Superintendent Dantine: „Reformation ist Weltbürgerin geworden“
Windhoek/Salzburg (epdÖ) - Rund 800 Personen, darunter rund 400 Delegierte aus den weltweit 145 Mitgliedskirchen,
nehmen noch bis nächsten Dienstag an der Vollversammlung des Lutherischen Weltbundes in Windhoek (Namibia)
teil. Gemeinsam begehen die Delegierten im Rahmen der 12. Vollversammlung auch das 500 Jahr-Jubiläum der Reformation.
Aus Österreich sind zum Treffen des höchsten Entscheidungsgremiums des Lutherischen Weltbundes der Superintendent
der Diözese Salzburg/Tirol, Olivier Dantine, als Delegierter, Roxana Reindl (Graz) als Jugenddelegierte und
Michael Bubik (Wien) angereist, der Kärntner Pfarrer Norman Tendis wird im Rahmen seiner Beauftragung für
den Weltkirchenrat zwei Workshops leiten.
Dass ausgerechnet die Vollversammlung im Reformationsjubiläumsjahr in Namibia stattfindet - es ist die zweite
Vollversammlung in Afrika - hat für Olivier Dantine starke Symbolwirkung: „Die Reformation ist eine Weltbürgerin
geworden“, so der Superintendent gegenüber dem Evangelischen Pressedienst. Afrika und Asien sind die Kontinente,
in denen die Zahl lutherischer Christen stark ansteigt, Namibia sei das einzige Land außerhalb Europas, in
dem die Lutheraner die größte religiöse Gruppe darstellen. In der Zeit des Umbruchs Ende der 1980er-Jahre
hat der Lutherische Weltbund die lokalen lutherischen Kirchen unterstützt und damit eine nicht geringe Rolle
in der Überwindung des Apartheid-Regimes und der Unabhängigkeit des Landes gespielt. Festzumachen ist
diese Verbindung an der Person des früheren Bischofs der Evangelisch-Lutherischen Kirche in der Republik Namibia,
Zephania Kameeta, der als Befreiungsstheologe am Widerstand gegen die Apartheid beteiligt war. In der jungen Republik
Namibia, die 1990 die Unabhängigkeit erhielt, hat Kameeta auch an der Ausarbeitung der Verfassung mitgewirkt,
nun ist er wiederum als Minister für Armutsbekämpfung und Soziale Wohlfahrt Mitglied der Namibischen
Regierung. Beim großen Gottesdienst zum Reformationsjubiläum am kommenden Sonntag, dem Höhepunkt
der Vollversammlung, wird Kameeta die Predigt halten. Zu diesem Gottesdienst im Sam-Nujoma-Stadion im Windhoeker
Stadtteil Katutura werden auch etwa 9.000 Lutherische Christen aus Namibia erwartet.
Der Stadtteil Katutura ist ein ehemaliges Township. Gewaltsam wurde ab 1959 die schwarze Bevölkerung Windhoeks
dahin umgesiedelt. „Katutura“ heißt in der Sprache der Herero soviel wie „Der Ort an dem wir nicht sein möchten“.
Dass die lutherische Weltgemeinschaft ihr Reformationsjubiläum an einem Ort feiert, „wo niemand sein möchte“
sieht Superintendent Dantine als „starkes Symbol, das das Reformationsjubiläum an den Auftrag Jesu rückbindet.“
Das Thema der Vollversammlung lautet „Befreit durch Gottes Gnade“. Die Delegierten widmen sich bis 16. Mai den
Themen Erlösung, Menschen und Schöpfung, die "für Geld nicht zu haben" (not for sale)
sind. In den ersten Tagen wurde gerade die Frage der Würde aller Menschen thematisiert. Besonders beeindruckt
hat Dantine dabei das Referat von Denis Mukwege, einem Arzt aus Kongo, der sich gegen sexualisierte Gewalt gegen
Frauen und Kinder einsetzt: „Sein Bericht hat große Betroffenheit ausgelöst, sein klarer Aufruf an die
Kirchen, das Schweigen zu brechen und tätig zu werden, hat sehr bewegt.“ Mukwege fordert die Kirchen auf,
frauenfeindliche Theologie zu überwinden, weil eine solche Theologie letztlich die Gewalt gegen Frauen rechtfertige.
Generalsekretär Martin Junge hat in seinem Bericht an die Vollversammlung auch auf das Engagement des Lutherischen
Weltbundes für Flüchtlinge hingewiesen. Dieses Engagement stand am Beginn des LWB, der 1947 gegründet
wurde, und hat auch heute große Bedeutung. „Flüchtlinge verlieren oft alles – aber niemals ihre Menschenrechte“
– ist die Botschaft, die an Kirchen, aber auch an Regierungen gesandt wird.
Am Abend des 13.05. wählte die Vollversammlung, die noch bis 16.05. in Namibias Hauptstadt Windhuk tagt, Musa
Panti Filibus zum neuen Präsidenten. Der Erzbischof der Lutheran Church of Christ in Nigeria folgt auf Bischof
Munib Younan von der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Jordanien und im Heiligen Land (ELCJHL), den die letzte
Vollversammlung 2010 in Stuttgart gewählt hatte. Filibus ist der zweite Präsident des Weltbundes, der
aus Afrika kommt.
In einer Rede an die Delegierten der LWB-Vollversammlung sagte Filibus, seine Prioritäten seien die Pflege
der Beziehungen der Kirchengemeinschaft und die Förderung von Mission. Auch Geschlechtergerechtigkeit sowie
Diakonie und humanitärer Arbeit nannte Filibus als wichtige Felder. Ebenso die Stärkung der Jugend in
der Kirche und der interreligiösen Zusammenarbeit für Frieden und Gerechtigkeit.
Filibus war an der Entwicklung des LWB-Grundsatzpapiers zur Gendergerechtigkeit beteiligt. Er sagte, er werde sich
für dessen Umsetzung engagieren, wobei es auch darum gehe, „wie man Mitgliedskirchen im Blick auf das Verständnis
und die Auseinandersetzung mit diesen Fragen unterstützen kann“. In seiner Heimatkirche war er maßgeblich
an dem Prozess beteiligt, der zu der ersten Ordination einer Pfarrerin der LCCN im Jahr 1996 führte.
Filibus berichtete aus seiner Heimat, dass in den nördlichen Diözesen Nigerias vor zwei Jahren viele
Gemeinden ihre kirchlichen Aktivitäten einstellen musste. Die Gefahr von Überfällen der Boko Haram
auf Gottesdienste war zu groß. „Ich halte es für dringend notwendig, sich mit der Frage der religiös
motivierten Gewalt in der heutigen Welt auseinanderzusetzen“, sagte der neue LWB-Präsident.
Der 57-jährige Filibus wurde 1994 zum Pfarrer ordiniert. Er studierte Theologie in Nigeria und in den USA,
wo er in Pastoraltheologie promovierte. Mit seiner Frau, Pfarrerin Ruth Filibus, hat Filibus drei erwachsene Kinder.
Der neu gewählte Präsident ist kein Neuling in der Arbeit des LWB. Von 2002 bis 2010 war er Regionalreferent
für Afrika in der Abteilung für Mission und Entwicklung (AME) und begleitete den Dienst von Mitgliedskirchen
in Afrika in ihren verschiedenen Tätigkeitsfelder. 2010 wurde er zum Direktor der AME ernannt. 2013 nahm er
den Ruf zum Bischof in seiner Heimatkirche an, seit 2016 ist er Erzbischof.
Der Lutherische Weltbund repräsentiert nach eigenen Angaben rund 74 Millionen Christen in 98 Ländern
und 145 Kirchen.
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