…und Beschäftigung aber nur zarter Konjunkturfrühling spürbar – Gewerbe und
Handwerk: Wachstumsverstärker statt Wachstumsbremsen nötig – Gesprächsbereit bei Mindestlohn, Arbeitszeitflexibilisierung
nicht verzögern
Wien (pwk) - „Wir freuen uns über ein All-Time-High in Handwerk und Gewerbe: 730.000 Beschäftigte
und 250.000 Mitglieder zeigen, dass wir attraktiver Arbeitgeber und einer der großen Konjunkturmotoren am
heimischen Standort sind. Mit 87 Mrd. Euro erwirtschaften wir ein Fünftel der heimischen Wirtschaftsleistung“,
betonte die Obfrau der Bundessparte Gewerbe und Handwerk, Renate Scheichelbauer-Schuster, am 04.04. Der nun prognostizierte
Konjunkturaufschwung sei aber noch nicht vollständig bei den Betrieben der Sparte angekommen: Auch wenn aktuell
für das erste Quartal die Geschäftslage besser beurteilt wird als im Vergleichszeitraum des Vorjahres,
ist rückblickend für 2016 nur eine unterdurchschnittliche Entwicklung gegenüber dem allgemeinen
Wirtschaftswachstum festzustellen. „Unsere Mittelbetriebe benötigen noch Wachstumsverstärker anstatt
Wachstumsbremsen, denn der Rucksack durch Bürokratie, Auflagen, Steuern und Abgaben ist schwer gepackt“, so
die Obfrau.
Dass Gewerbe und Handwerk sich vor diesem Hintergrund in den letzten Kollektivvertragsabschlüssen gesprächsbereit
gezeigt hat, einen politisch geforderten Mindestlohn zeitnah in den kommenden Jahren umzusetzen, sei „ein starkes
Signal und Zeichen der unternehmerischen Vernunft. Vernunft, die wir uns, was die Flexibilisierung der Arbeitszeiten
betrifft, von der Gewerkschaft branchenübergreifend wünschen“, so Scheichelbauer-Schuster.
Hauptfokus: Qualifizierung der MitarbeiterInnen
„Was den Mindestlohn betrifft, sind nicht alle unserer Betriebe soweit, die Mehrkosten - gerade wenn man sich
die Branchenzahlen im Detail ansieht- zu verdauen. Hauptfokus ist für uns, dass sich die Qualifizierung für
die MitarbeiterInnen lohnt und ein Anreiz besteht, die Ausbildung zum Facharbeiter zu machen. Unsere Betriebe können
aber nicht dafür sorgen, dass den Mitarbeitern mehr Netto vom Brutto bleibt. Hier gilt es, rasch eine steuerliche
Entlastung von ArbeitnehmerInnen wie Betrieben in Angriff zu nehmen. Ein Mindestlohn von 1.500 Euro, 14mal pro
Jahr, entspricht einem Stundenlohn von 10,10 Euro und liegt damit um 14 Prozent über den deutschen Mindestlohn
von 8,84 Euro. Die Politik darf nicht vergessen, dass in Österreich die Löhne 14mal ausbezahlt werden
und in den Nachbarländern stets nur 12mal“, so die Obfrau.
Man könne nur einmal mehr betonen, so Scheichelbauer-Schuster, dass eine Flexibilisierung der Arbeitszeit
bedeutet, bis zu 12 Stunden nach Bedarf arbeiten zu können, natürlich unter Bezahlung der Überstunden
der 11. und 12. Stunde. Ein Durchrechnungszeitraum von 52 Wochen ermöglicht Betrieben wie ArbeitnehmerInnen
eine bessere Planung, was den Konsum von Urlaub und Überstunden und das Abarbeiten von Spitzen betrifft.
Parallelverschiebung beim Mindestlohn führt zu deutlichen Mehrkosten für Betriebe
Für Ursula Krepp, Landesinnungsmeisterin und Unternehmerin aus Oberösterreich, steht ganz besonders
das Kostenargument im Vordergrund: „Ein Mindestlohn von 1.500 Euro bedeutet ja nicht nur, dass untere Lohngruppen
angehoben werden, sondern auch, dass es zu einer Parallelverschiebung kommt, weil die Löhne qualifizierter
MitarbeiterInnen ebenfalls angehoben werden müssen. Damit verdoppelt sich die Belastung für die Branche,
die teilweise Steigerungen von bis zu 30 Prozent zu verkraften haben.“ Auch die Gesamtkosten, die der Mindestlohn
für den Betrieb verursacht, dürften nicht außer Acht gelassen werden. Denn 1.500 Euro Mindestlohn
bedeuten knapp 28.000 Euro Jahreskosten für den Betrieb, während nur etwas mehr als 16.700 Euro bei den
Arbeitnehmern ankommen. Im internationalen Vergleich liegt Österreich damit am zweiten Platz, betrachte man
die umliegenden Nachbarländer zeige sich ein Mindestlohngefälle von 12.000 Euro pro Jahr etwa zu Ungarn.
Gerade auch mit Blick auf Deutschland, das heuer Rekordbeschäftigung erwartet, sei eine Flexibilisierung der
Arbeit die richtige Antwort, um als Standort erfolgreich zu sein. „Gesamtwirtschaftlich bessert sich die Konjunktur,
wann wenn nicht jetzt können wir Reformen bei der Arbeitszeit in Angriff nehmen und angesichts eines steigenden
Bedarfs an flexiblen Dienstleistungen und der Digitalisierung hier die Arbeitszeit moderner gestalten?“, unterstreicht
Scheichelbauer-Schuster.
