Am 25. April 1917 sandte Max Reinhardt seine „Denkschrift zur Errichtung eines Festspielhauses
in Hellbrunn“ nach Wien.
Salzburg (festspiele) - 2020 wollen die Salzburger Festspiele ihr 100-jähriges Jubiläum mit den
besten Künstlerinnen und Künstlern aus aller Welt, mit wichtigen Werken der Vergangenheit und der Gegenwart
begehen. „Aber eigentlich haben wir schon jetzt allen Anlass dankbar jener zu gedenken, die vor genau 100 Jahren,
im April 1917 trotz Not und Elend des damals tobenden 1. Weltkriegs an die Verwirklichung der Festspielidee in
Salzburg glaubten“, meint Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler.
Am 25. April 1917 übermittelte Max Reinhardt seine „Denkschrift zur Errichtung eines Festspielhauses in Hellbrunn“
von Berlin aus an die Generalintendanz der k. k. Hoftheater in Wien. Eindringlich warb er darin für Festspiele
in Salzburg „als erstes Friedenswerk“. Er hob zudem deren ökonomische Möglichkeiten hervor, um auch jene
als Unterstützer zu gewinnen, denen es weniger um die Kunst als um den wirtschaftlichen Aufschwung für
eine ganze, darniederliegende Region ging. Und er forderte ein Programm auf breiter Basis. Auch das war ein kluger
Schachzug, um die zerstrittenen Lager hinter der Festspielidee zu versammeln. Denn die einen wollten ein Bayreuth
des Theaters, die anderen kämpften für reine Mozart-Festspiele. Max Reinhardt trat „für eine breitere
Grundlage“ ein, auf der alles Platz hatte. Und Hugo von Hofmannsthal ergänzte: „Oper und Theater von beiden
das Höchste“, in die heutige Sprache übersetzt „das Beste“.
Friedenswerk und Qualität als zeitlos aktueller Gründungsauftrag also.
Fast taggleich, am 28. April, reichte der Journalist Heinrich Damisch namens des Vereins „Salzburger Festspielhaus
Gemeinde“ dessen Statuten beim k.u. k. Ministerium des Inneren mit der Bitte um Genehmigung ein.
Am 1. August 1917 fanden sich dann das Wiener und das Salzburger Proponenten Komitee im Richard Wagner Saal im
Musikverein in Wien zur Gründungsversammlung ein.
Und am 7. Dezember hielt auch der Salzburger Verein seine Gründungsversammlung ab.
Wichtige Integrationsfigur in den zwischen Wien und Salzburg immer wieder aufflammenden Konflikten und Eifersüchteleien
war Friedrich Gehmacher, Obmann des Salzburger Vereins und Vizepräsident des Gesamtvereins. Er träumte
damals schon von einer „Weltkunstzentrale“ in Salzburg, ein Traum, der erst 1920 tatsächlich Gestalt anzunehmen
begann, den aber viele mit ihm teilten. Offensichtlich auch die Wiener Philharmoniker und deren Dirigenten.
Zwischen dem 20. Oktober 1918 – bis 3. November befand sich Österreich noch im Kriegszustand, am 11. November
dankte Kaiser Karl ab - und dem 18. Mai 1919 gab die Bläsermusikvereinigung der Wiener Philharmoniker 10
Konzerte, deren Erträge ausschließlich für den Baufonds der Salzburger Festspielhausgemeinde bestimmt
war. Und Richard Strauss, einer der Mitgründer der Salzburger Festspiele war quasi auch unser erster Fundraiser,
sowohl bei Konzerten in Südamerika als bei einem denkwürdigen Circlekonzert am 31. Jänner 1920 in
den Prunkräumen des Finanzministeriums. Dort erklang die Uraufführung seiner Orchestersuite aus Der Bürger
als Edelmann, die die Wiener Philharmoniker vergangenes Jahr unter dem Dirigat von Riccardo Muti bei den Festspielen
zur Aufführung brachten.
„Wenn man die Aufrufe zur Gründung von Festspielen in Salzburg von Max Reinhardt und Hugo von Hofmannsthal
bis zu Gerhart Hauptmann und Bruno Walter liest, wird man dankbar denen gegenüber, die an die Kraft und Macht
von Kunst und Kultur in düstersten Zeiten glaubten“, resümiert Helga Rabl-Stadler.
Ausgewählte Zitate aus der Denkschrift von Max Reinhardt
Neben vielen höchst bedeutungsvollen Erscheinungen, die unsere Zeit uns offenbart, ist auch die bemerkenswerte
Tatsache zu verzeichnen, daß die Kunst, insbesondere die Kunst des Theaters sich in den Stürmen dieses
Krieges nicht nur behauptet, sondern ihr Bestehen und ihre Pflege geradezu als unumgängliche Notwendigkeit
erwiesen hat. Die Welt des Scheines, die man sich durch die furchtbare Wirklichkeit dieser Tage ursprünglich
aus allen Angeln gehoben dachte, ist völlig unversehrt geblieben, sie ist eine Zuflucht geworden für
die Daheimgebliebenen, aber ebenso für viele, die von draussen kommen und auch für ihre Seele Heilstätten
suchten. Es hat sich gezeigt, daß sie nicht nur ein Luxusmittel für die Reichen und Saturierten, sondern
ein Lebensmittel für die Bedürftigen ist.
… denn nicht nur auf der Bühne, sondern auch im Zuschauerraum müssen die Besten sein, wenn das vollkommene
Wunder entstehen soll, dessen das Theater an glücklichen Abenden fähig ist.
So liegt der Gedanke, der populärsten und in der augenblicklichen Wirkung jedenfalls mächtigsten Kunst,
des Theaters, als eines der ersten Friedenswerke, ein Festspielhaus zu errichten, gewissermassen in der Luft und
ist auch in Salzburg, der Stadt, die sich vielleicht ganz besonders dafür eignet, schon mehrfach aufgetaucht.
Die Ausführung dieses Planes würde aber neben dem unschätzbaren Gewinn für die Kunst eine unübersehbare
Fülle praktischer und taktischer Vorteile im Gefolge haben.
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