IV-GS Neumayer: Zuversicht, aber keine Jubelstimmung – Regierungsprogramm rasch umsetzen –
IV-Chefökonom Helmenstein: Gute Kapazitätsauslastung und Beschäftigungsimpuls im Inland
Wien (pdi) - „Ein doppelt positives Zusammentreffen konjunktureller Faktoren kennzeichnet das erste Quartal
2017“, erklärte IV-Generalsekretär, Mag. Christoph Neumayer, in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit
IV-Chefökonom Dr. Christian Helmenstein bei der Vorstellung der Resultate des aktuellen Konjunkturbarometers
aus dem 1. Quartal 2017 am 20.04. Zum einen habe das internationale Konjunkturgeschehen nach einer mehrjährigen
Phase laufender Unterschreitungen der Prognosen für die globale Wirtschaft in den letzten Monaten Fahrt aufgenommen.
Exemplarisch bringt dies die wachsende Anzahl der Tigerstaaten, also von Ländern mit einem Wirtschaftswachstum
von mindestens vier Prozent, zum Ausdruck, welche sich von 53 im Vorjahr auf rund 75 im kommenden Jahr erhöhen
wird. Dementsprechend ist der jahrelang eher verhaltene Verlauf des Welthandels seit einigen Monaten von einer
deutlichen Beschleunigung abgelöst worden. Zugleich wirken die expansive Geldpolitik der Europäischen
Zentralbank und eine aus heimischer Sicht nach wie vor günstige Wechselkursrelation weiterhin unterstützend.
Zum anderen habe Österreich die fünf Jahre andauernde Quasi-Stagnationsphase überwunden. Die Wettbewerbsfähigkeit
der österreichischen Unternehmen hat in den letzten Jahren unter der Erosion der Standortbedingungen ebenso
gelitten wie unter dem Vertrauensverlust in die Verlässlichkeit der Rahmenbedingungen – beides habe zur Investitionszurückhaltung
geführt. „Mit dem Update des Regierungsprogramms wurde eine zuversichtlicher stimmende Richtung eingeschlagen“,
so IV-Generalsekretär Neumayer, „wenngleich wir auch besorgniserregende Rückschläge wie das investitionshemmende
Urteil zum Ausbau des Flughafens Wien erleben müssen“. Dennoch habe die sich zuletzt bei zahlreichen internationalen
Rankings abzeichnende Stabilisierung der Standortbedingungen in Österreich bereits genügt, etwas mehr
konjunkturelles Momentum freizusetzen. „Aus einer zunächst zögerlichen Erholung hat sich ein konjunktureller
Aufschwung für Österreich entwickelt, der die gesamte erste Jahreshälfte prägen wird“, so Christian
Helmenstein, „allerdings könnten jederzeit einzelne oder sogar mehrere aus der enormen Zahl geopolitischer
Risken schlagend werden, was die Dauerhaftigkeit des Aufschwungs ab der zweiten Jahreshälfte gefährden
würde“.
Zunächst jedoch würden die Vorteile einer multipolaren Welt mit einer Schar von Wachstumszentren dominieren
– angefangen von Indien und China über die Vereinigten Staaten und Australien bis zu der allmählich wieder
erstarkenden Eurozone – das Geschehen. Dass selbst mehrere simultan auftretende Wachstumsausfälle und rücksetzer,
etwa in Brasilien, Russland und der Türkei, überkompensiert werden, unterstreiche die gegenwärtige
Robustheit des globalen Konjunkturaufschwunges. Von zentraler Bedeutung, um die wirtschaftlichen Perspektiven Österreichs
weiter zu verbessern, seien Fortschritte in folgenden Handlungsfeldern: erstens die Wiedergewinnung des Vertrauens
in die Planbarkeit der Standortbedingungen und die Machbarkeit von Investitionsprojekten. Zweitens der Abbau von
Bürokratie und Überregulierung sowie die Senkung der Steuer- und Abgabenlast.
Die Ergebnisse im Detail
Das IV-Konjunkturbarometer, welches als Mittelwert aus den Beurteilungen der gegenwärtigen Geschäftslage
und der Geschäftslage in sechs Monaten bestimmt wird, legt nochmals von +29 Punkten auf +34 Punkte zu. Mit
diesem Sechs-Jahres-Hoch des IV-Indikators – noch bessere Werte wurden zuletzt im Sommer 2011 verzeichnet – hält
der Konjunktursommer in Österreich Einzug.
Für einen robusten Aufschwung der heimischen Industrie spricht erstens die günstige Konstellation, dass
zum ersten Mal seit drei Jahren während zwei aufeinander folgender Quartale sowohl der Indikator der aktuellen
Geschäftslage (+48 Punkte nach +41 Punkten) als auch jener der Geschäftserwartungen (+21 Punkte nach
+17 Punkten) nach oben weist. Zweitens hat der Aufschwung an Breite gewonnen – nur noch jedes siebenunddreißigste
Unternehmen berichtet von einer schlechten Geschäftslage, während selbiges noch vor einem halben Jahr
auf jedes neunzehnte Unternehmen zutraf. Dennoch findet sich drittens keine Spur von Jubelstimmung, die auf ein
konjunkturelles Überschießen hindeuten könnte. Denn auf Sicht von sechs Monaten schätzen unverändert
drei Viertel der Respondenten aus der Industrie den Geschäftsgang als gleichbleibend ein, während sich
der Anteil der Optimisten, die eine weitere Verbesserung erwarten, zu Lasten der Pessimisten kaum mehr, nämlich
um nur noch zwei Prozentpunkte, erhöht hat.
