Debatte über EcoAustria-Studie zur Reform des FLAF im Familienausschuss
Wien (pk) - Mit einem klaren Nein zu Leistungskürzungen positionierte sich Bundesministerin Sophie
Karmasin am 10.05. im Familienausschuss anlässlich der Präsentation der EcoAustria-Studie mit dem Titel
"Reformoptionen für den Familienlastenausgleichsfonds (FLAF)". Man habe im Regierungsprogramm vereinbart,
die Familienförderungen transparenter und einfacher zu gestalten, erinnerte sie. Es gehe aus ihrer Sicht dabei
primär um eine fairere Aufteilung, eine präzisere Zuordnung der Leistungen und eine Vermeidung von Doppelfinanzierungen.
Die dazu laufenden Gespräche mit dem Finanzminister und den anderen RessortkollegInnen werde sie fortführen.
Das Expertenpapier hatte im Vorfeld bereits zu einiger Aufregung geführt, da es u.a. auch "leistungsdämpfende
Maßnahmen" wie etwa den Wegfall des Wochengelds für Nichterwerbstätige enthält. Michaela
Gstrein von EcoAustria gab im Rahmen der Aktuellen Aussprache zu bedenken, dass es sich um eine rein ökonomische
Analyse handelt, in dessen Rahmen alle ein- und ausgabenseitigen Reformoptionen untersucht wurden.
Die Gesamteinnahmen des FLAF beliefen sich im Jahr 2015 auf knapp 6,9 Mrd. €. Der Fonds, aus dem hauptsächlich
die Familienbeihilfe und das Kinderbetreuungsgeld finanziert werden, ist vor allem wegen der Senkung der Lohnnebenkosten
mit einem Einnahmenproblem konfrontiert. Ab dem Jahr 2017 werden nämlich die Dienstgeberbeiträge schrittweise
von 4,5% auf 3,8% bis zum Jahr 2019 reduziert; dadurch wird heuer ein Abgang von 103 Mio. € erwartet. Auch der
Schuldenstand des Reservefonds wird laut der Studie von EcoAustria im Jahr 2020 einen historischen Spitzenwert
von 3,6 Mrd. € erreichen.
Auf der Tagesordnung des Familienausschusses standen noch der aktuelle EU-Vorhabensbericht, der einstimmig zur
Kenntnis genommen und enderledigt wurde, sowie zahlreiche Anträge der Opposition, die u.a. eine Änderung
beim Wochengeld, eine Übergangsfrist beim einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeld oder bessere steuerliche
Absetzbarkeit von Schul- und Nachhilfekosten zum Inhalt hatten.
Karmasin: Anstieg der Familienleistungen pro Kind um plus 65% seit dem Jahr 2000
Die EcoAustria-Expertin Michaela Gstrein wies einleitend auf die aktuelle finanzielle Situation des FLAF hin, der
nach einer kurzen Phase der Überschüsse und eines ausgeglichenen Saldos im Jahr 2016 in den nächsten
Jahren negativ bilanzieren wird. Vor allem aufgrund des Rückgangs bei den Dienstgeberbeiträgen muss man
laut Bundesfinanzrahmen im Jahr 2018 mit einem Abgang von knapp 460 Mio. € rechnen. Auch der Schuldenstand des
Reservefonds, also des "Sparkontos" des FLAF", werde sich deutlich ausweiten. Die Kernleistungen
des FLAF – also Familienbeihilfen (3,4 Mrd. €) und Kinderbetreuungsgeld (1,1 Mrd. €) – machen noch immer zwei Drittel
der Ausgaben aus. In den letzten Jahren haben sich aber die Transfers an die Sozialversicherungsträger massiv
ausgeweitet, zeigte Gstrein auf. Den größten Brocken machen dabei die Beiträge zur Pensionsversicherung
(für Kinderbetreuungsgeld, Pflegepersonen von Schwerstbehinderten bzw. Wahl/Pflegekind) mit 840 Mio. € aus.
Daneben schlägt der Teilersatz für Aufwendungen für das Pflegegeld (330 Mio. €) als weiterer bedeutender
Ausgabenposten zu Buche. Auch die Kosten für Unterhaltsvorschüsse betrugen im Jahr 2015 insgesamt 133
Mio. €.