Flexible Arbeitszeiten als Chance sehen
Betrachte man nur die Reinigungsbranche sei eine Ausweitung der Höchstarbeitszeit auf 12 Stunden eine
Chance, dringend benötige Aufträge abzuarbeiten und damit auf den Bedarf zu reagieren, so Krepp. 60 Prozent
der ArbeitnehmerInnen, so die oberösterreichische Unternehmerin, haben in der Reinigungsbranche Migrationshintergrund.
Es bestehe vielfach der Wunsch nach längeren, zeitlich zusammenhängenden Urlauben. Gleichzeitig seien
die MitarbeiterInnen auch bereit, 10 Stunden oder mehr zu arbeiten. in auftragsarmen Zeiten hätte ein flexibles
Arbeitszeitmodell den Vorteil, dass etwa in Sommermonaten (schulfrei) oder im Winter MitarbeiterInnen durchgängig
in Beschäftigung gehalten werden können, so Krepp.
Konjunktur: Nur leichte Konjunktur-Frühlingsgefühle
„Momentan zeigen sich nur leichte Frühlingsgefühle in Gewerbe und Handwerk. Im ersten Quartal 2017
beurteilen 18 Prozent der Betriebe die Geschäftslage mit ''gut'' (Vorjahr: 15 Prozent), 63 Prozent mit ''saisonüblich''
(Vorjahr: 60 Prozent) und 19 Prozent der Betriebe mit ''schlecht'' (Vorjahr: 25 Prozent). Im Vergleich zum Vorquartal
hat sich das Stimmungsbarometer leicht verschlechtert, denn per Saldo (Anteil der Betriebe mit guten abzüglich
schlechten Beurteilungen) überwiegen die Betriebe mit schlechter Geschäftslage um 1 Prozent-Punkt“, betont
Walter Bornett, Direktor der KMU Forschung Austria. Gewerbe und Handwerk ist – über die Konjunkturzyklen gesehen
– die stabilste Größe am heimischen Standort, so Bornett, das zeige auch das All-Time High bei den Beschäftigten.
Eine gesamtwirtschaftliche Erholung der Konjunktur komme aber immer mit Zeitverzögerung bei den Betrieben
der Sparte an. „Die Betriebe benötigen jetzt Wachstumstreiber. Das betrifft einerseits die Investitionen,
hier wäre eine vorzeitige/degressive Abschreibung ein gutes Signal, auch das geplante Investitionsprogramm
sollte positive Effekte für die Betriebe der Sparte bringen. Andererseits sollte man eine Abschaffung des
Handwerkerbonus überdenken, denn damit haben die Konsumenten wie Betriebe gute Erfahrungen gemacht und gerade
für Kleinbetriebe war der Handwerkerbonus wichtig“, so Bornett.
Die Zahlen im Detail
In den investitionsgüternahen Branchen ist der durchschnittliche Auftragsbestand im Vergleich zum 1. Quartal
des Vorjahres um 5,7 % gestiegen. Der Anteil privater/gewerblicher Auftraggeber ist gestiegen (82 Prozent), während
der Anteil öffentlicher Auftraggeber bzw. durch Direktvergaben der Gemeinden gesunken ist. 39 Prozent der
Betriebe verfügen über einen Auftragsbestand von 1-4 Wochen, 29 Prozent der Betriebe bis zu 9 Wochen.
„Angesichts der immer kürzeren Auftragsbestände, sind Betriebe gezwungen, immer flexibler zu reagieren.
Eine Modernisierung der Arbeitszeiten wäre hier eine richtungsweisende Maßnahme“, so Bornett.
Im konsumnahen Bereich verzeichneten 66 Prozent keine Veränderung (Vorjahr: 64 Prozent) und 19 Prozent Umsatzrückgänge
(Vorjahr: 26 Prozent).
Per Saldo (Anteil der Betriebe mit Umsatzsteigerungen abzüglich Umsatzrückgängen) überwiegen
die Betriebe mit Umsatzrückgängen um 4 %-Punkte. Die Situation ist aber besser als im Vergleichsquartal
des Vorjahres.
Für das 2. Quartal 2017 erwarten 65 Prozent keine Veränderung (Vorjahr: 63 Prozent) und 11 Prozent Rückgänge
(Vorjahr: 18 Prozent). Im Vergleich zum Vorquartal hat der Optimismus zugenommen. Per Saldo (Anteil der Betriebe
mit positiven abzüglich negativen Erwartungen) überwiegen im Hinblick auf die Entwicklung im 2. Quartal
die optimistischen Einschätzungen um 13 Prozent-Punkte.
Für den Zeitraum April bis Juni 2017 beabsichtigen 70 Prozent der Betriebe, den Personalstand konstant zu
halten und 26 Prozent der Betriebe, den Beschäftigtenstand um durchschnittlich 41,4 Prozent zu erhöhen,
4 Prozent der Betriebe, die Zahl der Mitarbeiter/innen um durchschnittlich 19,7 Prozent zu verringern. „Im Durchschnitt
ergibt sich daraus eine geplante Erhöhung des Beschäftigtenstandes um 13,5 %. Der Personalbedarf liegt
damit unter dem Niveau des Vergleichsquartals des Vorjahres“, so Bornett abschließend.
|