Wien (tu) - Mikroprozessoren auf Basis von atomar dünnem Material versprechen, neben der Weiterentwicklung
klassischer Prozessoren, auch neue Anwendungen im Bereich von flexibler Elektronik. Einem Forschungsteam der TU
Wien rund um Thomas Müller gelang in einem aktuellen Forschungsprojekt nun ein Durchbruch auf diesem Gebiet.
Zweidimensionale Materialien – kurz 2D-Materialien – sind sehr vielseitig einsetzbar obwohl – oder oft gerade
weil – sie aus nur einer einzigen oder wenigen Schichten von Atomen bestehen. Das wohl bekannteste 2D-Material
ist Graphen. Molybdändisulfid (eine drei-atomar dicke Schicht aus Molybdän und Schwefel-Atomen) gehört
ebenfalls in diese Kategorie, besitzt im Gegensatz zu Graphen jedoch Halbleitereigenschaften. Dr. Thomas Müller
vom Institut für Photonik der TU Wien forscht mit seinem Team an 2D-Materialien und sieht diese als zukunftsträchtige
Alternative für die Herstellung von Mikroprozessoren und anderen integrierten Schaltkreisen.
Das Ganze und die Summe seiner Teile
Mikroprozessoren sind aus einer modernen Welt nicht mehr wegzudenken und allgegenwärtig. Ohne ihre ständige
Weiterentwicklung wären viele inzwischen alltäglich erscheinende Dinge (Computer, Mobiltelefone, Internet,
...) nicht realisierbar. Silizium, das von Beginn an für ihre Herstellung verwendet wird, stößt
jedoch langsam aber sicher an seine physikalischen Grenzen. Ein vielversprechender Kandidat für seine Ablöse
findet sich in 2D-Materialen, unter anderem Molybdändisulfid. Während einzelne Transistoren, die grundlegendsten
Bauteile jeder digitalen Schaltung, aus 2D-Materialien schon seit der Entdeckung von Graphen 2004 erforscht werden,
konnten komplexere Strukturen nur äußerst beschränkt realisiert werden. Bisher gelang lediglich
die Herstellung einzelner digitaler Bauelemente aus einigen wenigen Transistoren. Für einen eigenständig
funktionierenden Mikroprozessor benötigt man jedoch erheblich komplexere Schaltkreise und vor allem auch deren
perfektes Zusammenwirken.
Thomas Müller und sein Team haben es nun erstmalig geschafft dies zu realisieren. Das Resultat ist ein 1-bit
Mikroprozessor, bestehend aus 115 Transistoren auf einer Fläche von rund 0,6 mm2, der einfache Programme ausführen
kann. „Während das im Vergleich mit Industriestandards auf Basis von Silizium natürlich äußerst
bescheiden wirkt, ist es doch ein großer Durchbruch für dieses Forschungsfeld. Der 'Proof of Concept'
ist geschafft, einer Weiterentwicklung steht im Prinzip nichts im Weg“, so Stefan Wachter, Dissertant in der Forschungsgruppe
von Dr. Müller. Doch nicht nur die Materialwahl war für den Erfolg des Forschungsprojektes ausschlaggebend.
„Wir haben uns auch die Dimensionierung der einzelnen Transistoren genau überlegt“, erklärt Müller.
„Die exakten Verhältnisse der Transistorgeometrien in einem grundlegenden Schaltungsbauteil sind kritisch
für die Realisier- und Kaskadierbarkeit komplexerer Einheiten.“
Zukunftsaussichten
Natürlich braucht es für einen praktischen Einsatz dieser Technologien noch deutlich leistungsfähigere
und komplexere Schaltkreise mit tausenden oder gar Millionen von Transistoren. Eine der größten Herausforderungen
in diesem Forschungsfeld ist derzeit noch die Reproduzierbarkeit und Ausbeute bei der Herstellung der verwendeten
Transistoren, denn sowohl die eigentliche Herstellung der 2D-Materialien als auch die Methoden für deren Weiterverarbeitung
stecken noch in den Kinderschuhen. „Da unsere Schaltkreise im Labor quasi in 'Handarbeit' gefertigt werden sind
derartig komplexe Designs natürlich für uns kaum realisierbar, da jeder einzelne der Transistoren wie
geplant arbeiten muss um die Funktion des gesamten Prozessors zu gewährleisten“, betont Müller die immensen
Anforderungen an moderne Elektronik. Mit industriellen Methoden könnten jedoch in den nächsten Jahren
durchaus einige neue Anwendungsgebiete für diese Technologie entstehen, sind die Forscher überzeugt.
Ein Beispiel für ein solches wäre flexible Elektronik, wie sie für medizinische Sensoren oder biegsame
Displays benötigt wird. Hier sind die 2D-Materialien dem klassischen Silizium aufgrund ihrer deutlich größeren
mechanischen Flexibilität weit überlegen.
Originalpublikation: Stefan Wachter,
Dmitry K. Polyushkin, Ole Bethge, Thomas Mueller, A microprocessor based on a two-dimensional semiconductor. Nature
Communications | DOI: 10.1038/NCOMMS14948
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