitee über 20.702 Anträge entschieden, die rund
152.000 Forderungen enthielten.
Die Bewältigung dieses Projekts wäre ohne den großen Einsatz und die große Kompetenz des
Antragskomitees nicht möglich gewesen, betonte die Nationalratspräsidentin, und es sei für AntragstellerInnen
sicher nicht leicht gewesen, sich so viel später damit auseinanderzusetzen. Das Antragskomitee habe mit seiner
Arbeit einen enormen Beitrag zur Aufarbeitung geleistet. Im dreiköpfigen Antragskomitee fehlte bisher einzig
für Antragskomitee-Mitglied G. Jonathan Greenwald eine offizielle Auszeichnung für seine Verdienste,
so Bures. Sie überreichte ihm heute im Rahmen des Empfangs das Große Silberne Ehrenzeichen für
Verdienste um die Republik Österreich.
Am Empfang nahmen etwa auch der Zweite Nationalratspräsident Karlheinz Kopf, weiters Abgeordnete des Nationalrats,
die Generalsekretärin des Entschädigungsfonds Hannah M. Lessing, Parlamentsdirektor Harald Dossi und
der ehemalige Nationalratspräsident Andreas Khol teil.
Der Vorsitzende des Antragskomitees, Sir Franklin Berman, drückte in seinem Schlusswort die Hoffnung des Antragskomitees
aus, "dass es durch seine Tätigkeit und durch seine Existenz auf seine eigene Art zu einer Atmosphäre
der Versöhnung beigetragen hat, und eventuell auch zur Heilung der Wunden der Vergangenheit." Der jetzt
vorliegende Bericht könne "nicht ohne eine gewisse Emotion" präsentiert werden, die nicht der
einfachen Befriedigung über eine erledigte Aufgabe, sondern vor allem der Sache selbst entspringe, so Berman.
"Dazu beizutragen, zunächst zum Aufbau und daraufhin über einen Zeitraum von 15 Jahren zur erfolgreichen
Umsetzung eines Systems, das sich mit dem unerträglichen Unrecht der Vergangenheit befassen soll, ist eine
Aufgabe moralischer Natur und wurde von allen Beteiligten gleichermaßen als solche wahrgenommen."
Das Antragskomitee sei sich von Anfang an bewusst gewesen, "dass die bloße Zahlung von Geldentschädigung
niemals das geschehene grobe Unrecht wieder gutmachen kann." Der Hauptzweck des Entschädigungsfonds habe
vielmehr darin bestanden, "dass mit ihm eine Stelle geschaffen worden war, die Antragstellerinnen und Antragstellern
zuhört, die ihre Lebensgeschichte aufnimmt und die in einer gewissen Form anbietet, ihr Leid offiziell anzuerkennen."
Dem dreiköpfigen Antragskomitee zur Prüfung von Anträgen auf Entschädigung gehört neben
Greenwald und Berman noch Kurt Hofmann an. Der Entschädigungsfonds hat die Aufgabe, jene Verluste, die von
früheren Rückstellungs- oder Entschädigungsmaßnahmen nicht oder nicht hinreichend berücksichtigt
worden waren, zu entschädigen.
Offene Aufgaben des Entschädigungsfonds sind die Suche nach Erbinnen und Erben verstorbener AntragstellerInnen,
die Funktion als Geschäftsapparat der Schiedsinstanz für Naturalrestitution, die 2018 ihren Schlussbericht
vorlegen wird, sowie die Sicherung und Dokumentation der Datenbanken und des Archivbestandes. Der Entschädigungsfonds
wird in seiner Tätigkeit administrativ vom Nationalfonds unterstützt, beide Fonds sind organisatorisch
mit dem Parlament verbunden.
Der Schlussbericht des Antragskomitees wird in einer überarbeiteten Form und in englischer Übersetzung
als Buch erscheinen, das in Vorbereitung ist. Eine Kurzinformation zum Schlussbericht mit den wichtigsten Ergebnissen,
Statistiken und Zahlen steht auf der Website des Entschädigungsfonds zur Verfügung.
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