Nanoteilchen werden durch Temperaturunterschiede "geladen"
Wien (universität) - Elektrisch geladene Teilchen üben starke anziehende oder abstoßende
Kräfte aufeinander aus. Mit Hilfe von Computersimulationen konnten WissenschafterInnen der Universitäten
Cambridge und Wien um Christoph Dellago nun nachweisen, dass selbst zwischen elektrisch neutralen Nanoteilchen
ganz ähnliche Kräfte wirken, falls diese kälter oder wärmer sind als die Flüssigkeit,
in der sie gelöst sind. Die aktuelle Studie erscheint im Fachmagazin PNAS.
Körper können elektrische Ladungen tragen, die in zwei Arten vorkommen – positiv oder negativ – und die
zu Kräften zwischen den Körpern führen. Dabei stoßen sich gleichartige Ladungen ab, während
Ladungen mit unterschiedlichem Vorzeichen einander anziehen. Diese sogenannten elektrostatischen Kräfte sind
stark, wenn sich die Ladungen nahe sind und nehmen dann mit zunehmender Entfernung schnell ab. Elektrisch neutrale
Körper üben hingegen keine elektrostatischen Kräfte aufeinander aus.
WissenschafterInnen der Universitäten Cambridge und Wien haben nun mit Hilfe von Computersimulationen gezeigt,
dass in einer geeigneten Flüssigkeit gelöste Nanoteilchen dazu gebracht werden können sich so zu
verhalten, als ob sie Ladungen tragen würden, selbst wenn sie elektrisch neutral sind. Dazu genügt es,
die Teilchen im Vergleich zur umgebenden Flüssigkeit aufzuheizen oder zu kühlen. Je größer
der Temperaturunterschied ist, umso stärker sind auch die Kräfte, welche mit der Entfernung genauso abnehmen
wie Kräfte zwischen elektrischen Ladungen. Man kann den Nanoteilchen deshalb effektive Ladungen zuweisen,
deren Vorzeichen davon abhängen, ob die Teilchen gekühlt oder aufgeheizt werden.
Dieser verblüffende Effekt kann in sogenannten polaren Lösungsmitteln wie zum Beispiel Wasser auftreten.
In polaren Flüssigkeiten tragen die Moleküle ein elektrisches Dipolmoment: Sie sind auf einer Seite positiv
und auf der anderen Seite negativ geladen, obwohl sie insgesamt elektrisch neutral sind. Wenn nun in der polaren
Flüssigkeit gelöste Nanoteilchen aufgeheizt bzw. gekühlt werden, richten sich die Flüssigkeitsmoleküle
im ungleichmäßigen Temperaturfeld um die Nanoteilchen aus. "Da in polaren Flüssigkeiten die
Moleküle ein elekt-risches Dipolmoment tragen, führt die Ausrichtung der Moleküle zu einem elektrischen
Feld, das identisch ist mit dem einer elektrischen Ladung und somit auch mit identischen Kräften", erklärt
Christoph Dellago, Physi-ker an der Universität Wien und einer der Autoren der Studie. Interessanterweise
tritt der Effekt auch für Nano-teilchen in magnetischen Flüssigkeiten auf, sodass die Teilchen in diesem
Fall effektive magnetische Monopo-le tragen, die ein Analogon zu den bisher nicht beobachteten elementaren magnetischen
Monopolen wären.
Ihre neuen Erkenntnisse konnten die ForscherInnen der englisch-österreichischen Kooperation dank aufwändiger
Computersimulationen gewinnen, welche sie am Hochleistungsrechner Vienna Scientific Cluster (VSC) durchgeführt
haben. Mit Hilfe eines neuen Verfahrens, das Peter Wirnsberger, Absolvent der Universität Wien und nun Doktorand
an der Universität Cambridge, entwickelt hat, ist es den ForscherInnen gelungen, das komplexe Nichtgleichgewichtsphänomen
für ein Modellsystem aus mehr als 10.000 Molekülen zu simulieren und die von aufgeheizten oder gekühlten
Nanoteilchen ausgeübten Kräfte eindeutig nachzuweisen.
Die praktische Bedeutung des entdeckten Effekts lässt sich noch nicht völlig abschätzen. "In
Zukunft könnte man aber thermisch induzierte Wechselwirkungen etwa dazu verwenden, um durch kontrollierte
Temperaturänderungen die Kräfte zwischen Nanoteilchen gezielt zu steuern und so die von ihnen gebildeten
Strukturen zu beeinflussen", so Christoph Dellago. Bevor es aber so weit ist, warten die ForscherInnen aus
Cambridge und Wien jedoch auf die experimentelle Bestätigung des von ihnen untersuchten Effekts.
Publikation in "PNAS": Peter
Wirnsberger, Domagoj Fijan, Roger A. Lightwood, Andela Šaric, Christoph Dellago, and Daan Frenkel: Numerical Evidence
for Thermally Induced Monopoles, in PNAS 2017 (online ab 24.4.2017) DOI 10.1073/pnas.162149411
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