Salzburg (salzburg research) - Nach einem ersten Gastauftritt (mit Sondergenehmigung) im Herbst 2016 ist Österreichs
erster selbstfahrender Minibus nun ein echter Salzburger. Die erste Station für den Minibus ist die Gemeinde
Koppl im Salzburger Flachgau. Dort finden ab Mai Testfahrten auf öffentlichen Straßen statt. Salzburg
Research ist damit die erste Organisation in Österreich, die eine Testbescheinigung des BMVIT bekommen hat,
um Testfahrten mit einem autonomen Fahrzeug auf öffentlichen Straßen auf Basis der AutomatFahrV durchzuführen.
Unter der Leitung von Salzburg Research werden mit dem Minibus wichtige Fragen rund um automatisierte Mobilität
für die „letzte Meile“ erforscht. Die letzte Meile – der Weg von der Haltestelle zum Wohn- oder Zielort –
ist ein kritischer Aspekt für die Kundenakzeptanz von bestehenden öffentlichen Verkehrsmitteln. Automatisierte
Fahrzeuge könnten in Zukunft diese Lücke schließen.
„Automatisierte Personenmobilität kann für den öffentlichen Verkehr in ländlichen Regionen
Salzburgs zukünftig von großer Bedeutung werden. Mit dem Digibus können sowohl Betreiber wie auch
Fahrgäste die neue Technologie hautnah kennenlernen und intensiv testen. Mit dem Know-how von Salzburg Research
haben wir die Gestaltung der zukünftigen Mobilität im Bundesland Salzburg selbst in der Hand und werden
nicht von Interessen Dritter überholt“, sagt Salzburgs Verkehrslandesrat Hans Mayr.
„Bis automatisierte Minibusse völlig fahrerlos 24 Stunden und 7 Tage pro Woche im Regelbetrieb fahren können,
sind noch viele Fragen zu beantworten“, sagt Karl Rehrl, Forschungsleiter für intelligente Mobilität
bei Salzburg Research. „Mittelfristig steht der Digibus vor allem der angewandten Forschung zu Verfügung.
In einem ersten Schritt wollen wir die Technologie im Rahmen von Testfahrten evaluieren, um sie systematisch mit
Partnern weiterzuentwickeln. Wir werden aber auch immer wieder Testfahrten für interessierte Fahrgäste
anbieten, um Akzeptanz und persönliche Erfahrungen zu erforschen.“
Erste Station: Koppl – die letzte Meile
Die erste Station des selbstfahrenden Minibusses ist Koppl, eine Gemeinde im Salzburger Flachgau. Der Ort ist
ein typisches Beispiel für die sogenannte letzte Meile: Das Ortszentrum ist ca. 1,4 km von der B 158 und damit
von der Linie 150 (Salzburg – Bad Ischl) des Salzburger Verkehrsverbundes entfernt.
„Aus der Forschung wissen wir, dass diese Entfernung – die so genannte „letzte Meile“ – oft eine große Hürde
ist, das vorhandene öffentliche Verkehrsmittel tatsächlich zu nutzen. Mit automatisierten Fahrzeugen
als Zubringer könnte diese Lücke effektiv geschlossen und damit der öffentliche Verkehr attraktiver
werden“, sagt Karl Rehrl.
„Wir freuen uns, dass Koppl zur ersten Station des selbstfahrenden Minibusses erkoren wurde. Zwischen Bundesstraße
und Zentrum fährt zwar der Zubringerbus der Linie 152 – aus wirtschaftlichen Gründen aber nur sehr selten.
Ein selbstfahrendes Fahrzeug könnte die Lücke für die weniger rentable Zeit schließen“, sagt
Bürgermeister Rupert Reischl. In einem gemeinsamen Workshop wurde bereits mit der Koppler Bevölkerung
gearbeitet, Meinungen und Befürchtungen eingeholt sowie zahlreiche weitere Szenarien erarbeitet, für
die ein selbstfahrender Minibus eine Lösung darstellen könnte.
Den selbstfahrenden Minibus ausprobieren
Gemäß Automatisiertes Fahren Verordnung des BMVIT dürfen mit dem selbstfahrenden Minibus vorerst
nur Testfahrten durchgeführt werden. Interessierte können den Minibus in Koppl jedoch an öffentlichen
Testtagen kostenlos ausprobieren.
- Wo: Der Digibus fährt als Zubringer zwischen Koppl Sperrweg (Bundesstraße
158, nähe Haltestelle Koppl-Sperrbrücke) und dem Gemeindezentrum von Koppl.
