Wien (öaw) - Europas Wälder können einen wichtigen Beitrag zur Abschwächung des Klimawandels
leisten. Ob sie das aber tun, hängt von der Nachhaltigkeit ihrer Bewirtschaftung ab. Andernfalls kann Waldwirtschaft
sogar negative Auswirkungen auf das Klima haben, wie eine aktuelle Stellungnahme des European Academies Science
Advisory Council unter Beteiligung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften festhält. Besonders
kritisch sehen die Expert/innen den zunehmenden Verlust von Biodiversität und die steigende Nutzung von Waldbiomasse
als Energieträger.
Rund 42 Prozent der Landmasse der Europäischen Union sind mit Bäumen bedeckt. Besonders für die
skandinavischen Länder und Osteuropa, aber auch für Österreich, sind Wälder ein wichtiger Baustein,
um das 2015 im Klimaabkommen von Paris vereinbarte Ziel zu erreichen, die menschengemachte globale Erwärmung
auf deutlich unter 2 Grad gegenüber vorindustriellen Werten zu begrenzen.
Wälder zentral für Klimaschutz
Die gute Nachricht: Bereits heute speichern Europas Wälder rund 100 Millionen Tonnen Kohlendioxid jährlich,
was etwa 10 Prozent der europäischen Emissionen aus fossilen Energieträgern entspricht. Das hält
der nun erschienene Bericht „Multi-Functionality and Sustainability in the European Union’s Forest“ fest, der vom
European Academies Science Advisory Council, einem unabhängigen wissenschaftlichen Think Tank, der unter anderem
die EU-Kommission berät, erstellt wurde.
Gleichzeitig haben die Expert/innen von vierzehn europäischen Wissenschaftsakademien, darunter die Österreichische
Akademie der Wissenschaften (ÖAW), aber auch eine Warnung parat: Europas Wälder geraten als Speicher
von Kohlendioxid immer mehr unter Druck. Zwei zentrale Faktoren, die dabei eine Rolle spielen, sind der zunehmende
Verlust von Biodiversität und die steigende Nutzung von Waldbiomasse als Energieträger.
Hohe Biodiversität macht Wald anpassungsfähiger
Aktuell seien rund ein Drittel der europäischen Wälder von einer einzigen Baumart dominiert und lediglich
20 Prozent bestünden aus mehr als drei Arten. Einen großen Beitrag zu dieser geringen Biodiversität
leiste die Holzindustrie, für die Monokulturen oftmals wirtschaftlich attraktiver sind.
Doch gerade diese Wälder seien für den fortschreitenden Klimawandel besonders anfällig. Eine höhere
Biodiversität könne hingegen die Widerstandsfähigkeit der Wälder gegenüber dem Klimawandel
steigern, heißt es in dem Bericht. Durch ihre größere Artenvielfalt und einen größeren
Genpool seien sie anpassungsfähiger. Zudem speichern Wälder mit hohen Altbeständen mehr Kohlendioxid.
Schlechte CO2-Bilanz von Waldbiomasse
Als wenig nachhaltig betrachten die Wissenschaftler/innen auch die vermehrte Nutzung von Waldbiomasse zur Energieproduktion.
Die Mitgliedsländer der Union haben sich verpflichtet bis 2020 insgesamt 20 Prozent ihrer Energie aus erneuerbaren
Ressourcen zu gewinnen. Für die Einhaltung dieses Ziels werden inzwischen rund 40 Prozent der jährlichen
Holzernte in der EU für die Produktion von Bioenergie verwendet. Diese sei aber nicht klimaneutral, betonen
die Expert/innen.
Aktuelle Studien zeigen, dass die Nutzung von Waldbiomasse für die Energieproduktion in der Gesamtbilanz nicht
zu einer Reduktion von CO2-Emissionen beiträgt, unter anderem weil das im Holz gespeicherte Kohlendioxid freigesetzt
wird und es Jahrzehnte braucht, bis diese Bäume als Kohlenstoffspeicher nachgewachsen sind. Statt Holz zu
verfeuern, sei es sinnvoller, so der Bericht, dieses als Baumaterial zu verwenden. Dadurch werde das gespeicherte
CO2 dauerhaft der Atmosphäre entzogen und Holz könne zudem Materialien wie Stahl oder Beton ersetzen,
deren Herstellung klimaschädliche Emissionen freisetzt.
Nachhaltigere Waldwirtschaft gefordert
Die Expert/innen plädieren daher für eine nachhaltigere Waldwirtschaft in der EU. So sollten insbesondere
ältere Waldbestände mit hoher Biodiversität vermehrt geschützt und die Erhaltung von Biodiversität
stärker in der wirtschaftlichen Nutzung von Wäldern berücksichtigt werden, um deren Anpassungsfähigkeit
an Umweltveränderungen zu erhalten. Zugleich mahnen die Wissenschaftler/innen, dass die Politik stärker
auf die Nutzung von Wäldern und ihren Produkten als Kohlenstoffspeicher setzen solle, statt auf Waldbiomasse
als Energielieferant. Wind- und Sonnenenergie seien langfristig weitaus besser geeignet um den CO2-Ausstoss in
Grenzen zu halten.
EASAC ist ein Zusammenschluss der nationalen Wissenschaftsakademien der EU-Mitgliedsstaaten sowie Norwegen und
der Schweiz. Es berät die politischen Entscheidungsträger/innen Europas mit wissenschaftsbasierten Empfehlungen
zu Fragen hoher gesellschaftlicher Relevanz. Neben der britischen Royal Society, der französischen Académie
des sciences und der Königlich Schwedischen Akademie der Wissenschaften ist auch die ÖAW seit 2016 Mitglied
des EASAC.
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