Die Wahl in Frankreich, dem fünftgrößten Exportpartner Österreichs, hat
bedeutenden Einfluss auf die heimische Wirtschaft.
Paris/Wien (coface) - Die Experten von Coface, einem der führenden internationalen Kreditversicherer,
sehen bei der Präsidentschaftswahl in Frankreich zwar einen Sieg von Emmanuel Macron, er erreicht jedoch keine
Mehrheit im Bundesrat und keine Koalition. Das laut Coface Ökonomen weniger wahrscheinliche, aber dennoch
mögliche Szenario, ist der Wahlsieg von Rechtspopulistin Marine Le Pen. Dieser Ausgang und die damit verbundenen
politischen und rechtlichen Einschränkungen aufgrund des Frexit hätten eine stärkere Auswirkung
auf die Wirtschaftstätigkeit des Landes.
Coface hat zwei Szenarien als Folge auf den Sieg von Marine Le Pen bewertet. Schafft es die Partei Front National
keine Mehrheit und keine Koalition zu bilden, ist Marine Le Pen auf sozioökonomischer Ebene handlungsunfähig
und kann somit auch nicht die Verfassung ändern. Diese politische Krise könnte allerdings die Unsicherheit
im Land erhöhen und Neuwahlen auslösen. Im Falle, dass die Rechtspopulistin die Mehrheit erhält
oder die Front National es in eine Koalition schafft, würde die gewählte Präsidentin immer noch
vor rechtlichen Hürden bei der Umsetzung eines Referendums über die EU-Mitgliedschaft stehen. Denn laut
französischer Verfassung ist das Unterlaufen eines internationalen Vertrags nicht zulässig.
Der Ausstieg aus der EU würde in erster Linie eine Änderung der französischen Verfassung mit sich
bringen. Dieser Schritt würde, ähnlich dem Prozess in Großbritannien nach dem Referendum, einen
politischen Unsicherheitsschock auslösen und das französische BIP-Wachstum im Jahr 2017 auf 0,6% senken,
sowie die Insolvenzen der Unternehmen von -1,0% auf 1,1% erhöhen (dies entspricht einer Differenz der Passiva
von rund EUR 75 Mio.). Die langfristigen Konsequenzen (drei bis fünf Jahre) eines Frexit hätten einen
noch größeren Einfluss auf das Wirtschaftswachstum mit einem Anstieg der Unternehmensinsolvenzen um
25% bis 30%. Dies wäre auf eine niedrigere nationale Währung, einer höheren Inflation, strengeren
Kreditbedingungen und einem zunehmenden Protektionismus zurückzuführen. Im schlimmsten Fall würde
dieser Prozess viel schneller als erwartet eintreten. Wenn Marine Le Pen die Wahl gewinnt, ist ein Anstieg der
Staatsanleihen im zweiten Halbjahr 2017 in Zusammenhang mit massiven Abhebungen von Bankeinlagen möglich.
Der Bankensektor würde unter höheren Staatsanleihen und niedrigeren Einlagen leiden. Prozyklische Sektoren
(Gebrauchsgüter) und von Bankfinanzierungen abhängige Sektoren, wie Bau und Automobil, sind stärker
betroffen als andere. In weiterer Folge würden bei einem Frexit Branchen, die Produkte importieren (wie zum
Beispiel die Bauindustrie) unter der niedrigeren Währung und konsumnahe Branchen unter der steigenden Inflation
leiden. Exporte, die durch die schwächere Währung Antrieb erhalten würden, werden wiederum durch
höhere Zolltarife und andere Handelsbarrieren gedämpft.
Frankreich ist mit einem Volumen von rund EUR 5,8 Mrd. (2015) der fünftgrößte Exportpartner Österreichs,
daher hätte das Eintreten eines Frexit bedeutende Auswirkungen auf die heimische Wirtschaft. Allen voran würde
der Gebrauchsgüterbereich samt Automobilbranche darunter leiden. Die Ausfuhr von Fahrzeugen beträgt derzeit
8,8% (rund EUR 506 Mio.) der österreichischen Gesamtexporte nach Frankreich, 15% (ca. EUR 863 Mio.) der Ausfuhren
sind Maschinen. Zudem nimmt der Export von Rohstoffen, die in der Endproduktion (beispielsweise in der Baubranche)
eingesetzt werden, einen beträchtlichen Anteil ein. Weitere Exporte sind organische Chemikalien (18%), Kunststoff
(6,6%), Eisen, Stahl und ähnliche Produkte (6%), Holz (2,7%) und Aluminium (1,9%).
„Allein die steigende Inflation und das geringere Haushalts- und Geschäftssentiment würden die Gesamtausfuhren
nach Frankreich negativ beeinflussen. Dies hätte eine Auswirkung auf eine Reihe von österreichischen
Unternehmen und Branchen, ganz zu schweigen von der theoretischen Konsequenz einer schwächeren neuen französischen
Währung“, so Michael Tawrowsky, Country Manager Coface Austria. „Auf lange Sicht gesehen müssen wir mit
Konsequenzen sowohl im Makroökonomischen als auch im Geschäftsumfeld in Frankreich rechnen, was auch
die Handelsbeziehungen zwischen Österreich und Frankreich beeinflusst.“
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