Gstrein erläuterte in der Folge die von ihrem Institut erarbeiteten Reformvorschläge, die sich in drei
Gruppen gliedern lassen, nämlich einnahmenseitige Maßnahmen, leistungsdämpfende Maßnahmen
auf der Ausgabenseite und die Verschiebung von Leistungen an andere Finanzierungsträger. Als Beispiele führte
sie die Valorisierung des Abgeltungsbeitrags aus der Einkommens- und Lohnsteuer oder die Übertragung bedingt
familienrelevanter Aufgaben an die zuständigen Ressorts, wie etwa Ausgaben für Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen
oder Unterhaltsvorschüsse, an.
Die Empfehlungen auf der Ausgabenseite beziehen sich u.a. auf leistungsdämpfende Maßnahmen beim Wochengeld,
bei den Beihilfen zum Kinderbetreuungsgeld oder bei der Höhe der Bemessungsgrundlagen für die Pensionsversicherung.
Die Studie sei eine sehr gute Diskussionsgrundlage, erklärte Bundesministerin Sophie Karmasin, aus der nun
die politischen Schlüsse gezogen werden müssen. Schon vor der Senkung der Lohnnebenkosten sei man übereingekommen,
sich die Gebarung des FLAF näher anzusehen. Sie versicherte mit Nachdruck, dass bei den Familien nicht eingespart
werden soll. Die vorgeschlagenen leistungsdämpfenden Maßnahmen werden daher nicht umgesetzt. Aufgrund
der Einnahmen- und Ausgabenentwicklung sowie des geänderten Leistungsspektrums des FLAF sei es aber legitim,
sich zu überlegen, wie die Finanzströme transparenter und fairer gestaltet werden können. Ihrer
Meinung nach wäre es etwa gerechter, wenn die Pensionsbeiträge für Kindererziehungszeiten nur zu
50% vom FLAF (und nicht wie bisher 75%) und zu 50% vom Bund getragen werden. Karmasin betonte, dass die Sicherung
der Familienleistungen weiterhin ihre oberste Priorität ist. Sie erinnerte in diesem Zusammenhang daran, dass
die Gesamtaufwendungen für Familien von 2000 bis 2015 um über 65% gestiegen sind.
Mit der Verschiebung von Agenden in andere Ressorts löse man keine Probleme, gab Abgeordnete Angela Lueger
(S) zu bedenken. Außerdem müssen familienrelevante Leistungen weiterhin im FLAF bleiben. Ihrer Ansicht
nach sollte man sich vielmehr Gedanken darüber machen, wie die Finanzierungsbasis – etwa durch die Einführung
einer Wertschöpfungsabgabe - verbreitert werden könnte. Angesichts der schwierigen Situation des FLAF
fragte sich FPÖ-Abgeordnete Anneliese Kitzmüller, ob es jemals zur notwendigen Valorisierung der Familienbeihilfe
und des Kinderbetreuungsgeldes kommt. G-Mandatarin Judith Schwentner zeigte sich verwundert darüber, dass
die ausgabenseitigen Vorschläge einen so breiten Raum in der Studie einnehmen. Wer garantiert, dass diese
nicht umgesetzt werden?
NEOS und FPÖ-Anträge zur Umgestaltung des FLAF wurden vertagt
Im Zusammenhang mit dem Thema FLAF lagen auch zwei Oppositionsanträge vor. Angesicht der steigenden Ausgaben
des Familienlastenausgleichsfonds (Anhebung der Familienbeihilfe, höhere Pensionsbeiträge für Kindererziehungszeiten)
und sinkender Einnahmen (Reduktion der Dienstgeberbeiträge) drängen die NEOS auf eine Umgestaltung des
FLAF-Leistungsspektrums ( 1407/A(E) ). Besonders familienfremde Leistungen sollten aus dem Fonds ausgelagert werden.
sehen.
Auch die Freiheitlichen forderten Ministerin Karmasin auf, durch Verhandlungen insbesondere mit dem Finanzminister
sicherzustellen, dass die Mittel des FLAF wieder zur Gänze für familienrelevante Leistungen zur Verfügung
stehen ( 797/A(E) ). Die Umsetzung dieser Maßnahme sollte noch in dieser Legislaturperiode erfolgen und im
Bundesfinanzrahmengesetz 2018-2021 festgeschrieben werden, heißt es in einem F-Abänderungsantrag. –
Beide Entschließungsanträge wurden mit S-V-Mehrheit vertagt.
