Regierung kann Wahlkampfauftritte ausländischer PolitikerInnen künftig verbieten
Wien (pk) - Die Regierung kann Wahlkampfauftritte ausländischer PolitikerInnen in Österreich künftig
unter bestimmten Voraussetzungen verbieten. Der Nationalrat hat am 26.04. eine entsprechende Novelle zum Versammlungsgesetz
beschlossen, die generell eine Einschränkung des Demonstrationsrechts für Nicht-EU-BürgerInnen bringt.
Außerdem wird die Frist für die Anmeldung einer Versammlung von 24 auf 48 Stunden verlängert und
eine Schutzzone rund um Versammlungen eingeführt. Bis zu 150 Meter kann der Puffer zwischen Demonstrationen
und Gegendemonstrationen künftig betragen. Weiter massive Kritik äußerte die Opposition, Grün-Abgeordneter
Albert Steinhauser erwägt, gemeinsam mit der FPÖ und den NEOS den Verfassungsgerichtshof anzurufen.
Unmittelbarer Anlass für die Gesetzesnovelle war die öffentliche Diskussion um die Bewerbung des türkischen
Verfassungsreferendums im Ausland. Gemäß den neuen Bestimmungen kann die zuständige Behörde
eine Versammlung in Österreich nunmehr dann untersagen, wenn sie "der politischen Tätigkeit von
Drittstaatsangehörigen dient und den anerkannten internationalen Rechtsgrundsätzen und Gepflogenheiten
oder den völkerrechtlichen Verpflichtungen, den demokratischen Grundwerten oder außenpolitischen Interessen
der Republik Österreich zuwiderläuft", wie es im Wortlaut heißt. Ist der Auftritt eines ausländischen
Politikers oder eines anderen Vertreters eines ausländischen Staates bei einer derartigen Versammlung geplant,
liegt die Entscheidung im Ermessen der Bundesregierung.
Ausländische Konflikte sollten nicht auf österreichischem Boden ausgetragen werden, begründeten
Michael Hammer (V) und Jürgen Schabhüttl (S) das Vorhaben. Die verlängerte Anmeldefrist und die
Schutzzonen-Regelung würden es der Polizei überdies ermöglichen, sich besser vorzubereiten und den
ungestörten Ablauf von Demonstrationen zu gewährleisten. Es gehe nicht zuletzt auch um die Sicherheit
der TeilnehmerInnen von Versammlungen, so Hammer.
Das Demonstrationsrecht werde mit der Novelle nicht angetastet, versicherte Schabhüttl. Dieses sei für
die SPÖ ein hohes Gut. Man wolle in einigen Punkten aber Rechtssicherheit schaffen. Dass es die neuen Bestimmungen
den Behörden ermöglichen, Demonstrationen willkürlich zu verbieten, stellte auch Wolfgang Gerstl
(V) in Abrede. Schließlich seien diese verpflichtet, die Europäische Menschenrechtskonvention einzuhalten.
Sowohl SPÖ und ÖVP betonten überdies, dass Spontanversammlungen weiter möglich sein werden.
Ausdrücklich hinter die Novelle stellten sich auch Martina Diesner-Wais (V), Otto Pendl (S) und Angela Lueger
(S). Lueger wies darauf hin, dass es im vergangenen Jahr in Österreich 10.330 Versammlungen gegeben habe,
davon 8.153 in Wien. Das seien pro Tag 22 Aktionen. Mit der Verlängerung der Anmeldefrist auf 48 Stunden werde
der Polizei die Dienstplanung erleichtert. Als sinnvoll werten sie und Pendl auch die Schutzzone, wobei Lueger
betonte, dass es auch möglich sein wird, eine Schutzzone unter 50 Meter festzulegen.
ÖVP fordert weitergehende Einschränkungen
Geht es nach der ÖVP, soll die vorliegende Novelle jedoch nur ein erster Schritt sein. So hält es Abgeordneter
Hammer für notwendig, Maßnahmen zu setzen, um unbeteiligte Dritte besser vor Ausschreitungen zu schützen.
Zudem sprach er sich für eine weitere Verlängerung der Anmeldefrist für Demonstrationen auf 72 Stunden
und eine präzisere Umschreibung der Haftungen und Verpflichtungen des Versammlungsleiters aus. Sein Fraktionskollege
Gerstl drängte darauf, das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit künftig mit dem Grundrecht auf Erwerbsfreiheit
abzuwägen.
Opposition: Gesetz öffnet Missbrauch Tür und Tor
Wenig konnte die Opposition den Argumenten von SPÖ und ÖVP abgewinnen. Bei den neuen Bestimmungen gehe
es vorrangig nicht darum, fragwürdigen Wahlkampfauftritten ausländischer PolitikerInnen in Österreich
einen Riegel vorzuschieben, vielmehr würden insgesamt schwerwiegende Einschnitte in das Demonstrationsrecht
vorgenommen, kritisierte Grün-Abgeordneter Albert Steinhauser das seiner Meinung nach inakzeptable "Gummigesetz".
