85 Prozent halten unterschiedliche Integrationsgeschwindigkeit für gute Idee | 69 Prozent:
EU soll sich auf ausgewählte Politikbereiche konzentrieren - Umfrage
Wien (ögfe) - „Die Europäische Union ist auf der Suche nach einem gangbaren Zukunftsweg. Kommissionspräsident
Juncker hat dazu fünf Szenarien zur Diskussion gestellt. Für die Österreicher steht fest: Eine Fortführung
des Status quo ist dabei keine Option, ebenso wenig eine EU als reine Wirtschaftsgemeinschaft. Gewünscht ist
vielmehr eine flexible und effiziente Union“, analysiert Paul Schmidt, Generalsekretär der Österreichischen
Gesellschaft für Europapolitik (ÖGfE), das Ergebnis einer aktuellen ÖGfE-Umfrage.
Eine deutliche Mehrheit der befragten ÖsterreicherInnen ist dafür, dass „jene Mitgliedstaaten, die in
bestimmten Bereichen stärker zusammenarbeiten möchten, dies auch tun dürfen“. Insgesamt 85 Prozent
betrachten dies als „sehr gute“ (33 Prozent) bzw. „eher gute“ (52 Prozent) Option für die Zukunft der EU.
Ein knappes Zehntel kann sich damit nicht anfreunden („eher schlechte Option“: 7 Prozent | „sehr schlechte Option“:
2 Prozent) [Rest auf 100 Prozent = „weiß nicht/Keine Angabe“ | gilt auch für folgende Werte].
Gleichzeitig geben 69 Prozent an, dass die „EU sich nur auf ausgewählte Politikbereiche konzentrieren und
andere Bereiche den Mitgliedstaaten überlassen sollte“, wobei dies 32 Prozent für eine „sehr gute“ und
37 Prozent für eine „eher gute“ (39 Prozent) Option halten. Etwa ein Fünftel sieht dies nicht so und
betrachtet eine Konzentration der EU auf wenige Bereiche als „eher schlechte“ (17 Prozent) bzw. „sehr schlechte“
Option (5 Prozent).
70 Prozent der ÖsterreicherInnen möchten, dass „die Mitgliedsländer der EU ihre Zusammenarbeit in
allen Politikbereichen intensivieren“ („sehr gute Option“: 32 Prozent | „eher gute Option“: 38 Prozent). 22 Prozent
sprechen sich gegen eine solche verstärkte Kooperation aus („eher schlechte Option“: 16 Prozent | „sehr schlechte
Option“: 6 Prozent).
„In den vergangenen Jahren sind unterschiedliche Sichtweisen über Ausmaß und Ausrichtung der europäischen
Integration unter den Mitgliedsländern deutlich sichtbar geworden. Gemeinsame Entscheidungen wurden verzögert,
die Handlungsfähigkeit der Union stark beeinträchtigt. Um diese Blockaden zu überwinden, wäre
der Ausbau eines Europas der unterschiedlichen Geschwindigkeiten ein durchaus vorstellbarer Weg. Er wäre auch
kein Widerspruch zu dem Ziel, dass sich Europa vor allem den großen Themen widmen sollte. Dass alle EU-Mitglieder
allerdings ihre Zusammenarbeit zeitgleich intensivieren, scheint zwar erstrebenswert, ist aber bei den derzeitigen
Divergenzen wenig realistisch.“
Andere Szenarien für die Zukunft der EU erhalten von den Österreicherinnen und Österreichern weniger
Zustimmung.
So hält es nur ein Drittel der Befragten für eine „sehr gute“ (5 Prozent) bzw. „eher gute“ (29 Prozent)
Option, wenn sich „die EU ausschließlich auf den Binnenmarkt konzentrieren würde“. Knapp zwei Drittel
halten ein solches Szenario für eine „eher schlechte“ (40 Prozent) bzw. „sehr schlechte“ (12 Prozent) Option.
Am schwächsten fällt die Zustimmung dafür aus, dass „die Ausrichtung der EU im Großen und
Ganzen so fortgeführt werden sollte wie bisher“. Insgesamt 31 Prozent sehen dies als „sehr gute“ (1 Prozent)
bzw. „eher gute“ (30 Prozent) Option. Knapp zwei Drittel sind nicht dieser Ansicht und halten den Status quo für
eine „eher schlechte“ (41 Prozent) bzw. „sehr schlechte“ (23 Prozent) Option.
„Angesichts des Brexit, eines erstarkenden Nationalismus und eines zusehends unübersichtlichen geopolitischen
Umfelds ist eine gründliche Neujustierung der EU Grundvoraussetzung, um die anstehenden Probleme effektiv
angehen zu können. Das sehen auch die Österreicher so, für die eine funktionierende EU mit sinnvoller
Aufteilung nationaler und europäischer Zuständigkeit an erster Stelle steht. Eine Reduzierung der EU
auf einen bloßen Binnenmarkt ist für sie kein Wunschszenario. Zurecht, denn bei etlichen globalen Fragen
ist eine Kooperation auf europäischer Ebene wichtiger und notwendiger denn je“, hält Schmidt fest.
Die Umfrage wurde von der Sozialwissenschaftlichen Studiengesellschaft vom 11. bis
14. April 2017 im Auftrag der ÖGfE durchgeführt (Tel SWS 259). Befragt wurden österreichweit 535
Personen per Telefon (repräsentativ für die österreichische Bevölkerung ab 16 Jahre/Gewichtung
nach Geschlecht, Alter und Bildung). Maximale Schwankungsbreite ca. +/- 4,4 Prozent. Differenz auf 100 Prozent
aufgrund gerundeter Werte.
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