Österreichs Familienbild ist wieder traditioneller

 

erstellt am
18. 04. 17
13:00 MEZ

Wien (fwf) - Trotz Kinderwunsch haben immer mehr Familien weniger Kinder als sie wollen. Den Ursachen dieser Entwicklung sind aktuell Wiener Demografinnen und Demografen auf der Spur und sehen dabei den Trend zurück zum traditionellen Rollenbild von Frauen und Männern. „Was uns überrascht hat ist, dass sich Österreich auf dem Weg der Retraditionalisierung befindet“, sagt Isabella Buber-Ennser vom Institut für Demographie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Die Demografin wertet aktuell Daten zu Aspekten rund um das Thema Familienplanung aus. Im Fokus ihrer Studie steht die Frage nach der Realisierung von Kinderwünschen.

„Bei den Müttern sind heute wieder mehr in Teilzeitbeschäftigung als noch vor 20 oder 25 Jahren“, so die Wissenschafterin zur traditionellen Rollenaufteilung in der Familie. Nach wie vor ist das Thema Vereinbarkeit auf die Frauen konzentriert. Und obwohl heute mehr Frauen beschäftigt sind als früher, ist der Anteil an Teilzeitjobs hoch. Selbst bei höher gebildeten Frauen zeigt sich dieser Trend, so die Ergebnisse von Caroline Berghammer und Bernhard Riederer, die im Projekt mitarbeiten. Grundsätzlich gilt, wer vor der Geburt bereits in Teilzeitbeschäftigung war, bleibt es auch danach. Selbst wenn die Kinder bereits älter sind, bleiben 64 Prozent teilzeitbeschäftigt. Längerfristig sei das durchaus kritisch zu sehen, warnt Buber-Ennser mit Blick auf die Pension und ein steigendes Armutsrisiko bei Frauen. Als Faktoren für diese Entwicklung macht die Demografin zum einen die Vereinbarkeit von Beruf und Familie aus, zum anderen seien die Werte und Normen in Österreich, wie übrigens auch in Deutschland, im internationalen Vergleich sehr traditionell.

Für ihre derzeit laufenden Untersuchungen hat ein Team um Buber-Ennser in einem vom Wissenschaftsfonds FWF geförderten Projekt wertvolles empirisches Material zur Verfügung. Denn erstmals seit 30 Jahren liegen für Österreich mit dem „Generations and Gender Survey (GGS)“ Daten vor, die einen Vergleich aus zwei Befragungsrunden mit denselben Personen ermöglichen: 3.000 Frauen und 2.000 Männer wurden im Jahr 2009 und erneut vier Jahre später zu Faktoren befragt, die Familienentscheidungen beeinflussen.

Realisierung des Kinderwunsches
Noch relativ neu ist, dass die Forschung den Fokus auf die Paarperspektive und Lebensverläufe richtet, schließlich sind Kinder nicht nur eine Angelegenheit der Frauen. Drei Aspekte sind dementsprechend auch in dem FWF-Projekt zentral: Die Interaktion zwischen den Partnern, Verhütung und die Partnerschaftssituation im Laufe des Lebenszyklus. „Das sind die drei Dimensionen, die bei der Realisierung von Kinderwünschen wirken, sowohl für die insgesamt gewünschte Kinderzahl als auch für den unmittelbaren Kinderwunsch“, erklärt Buber-Ennser von der Akademie der Wissenschaften.

Zwischen 2009 und 2013 hat die durchschnittlich gewünschte Kinderzahl der Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer um 0,2 Kinder abgenommen: Wünschten sich 2009 Frauen und Männer im Schnitt 2,1 Kinder, waren es in der Wiederbefragung 2013 1,9 Kinder. Den Plan, innerhalb der nächsten drei Jahre ein Kind zu bekommen, setzten 43 Prozent der Befragten um. Dabei zeigten sich Unterschiede nach Alter und Geschlecht. Bis Mitte 30 realisierte die Hälfte der Frauen ihren Kinderwunsch. Bei Männern stieg der Realisierungsgrad von einem Viertel auf die Hälfte an und ist auch im Alter ab 40 Jahren mit einer Quote von 23 Prozent hoch, während nur sehr wenige der 40- bis 44-jährigen Frauen, die ein Kind planten, tatsächlich eines bekamen.

Aufteilung von Betreuung und Haushaltsarbeit
Frauen, die bereits ein Kind haben und mit der Aufteilung der Kinderbetreuung zufrieden sind, wünschen sich öfter ein Kind. Auch die Mithilfe des Partners in der Hausarbeit ist hier ein wichtiger Faktor. Paare wünschen sich dann eher ein Kind und realisieren das auch. „Wenn man das jedoch multivariat (gemeinsam mit anderen Variablen, Anm.) ansieht, dann ist hier erstaunlicherweise nur ein ganz geringer Effekt festzustellen“, sagt Buber-Ennser. Dieses Ergebnis wollen die Forscherinnen und Forscher am Institut für Demographie nun mit internationalen Daten vergleichen.

Fortgeschrittenes Alter und Forschungsziele
Die Geburtenrate (genauer: Gesamtfertilitätsrate) war lange Zeit bei 1,4 Kindern, stieg in den letzten Jahren auf 1,5 an, und ist nach wie vor niedrig in Österreich. Der sogenannte Tempoeffekt spielt eine nicht unwesentliche Rolle. Das bedeutet, dass Frauen zunehmend später Kinder kriegen und die Geburtenraten damit erst nach einigen Jahren anziehen, wie das etwa aktuell in Spanien markant der Fall ist.

„Der Kinderwunsch und der Familienkontext, in dem dieser entsteht, sind wesentlich zum Verständnis der Tatsache, dass Familien weniger Kinder haben als sie eigentlich wollen“, so Buber-Ennser zu ihrem Forschungsinteresse. Das Ziel der Demografinnen ist es, anhand der Daten verschiedene Aspekte für Österreich auch im internationalen Vergleich zu analysieren. Ihren Fokus wollen die Demografinnen künftig noch stärker auf Aspekte der Partnerschaft und die späte Phase der Reproduktivität im europaweiten Vergleich richten und damit mögliche Wege in der Familienpolitik aufzeigen.

Zur Person
Isabella Buber-Ennser ist stellvertretende Leiterin der Forschungsgruppe „Demographie Österreichs“ am Institut für Demographie (VID) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften unter dem Dach des „Wittgenstein Centre for Demography and Global Human Capital“. Sie forscht zu Fertilität und Familie, Migration und Aspekten des Alterns.

 

 

 

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