Mit der Begründung, sie würden außenpolitischen Interessen Österreichs zuwiderlaufen, könnten
viele Versammlungen untersagt werden. Durch die gewählte Formulierung sind seiner Einschätzung nach außerdem
nicht nur Drittstaatsangehörige, sondern auch ÖsterreicherInnen und EU-BürgerInnen betroffen, die
etwa gegen die Politik in China, in der Türkei oder in Saudi-Arabien demonstrieren wollten.
Ähnlich argumentierte FPÖ-Sicherheitssprecher Walter Rosenkranz. Ein von ihm gemeinsam mit Team-Stronach-Abgeordnetem
Christoph Hagen eingebrachter Abänderungsantrag mit einer restriktiveren Formulierung der Untersagungsgründe
fand jedoch keine Mehrheit. Österreich dürfe nicht eine Aufmarschwiese für Politik in Drittstaaten
sein, stimmte Rosenkranz der Intention der Regierungsparteien zu, mit dem vorliegenden Gesetz werde "das Kind
aber mit dem Bade ausgeschüttet" und Tür und Tor für Missbrauch geöffnet. Man könne
das Grundrecht auf Meinungsfreiheit nicht gegen außenpolitische Interessen Österreichs abwägen.
Als demokratiepolitisch äußerst bedenklich wertete auch FPÖ-Abgeordneter Günther Kumpitsch
den vorliegenden Gesetzentwurf. Man habe die im Begutachtungsverfahren geäußerte Bedenken nicht ernst
genommen, beklagte er. Als sachlich gerechtfertigt wertete er hingegen die Verlängerung der Anmeldefrist auf
48 Stunden.
Von einer "intellektuellen Beleidigung für das Parlament" und einer "Husch-Pfusch-Aktion"
sprach NEOS-Abgeordneter Nikolaus Scherak. Das Gesetz öffne Willkür Tür und Tor, er habe zudem kaum
jemals ein legistisch derart schlechtes Gesetz gelesen. Angesichts des bereits durchgeführten Verfassungsreferendums
in der Türkei sieht Scherak auch keinen Anlass zur Eile, man könnte über alle Bestimmungen in Ruhe
bei der von Innenminister Wolfgang Sobotka angekündigten Enquete diskutieren. Aufgrund der verlängerten
Anmeldefrist befürchten sowohl Scherak als auch Grün-Abgeordneter Steinhauser die Zunahme von Spontandemonstrationen.
Scherak nahm die Debatte darüber hinaus zum Anlass, um ein Verbot eines türkischen Todesstrafen-Referendums
auf österreichischem Boden zu fordern. Die Bundesregierung müsse alles daran setzen, dass weder in Österreich
noch in anderen EU-Ländern über die Einführung der Todesstrafe in der Türkei abgestimmt werden
könne, mahnte er, konnte sich mit einem entsprechenden Entschließungsantrag jedoch nicht durchsetzen.
Für ihn falle das vorliegend Gesetze in die Kategorie "Gesetze, die keiner braucht", sagte Christoph
Hagen (T). Es sei schon aufgrund der bestehenden Gesetzeslage möglich, Wahlkampfauftritte ausländischer
PolitikerInnen in Österreich zu verbieten und Demonstrationen und Gegendemonstrationen auseinanderzuhalten.
Im Grunde würde ein Sensibilisierungskatalog für die zuständigen Verwaltungs- und Polizeibehörden
genügen. Vor kurzem habe der Nationalrat ein Gesetz beschlossen, um unnötige Gesetze zu vermeiden, erinnerte
Hagen, die heutige Novelle stehe dazu in krassem Widerspruch.
Grüne erwägen Klage beim Verfassungsgerichtshof
Grünen-Justizsprecher Steinhauser erwägt, die Gesetzesnovelle beim Verfassungsgerichtshof anzufechten,
sollte auch seitens der FPÖ und der NEOS Interesse daran bestehen. Für einen solchen Schritt braucht
es ein Drittel der Abgeordneten.
Für eine weitergehende Regulierung des Demonstrationsrechts sprach sich der fraktionslose Abgeordnete Marcus
Franz aus. Viele Leute in Wien hätten "die Schnauze voll" vor überbordenden Demonstrationen.
Auch Rupert Doppler, ebenfalls keinem Klub zugehörig, hält es für wichtig, unbeteiligte Dritte besser
zu schützen. Den vorliegenden Gesetzentwurf hält Doppler für nicht ausgereift.
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