Das 38. Internationale Wiener Motorensymposium wurde eröffnet: 1000 Experten erörtern
rasante Fortschritte der Automobiltechnik und Mobilitätsstrategien für morgen
Wien (oevk) - Mit den Keynote-Vorträgen von vier Spitzenmanagern der globalen Automobil- und Zulieferindustrie
wurde am 27.04. das 38. Internationale Motorensymposium im Kongresszentrum Hofburg Wien eröffnet. Mehr als
1000 Motorenexperten, Forschungs- und Entwicklungstechniker und Wissenschaftler aus aller Welt, diskutieren im
Rahmen des zweitägigen Symposiums brennende Fragen der Mobilität. Erörtert werden in mehr als 40
Fachvorträgen die rasanten Fortschritte des Stands der Technik sowie beeindruckende Lösungspotenziale
für zukünftige Mobilitätsstrategien. Das 38. Internationale Wiener Motorensymposium wird vom Österreichischen
Verein für Kraftfahrzeugtechnik (ÖVK) und von der Technischen Universität Wien (Institut für
Fahrzeugantriebe und Automobiltechnik) veranstaltet und es macht deutlich: Die Autoindustrie forscht mit Hochdruck
an Lösungen für eine bessere Zukunft.
Audi: „Pilotiert, emissionsfrei, vernetzt: Umbau einer Premiummarke zur Digital Car Company“
Der Audi der Zukunft pilotiert selber. Er fährt emissionsfrei, mit synthetischen, nicht-fossilen Kraftstoffen
oder elektrisch dank Batterie oder Brennstoffzelle. Den Passagieren steht eine Online-Plattform im Auto zur Verfügung,
über die sie ihren digitalen Alltag beruflich wie privat organisieren können: produktiv arbeiten und
etwa Videokonferenzen abhalten, sich entspannen und eine Netflix-Serie anschauen, oder während der autonomen
Fahrt einfach schlafen. Utopie? Für Audi-Chef Prof. Rupert Stadler ist das alles realistisch. In seinem Vortrag
zur Eröffnung des Internationalen Wiener Motorensymposiums 2017 beleuchtete er, wie er die Premiummarke Audi
zur Digital Premium Car Company transformieren und damit das heutige Bild des Automobils revolutionieren möchte.
Noch in diesem Jahrzehnt werden erste Gesetzgeber die nächste Stufe auf dem Weg zum autonomen Fahren erlauben
und neben den derzeitigen teilautomatisierten Fahrerassistenzsystemen auch hochautomatisierte Systeme ermöglichen,
erwartet Audi. Sobald in den größten Märkten die rechtlichen Grundlagen geschaffen sind, wird Audi
diese dritte Stufe der Automatisierung einführen, kündigte Prof. Stadler an. Dazu ist ein international
weitgehend harmonisiertes Verkehrsrecht erforderlich. Vorreiter hierfür sind in der EU vor allem Österreich,
Deutschland und Schweden und in den USA die Staaten Florida und Kalifornien, sagte der Audi-Chef.
Am Ende des Weges steht jedenfalls ein autonomes System, das gänzlich ohne Fahrer auskommt – auf allen Straßentypen,
in allen Situationen. Ohne Lenkrad und Pedale. Basis dafür sind selbstfahrende Systeme, die Audi seit heuer
in einer eigenen Gesellschaft, der Autonomous Intelligent Driving GmbH, entwickeln lässt.
Antriebstechnisch setzt Audi auf emissionsfreies Fahren. Bis 2020 verfügt Audi über drei Elektroautos
in seinem Programm: Auf den neuen Audi e-tron folgt 2018 der Audi e-tron Sportback und 2020 ein Premium-Elektroauto
im Kompaktsegment. Ab 2021 wird Audi sukzessive alle Kernbaureihen elektrifizieren, kündigte Prof. Stadler
an, der damit rechnet, dass im Jahr 2025 jedes dritte ausgelieferte Auto einen teil- oder vollelektrischen Antrieb
haben wird. „Das Auto der Zukunft muss emissionsfrei sein“, ist Stadler überzeugt. So ist für Audi etwa
Wasserstoff als Energieträger der nächste große Schritt auf der Elektrifizierungs-Roadmap.
