31 Insolvenzen pro Werktag – Privatinsolvenzverfahren gehen aufgrund der geplanten „Gratis-Entschuldung“
stark zurück
Wien (creditreform) - Die Zahlen der Creditreform Privatinsolvenzstatistik für das 1. Quartal 2017
zeigen eine stark rückläufige Entwicklung bei den Schuldenregulierungsverfahren. Die „Privatkonkurse“
sind in den ersten drei Monaten diesen Jahres um 14,0% auf 1.996 Verfahren zurückgegangen: Die Zahl der eröffneten
Schuldenregulierungsverfahren ist dabei um 17,4% auf 1.710 Insolvenzen gesunken, die mangels Vermögen abgewiesenen
Insolvenzanträge sind um 13,0% auf 286 Verfahren gestiegen.
Dazu Gerhard Weinhofer, Geschäftsführer des Gläubigerschutzverbandes Creditreform: „Die geplante
Reform der Privatinsolvenz führt dazu, dass viele Schuldner den 1. Juli abwarten, um sich dann mit einer Nullquote
zu entschulden. Gläubigern sei daher zu großer Vorsicht bei der Lieferung auf Kredit geraten.“
Bundesländervergleich: 3 von 10.000 Erwachsenen sind zahlungsunfähig/überschuldet
Ein Blick auf die einzelnen Bundesländer zeigt, dass mit Ausnahme der Steiermark (+6,3%) in ganz Österreich
die Insolvenzen rückläufig sind. Den stärksten Rückgang verzeichnen das Burgenland (-41,9%),
Tirol (-27,2%) und Vorarlberg (-23,5%).
Knapp 40% aller Insolvenzen ereigneten sich in der Bundeshaupt-stadt. Fast 6 von 10.000 erwachsenen Wienern wurden
insolvent. Damit sind die Wiener doppelt so stark betroffen wie der Durchschnittsösterreicher. Österreichweit
wurden etwas mehr als 3 von 10.000 Erwachsenen zahlungsunfähig.
69% der Unternehmen gegen Insolvenzrechtsreform
Hat man im vergangenen Jahr schon den niedrigsten Stand an Privatinsolvenzverfahren seit 2008 beobachtet, so hat
sich die Entwicklung weiter beschleunigt. Die im neuen Regierungsprogramm lediglich für „redlich gescheiterte
Selbstständige“ angekündigte Regelung des Abschöpfungsverfahrens, das auch bei Null-Prozent Rückzahlung
eine Schuldbefreiung bereits nach drei statt bisher zehn Jahren vorsieht, soll nun für alle zahlungsunfähige/überschuldete
Privatpersonen ab 1. Juli 2017 gelten. Diese Aussicht auf eine „Gratis-Entschuldung“ führte nun seit Ende
Februar zu einem massiven Rückgang an Verfahrensanträgen und –eröffnungen. Das Begutachtungsverfahren
läuft noch bis Anfang Mai.
Eine aktuelle Umfrage von Creditreform unter 4.000 österreichischen KMU zeigt, dass sich 69% der Unternehmen
gegen die Reform ausspre-chen. 85% der Befragten nennen als Hauptursache für die Insolvenz von Privatpersonen
Schwierigkeiten im richtigen Umgang mit Geld bzw. im verantwortungslosen Konsum genannt. Die weiteren Insolvenzursachen
wie Scheidung, Bürgschaftsübernahmen und Arbeitslosigkeit folgen erst danach. Vor allem im urbanen Bereich
findet das Schuldenmachen und die nicht (pünktliche) Begleichung der Außenstände breite gesellschaftliche
Akzeptanz. Dementsprechend sollte sich die geplante Reform auch am Gedanken der Generalprävention und Erziehung
orientieren. Denn unsere Wirtschaftsordnung baut auf dem Vertrauensgrundsatz des „do ut des“ auf: Unternehmen,
die vertragsgemäß ordentlich geliefert und geleistet haben, haben auch einen Anspruch auf Bezahlung
ihrer Ware/Dienstleistung. Eine Aufweichung oder Bagatellisierung der Zahlungsverpflichtungen bzw. Einschränkung
der Rechte und Ansprüche der Gläubiger könnten gravierende Folgen im Wirtschaftsverkehr auslösen.
Durch Zahlungsausfälle bedingte Risikoaufschläge würden zu einem Preisanstieg führen. Auch
würde gerade in wirtschaftlich anspruchsvollen Zeiten die Insolvenzgefährdung der Unternehmen weiter
steigen.
Insolvenzverfahren dienen somit nicht nur zur Bereinigung der finanziellen Situation des Schuldners, sondern beinhalten
auch zu einem gewissen Grad ein Abschreckungspotential. Dazu zählt auch der „Anspannungsgrundsatz“ - der Schuldner
muss alles ihm Mögliche und Zumutbare zur Rückzahlung der Schulden unternehmen - der durch ein Absenken
der Mindestquote entsorgt werden würde.
Ist eine Verkürzung des Abschöpfungsverfahren vor dem Gesichtspunkt der schnelleren Rückführung
des Schuldners in den Wirtschafts- und Konsumkreislauf prinzipiell nicht zu bemängeln, so zeigt die Praxis
allerdings, dass die wenigsten Schuldner vor Ablauf der sieben Jahre die nötigen finanziellen Mitteln aufbringen
können.
Sollte die Reform des Privatinsolvenzrechts umgesetzt werden, so stellt sich die Frage nach der „Waffengleichheit“
im Geschäftsver-kehr. Bis dato können sich Unternehmen aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht
umfassend über die Bonität und Zahlungsfähigkeit ihrer privaten Kunden ausreichend informieren und
entsprechend absichern, insbesondere ist der Zugriff auf die Daten des Exe-kutionsregisters verwehrt. Dazu Weinhofer:
„Unternehmen sind gezwungen mehr oder weniger im blinden Vertrauen an Private zu liefern und zu leisten. Sollte
eine Restschuldbefreiung Privater ohne eine Mindestquote erfolgen, wären Unternehmen schutzlos vor unredlichen,
notorischen Schuldenmachern.“
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