Die Entwicklung der Gesamtauftragsbestände deutet eine Fortsetzung des Aufschwunges zumindest bis in den Sommer
hinein an. Zum nunmehr dritten Mal in Folge nach zuvor fünf Quartalen mit konsekutiven Rückgängen
nehmen diese abermals von +46 Punkten auf +52 Punkte zu. Im Gleichlauf weiten sich auch die Auslandsaufträge
aus, die von +42 Punkten auf +48 Punkte zulegen. Die Auftrags¬reichweite liegt damit nach geraumer Zeit wieder
auf einem Niveau, welches einen zunehmenden Anteil von Erweiterungsinvestitionen erwarten lässt. Sofern sich
die politischen Risken nicht weiter verschärfen und die Ertragsperspektiven intakt bleiben, lässt diese
Konstellation einen verstärkt investitionsgetragenen Aufschwung in Österreich erwarten.
Nach der infolge einer anziehenden Auftragslage deutlichen Expansion der Produktionstätigkeit im Vorquartal
nehmen die Unternehmen das Tempo ihrer Produktionsausweitung nunmehr leicht zurück. Der saisonbereinigte Wert
auf Sicht eines Quartals geht von +22 Punkten auf +20 Punkte zurück. Die Aufhellung des Stimmungsbildes wirkt
sich bei der Einstellungsneigung der Unternehmen am stärksten aus. Der Saldo für den Beschäftigtenstand
erhöht sich sprunghaft von +7 Punkten auf +25 Punkte. War im Vorquartal ein im Vergleich zum konjunkturellen
Momentum eher unterkühlter Befund festzustellen, wurde diese Lücke nunmehr geschlossen. Der über
die letzten Jahre hinweg aus Sorge vor einem Mangel an qualifizierten Arbeitskräften nicht konjunkturkonforme,
systematisch leicht überhöhte Beschäftigtenstand wurde durch den einsetzenden Aufschwung im Vorquartal
absorbiert, sodass nunmehr knapp jedes dritte Unternehmen zusätzliche Beschäftigte aufzunehmen plant.
Abseits statistischer Effekte im Kontext der Flüchtlingsmigration sollte daher nicht nur die Beschäftigung
in Österreich in den kommenden Monaten weiter zunehmen, sondern auch die Arbeitslosigkeit spürbar zurückgehen.
Bei der Entwicklung der Verkaufspreise halten einander widerstreitende Einflüsse derzeit weitgehend die Waage.
Zwar schlagen sich die international vorhandenen Überkapazitäten weiterhin in einem hohen Preisdruck
bei industriell erzeugten Produkten nieder, doch steigende Marktnotierungen für Industrierohstoffe erzwingen
eine Kostenüberwälzung, sodass ein Saldo von +4 Punkten resultiert. Die Ära fallender Verkaufspreise
für Industrieprodukte ist somit zumindest vorübergehend Geschichte. Unter Berücksichtigung des entsprechenden
zeitlichen Nachlaufs werden Industriegüter folglich ihren dämpfenden Einfluss auf den in jüngerer
Zeit vor allem administrativ bedingten Preisauftrieb bei Konsumgütern in Österreich allmählich verlieren.
Der Saldo der Ertragslage verharrt bei +27 Punkten nach zuvor +26 Punkten und damit auf einem Niveau, was schon
seit einem halben Jahr unverändert vorherrscht. Positive Entwicklungen bei den Absatzmengen einerseits werden
durch negative Entwicklungen bei den nicht zur Gänze überwälzbaren Kostensteigerungen bei Vorprodukten
andererseits kompensiert, während hohe administrative Belastungen fortbestehen, sodass ohne Änderungen
in den Umfeldbedingungen ein Ertragsplafond erreicht zu sein scheint. In dieselbe Richtung weisen die Ertragserwartungen,
welche sich zwar in noch positivem Terrain (Saldo +5 nach zuvor +7 Punkten) befinden, aber zuletzt wieder gegen
die Nulllinie tendierten.
Die IV-Konjunkturumfrage: Zur Befragungsmethode
An der jüngsten Konjunkturumfrage der Industriellenvereinigung beteiligten sich 424 Unternehmen mit rund
261.400 Beschäftigten. Bei der Konjunkturumfrage der IV kommt die folgende Methode zur Anwendung: den Unternehmen
werden drei Antwortmöglichkeiten vorgelegt: positiv, neutral und negativ. Errechnet werden die (beschäftigungsgewichteten)
Prozentanteile dieser Antwortkategorien, sodann wird der konjunktursensible „Saldo“ aus den Prozentanteilen positiver
und negativer Antworten unter Vernachlässigung der neutralen gebildet.
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