Nissan: Variable Verdichtung und höherer Wirkungsgrad verlängert Leben der Verbrennungsmotoren
um weitere 100 Jahre
Für eine „strategische Zukunft des Powertrains von Morgen“ erscheint Toshihiro Hirai, Alliance Global
Director und Corporate Vice President, Nissan Motor Co., eine zweigleisige Vorgehensweise nötig: Die Verbreitung
von emissionsfreien Fahrzeugen, also Elektroautos samt Infrastruktur, sowie die Verbesserung der Effizienz von
Verbrennungsmotoren. Bis 2025 soll laut Hirai ein Viertel der Nissan-Produktion auf emissionsfreie Fahrzeuge entfallen,
gleichzeitig werde am Wirkungsgrad der Verbrennungsmotoren gearbeitet. Die thermische Effizienz der Verbrenner
werde sich durch den Generationswechsel noch vor 2020 auf 40 Prozent verbessern, aber der Weg zu Wirkungsgraden
von 45 Prozent und darüber hinaus sei bereits erkennbar, etwa durch Magerverbrennungsprozesse wie Abgasrückführung
mit Auflader oder Magermotor mit Auflader. Als Beispiel für neuartige Innovationen bei Verbrennungsmotoren
präsentierte Toshihiro Hirai den von Nissan für die eigene Premiummarke Infiniti neu entwickelten „VC-Turbo“.
Bei diesem Vierzylinder-Aggregat wurde erstmals eine stufenlos variable Verdichtung in Serie gebracht, eine Innovation,
durch die bisher vorhandene physikalische Hindernisse überwunden wurden und Verbrennungsmotoren ein Entwicklungspotenzial
für weitere 100 Jahre erworben hätten, betonte der Nissan-Experte.
Bosch: Wie anspruchsvolle Klimaziele erreicht werden können
Aus der Sicht eines globalen Zulieferers betrachtete Dr. Rolf Bulander, Bosch-Geschäftsführer und
Vorsitzender des Unternehmensbereichs Mobility Solutions, den Beitrag verschiedener Antriebskonzepte zur Erreichung
anspruchsvoller Klimaziele. Zusammenfassend machte Dr. Bulander deutlich, dass gerade im Segment des Straßenverkehrs
alle technologischen Potenziale ausgereizt werden müssten, um eine Begrenzung der globalen Erwärmung
auf +2°C zu erreichen. Hierzu liefere nicht nur die Elektromobilität und langfristig gesehen die Brennstoffzelle,
sondern insbesondere ein maximal effizienter Verbrenner einen entscheidenden Beitrag. Mit modernsten Verbrennungsmotoren
sei es möglich, nicht nur die CO2-Emissionen entscheidend zu reduzieren, sondern gleichzeitig die Immissionsgrenzwerte
auch in Großstädten unter realen Fahrbedingungen einzuhalten, betonte der Manager.
ZF Friedrichshafen: E-Anteil wird in der nächsten Dekade die 50%-Marke überschreiten
Die Automobilindustrie stehe vor gewaltigen Veränderungen. Ein neues Mobilitätsverständnis bringe
neue Mobilitätskonzepte hervor. Fahrerlose und vernetzte Fahrzeuge abseits traditioneller Fahrzeugkonzepte
und -Architektur, würden in den Markt drängen: So skizzierte Dr. Stefan Sommer, Vorstandsvorsitzender
des Technologiekonzerns und Autozulieferers ZF Friedrichshafen, seine Sicht auf das Spannungsfeld neuer Fahrzeugkonzepte
und regulatorischer Anforderungen. Der Weg in die Elektromobilität werde maßgeblich durch gesetzliche
Vorgaben beschleunigt, der Anteil elektrifizierter Antriebe werde bei steigender Fahrzeugpopulation in der nächsten
Dekade die 50%-Marke überschreiten. Derzeit könne sich niemand auf eine einzelne Antriebslösung
fokussieren, so wie sie der Verbrennungsmotor für fast hundert Jahre dargestellt hat.
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