- Wann: Wann genau der Bus fahren wird, hängt vom Testverlauf ab und wird
rechtzeitig auf http://www.digibus.at bzw. via Twitter/Facebook kommuniziert.
Auflagen des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie: Der Bus fährt vollständig
autonom mit einer maximalen Geschwindigkeit von 20 km/h auf öffentlichen Straßen. Eine geschulte Lenkerin
bzw. ein geschulter Lenker sind bei allen Testfahrten ständig an Bord und können bei Gefahrensituationen
jederzeit eingreifen. Während des Testzeitraumes dürfen Personen ausschließlich auf den vorgesehenen
Sitzplätzen und nicht gewerblich befördert werden.
Die nächsten Stationen des selbstfahrenden Minibusses
Der Digibus bleibt bis auf weiteres im Bundesland Salzburg und wird in den kommenden Monaten in verschiedenen
Einsatzorten auf Herz und Nieren getestet. Die weiteren Stationen werden sowohl öffentliche wie auch abgesperrte
Strecken umfassen. In einer Kooperation mit dem ÖAMTC sollen beispielsweise spezifische Testszenarien in den
ÖAMTC-Fahrtechnikzentren erprobt werden. Auch der Salzburg Ring soll als abgesperrte Teststrecke für
die Erprobung von Testszenarien genutzt werden. Weitere öffentliche Teststrecken sind in Planung.
„Derzeit ist es für uns wichtig, dass wir unterschiedliche Teststrecken zur Verfügung haben, um gezielt
spezifische Fahrsituationen zu testen, aber auch um praktische Erfahrungen mit der Technologie im realen Einsatz
zu sammeln. Eine Mischung aus abgesperrten und öffentlichen Teststrecken ist daher notwendig“, sagt Karl Rehrl.
Salzburger Testumgebung für automatisierte Mobilität
Die Testfahrten mit einem selbstfahrenden Minibus sind ein erster Baustein einer geplanten Salzburger Testumgebung
für automatisierte, lokale Mobilität. Die Testumgebung soll digitale und physische Testinfrastrukturen
bereitstellen, um selbstfahrende Fahrzeuge für den öffentlichen Personennahverkehr im Test- und Realbetrieb
auf Herz und Nieren zu prüfen bzw. systematisch weiterzuentwickeln.
„Die Frage ist nicht mehr, ob die automatisierte Mobilität kommt, sondern wie wir automatisierte Mobilität
zukünftig gestalten, um ein effizientes, umweltverträgliches und leistbares Mobilitätssystem zur
Verfügung zu stellen. Eine offene Testumgebung ermöglicht ein gemeinsames Lernen für alle Beteiligten,
um offene Fragen rund um automatisierte Mobilität in den kommenden Jahren zu beantworten und damit eine gezielte
Entwicklung zu ermöglichen bzw. Entscheidungsgrundlagen zu schaffen“, sagt Karl Rehrl.
Offene Forschungsfragen sind z.B.:
- Gestaltung des Mobilitätssystems: Wie können sich automatisierte Fahrzeuge
sinnvoll in bestehende (öffentliche) Verkehrssysteme einfügen? Wie sollen/müssen diese Systeme zukünftig
gestaltet werden?
- Mensch-zu-Maschine-Kommunikation: Im täglichen Verkehrsgeschehen passiert
viel Kommunikation von Mensch zu Mensch. Das betrifft z.B. die Fahrgastkommunikation: Wie interagiert der Bus mit
seinen Fahrgästen, wenn kein Fahrer im Wagen ist (und in Zukunft keine Begleitperson mehr mitfährt)?
Wie funktioniert die Kommunikation mit anderen Verkehrsteilnehmern? Wie erkennt z.B. der Bus, dass ein anderer
Autofahrer dem Bus Vorfahrt gewährt?
- Maschine-zu-Maschine-Kommunikation: Wie kommuniziert der Bus mit anderen Fahrzeugen?
Wie mit der Infrastruktur wie beispielsweise Ampeln?
- Besondere Verkehrssituationen: Wie kommt der Bus mit großen Steigungen
und bei wechselnden Untergrundsituationen (Nässe, Schnee, Eis etc.) zurecht? Was passiert, wenn sich Gegenstände
auf der Fahrbahn befinden?
- Soziale Faktoren: Wie sicher fühlen sich die Fahrgäste? Usw.
Für den Vollausbau der Testumgebung ist geplant, auch andere Minibusse von anderen Herstellern nach Salzburg
zu holen. Interessierte Unternehmen, Forschungseinrichtungen, öffentliche Organisationen sind eingeladen,
die Testumgebung für eigene Testversuche oder Forschungsfragen zu nutzen.
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