Das AIT erarbeitet in einem internationalen Forschungsprojekt die Grundlagen für den großflächigen
und automatisierten Rollout von Softwareanwendungen für intelligente Stromnetze.
Wien (ait) - Neue Entwicklungen wie Elektromobilität oder der steigende Anteil erneuerbarer Energiequellen
stellen unsere Netze vor neue Herausforderungen. Besonders davon betroffen sind die Verteilnetze auf Niederspannungsebene
– also die zahlreichen Netze, die den Strom zwischen Ortsnetztransformatoren und Haushalten transportieren. Als
Koordinator des internationalen EU-Projekts "LarGo! – Large-Scale Smart Grid Application Roll-Out" erarbeitet
das AIT zusammen mit Siemens, den Wiener Netzen und weiteren Partnern aus Deutschland und Schweden neue Ansätze,
um diese Netze fit für die Energiezukunft zu machen.
Digitalisierung der Verteilnetze
„Traditionelle Verteilnetze beinhalten vor allem elektrische und elektromechanische Komponenten, die für
einen kontinuierlichen Betrieb ausgelegt sind", erläutert Mario Faschang vom AIT Center for Energy die
Hintergründe für das Projekt. „Heutzutage müssen die Verteilnetze aber viel flexibler sein und mit
hohen Leistungen für die Elektromobilität ebenso zurechtkommen wie mit stark fluktuierender Einspeisung,
zum Beispiel aus PV-Anlagen." Der Schlüssel für diese Flexibilität lautet Digitalisierung.
In Zukunft übernehmen Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) immer mehr zentrale Aufgaben wie
Spannungsregelung oder Netzüberwachung. Die große Herausforderung besteht darin, die dafür benötigten
Software-Applikationen automatisiert und großflächig zu installieren und zu konfigurieren und in der
Folge auch upzudaten – und zwar parallel zum Netzbetrieb, der über die gleichen digitalen Kommunikationskanäle
läuft. Manuell ist das nicht zu bewerkstelligen, denn immerhin gibt es in Wien rund 10.000 Verteilnetze und
somit Trafostationen, die in Zukunft kontinuierlich softwaretechnisch auf dem neusten Stand gehalten werden müssen.
Das Ziel von "LarGo!" illustriert Faschang an einem Beispiel: "In Zukunft soll der Netzbetreiber
direkt am Computer in der Leitwarte Trafostationen auswählen können, in denen er eine bestimmte Applikation
einrichten will, zum Beispiel zur Analyse des Netzverhaltens oder zur Spannungsregelung. Per Knopfdruck lässt
sich dann diese Software auf allen ausgewählten Trafostationen installieren, ohne den laufenden Betrieb zu
beeinflussen." Eine der intelligenten Komponenten, die von modernen Smart Grid Applikationen angesteuert werden
könnte ist der vom AIT entwickelte Smart Grid Converter. Dabei handelt es sich um eine von der AIT entwickelten
Wechselrichter, der zwischen zwei Netzmodi unterscheiden und entsprechend der Netzsituation reagieren kann. Um
dem Aspekt der Cybersecurity Rechnung zu tragen, sollen die Applikationen zusätzlich zertifiziert und mit
einem digitalen Stempel versehen werden.
Simulation und Feldtests
Die Auswirkungen solcher großflächigen Rollout- und Update-Prozesse lassen sich aus Sicherheitsgründen
in einem realen Netz nicht testen. Daher sind in den kommenden drei Jahren Projektlaufzeit parallel zur Prozess-
und Applikationsentwicklung umfassende Simulationen geplant, in denen die IKT-Infrastruktur mit virtuellen Verteilnetzen
gekoppelt wird. Am AIT steht dafür mit SmartEST ein europaweit einzigartiges Labor zur Verfügung, in
dem eine Vielzahl an Verteilnetzen gleichzeitig mit realer Verteilnetzinfrastruktur simuliert werden sollen. "Durch
Kopplung mit einer eigens dafür entwickelten Trafostation, der S4 – Smart & Secure Secondary Substation,
können wir unterschiedliche Szenarien durchspielen, um zu sehen, wie die installierten Hardware- und Softwarekomponenten
reagieren", erläutert Faschang. Darüber hinaus werden auch Software-Applikationen aus vorangegangenen
Projekten weiterentwickelt, im Rollout erprobt und deren gegenseitige Beeinflussung untersucht. Eine große
Rolle spielt dabei die Seestadt Aspern, in der ausgewählte Applikationen in einem Feldtest automatisiert und
großflächig ausgerollt werden sollen.
Projektpartner
Koordinator: AIT Austrian Institute of Technology GmbH
Wiener Netze GmbH
Siemens AG
Königliche Technische Hochschule, Schweden
Fraunhofer Gesellschaft - Institut für Solare Energiesysteme ISE, Deutschland
OFFIS – Institut für Informatik, Deutschland
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