EU-Vorhabensbericht: Rege Teilnahme an Erasmus+ und am Freiwilligendienst
Jugendarbeit, die Förderung der Inklusion junger Menschen und partizipatorische Projekte wie Erasmus+ sind
die zentralen Themen auf europäischer Ebene, hob Bundesministerin Sophie Karmasin bei der Behandlung des aktuellen
EU-Vorhabensberichts hervor ( III-340 d.B. ), der mit S-V-G-N-T-Mehrheit zur Kenntnis genommen wurde. Gerade Erasmus+
sei eine europäische Erfolgsgeschichte, die gestern ihren 30. Geburtstag gefeiert hat. Unter dem Dach von
"Erasmus+: Jugend in Aktion" gibt es Fördermöglichkeiten für Jugendprojekte bzw. die außerschulische
Jugendarbeit. Von österreichischer Seite nahmen ca. 4.000 Jugendliche und 1.200 Lehrlinge an dem Programm
teil. Auch der Freiwilligendienst werde zahlreich in Anspruch genommen. All diese Projekte leisten einen wichtigen
Beitrag zum Erwerb von Kompetenzen, zur Steigerung des Selbstbewusstseins und dem Kennenlernen anderer Kulturen
und Sprachen. Es sei daher erfreulich, dass dieses Programm weiter ausgebaut werden soll. Sie werde sich auch dafür
einsetzen, dass ein Interrail-Ticket für alle Jugendlichen in Europa eingeführt wird.
Der Jahresvorschau ist weiters zu entnehmen, dass die vorrangigen Aufgaben der Jugendarbeit (Stärkung der
sozialen Inklusion durch Schaffung von Freiräumen, Rekreation und Sozialisation im Kreis von Gleichaltrigen,
Auseinandersetzung mit persönlichen und gesellschaftlichen Themen) österreichweit von über 160.000
Freiwilligen in etwa 2.000 Einrichtungen angeboten und verfolgt werden. Um einen niederschwelligen Zugang zu gewährleisten
und um möglichst viele junge Menschen zu erreichen, werden auch die digitalen Angebote (e-youthwork) ausgebaut,
informierte die Ministerin. Für die Umsetzung der Ausbildungspflicht bis zum 18. Lebensjahr ist zwar das Sozialministerium
zuständig, ihr Ressort sei aber über die Jugendcoaches eingebunden. Bei den unbegleiteten minderjährigen
Flüchtlingen forciere man die Aufnahme in Pflegefamilien, weil dadurch die Integration am besten unterstützt
werden könne. Was die außerschulische Jugendarbeit betrifft, so wurden über 5,7 Millionen Stunden
von Freiwilligen geleistet, hob Karmasin hervor. Dies entspricht einem Gegenwert von 93 Mio. €.
Auf eine Frage zum "EureProjekt", das jungen Menschen von 14-24 Jahren neben einer individuellen Projektberatung
eine Anschubfinanzierung bis zu 500 € zur Verfügung stellt, wies Karmasin darauf hin, dass 237 Anträge
genehmigt wurden. Bei der Initiative "WIKI:I: Was ich durch informelles Lernen kann" wiederum soll beim
Erfassen und Darstellen von informell Gelerntem unter die Arme gegriffen werden. 100.000 € werden auch für
die Initiative "saferinternet" zur Verfügung gestellt, damit werden u.a. 1.000 Workshops finanziert.
Extremismus und Radikalisierung: Beratungsstelle wird sehr gut angenommen
Den Bereichen Extremismus und Radikalisierung unter Jugendlichen wird besonderes Augenmerk geschenkt, erklärte
Karmasin in Richtung der FPÖ-Abgeordneten Anneliese Kitzmüller. Die Präventionsarbeit der 2014 eingerichteten
Beratungsstelle Extremismus reiche von mobilen Beratungsteams über anonyme telefonische Orientierungshilfen
bis hin zu Kriseninterventionen und längerfristiger Begleitung. Im Jahr 2017 konnte man bereits 2.240 Anrufe
und 108 Erstberatungen verzeichnen. Es handle sich dabei um ein Vorzeigemodell in Europa, das immer wieder auf
großes Interesse stößt.
Karmasin zeigt sich optimistisch bezüglich der Erreichung des Barcelona-Ziels
Im Bereich Familie sind die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, der Ausbau von quantitativen und qualitativen
Kinderbetreuungsangeboten und damit Maßnahmen zur Verbesserung von Arbeitsmarktchancen von Frauen die Kernthemen.
Durch die Einführung des flexiblen Kinderbetreuungsgeldkontos ab 1. März 2017, die Stärkung der
Väterbeteiligung durch neue Regelungen zum Familienzeitbonus und den Partnerschaftsbonus soll die Vereinbarkeit
zunehmend erhöht werden. Bis dato sind bereits 400 Anträge auf Familienzeit eingereicht worden, informierte
die Ressortchefin.
Im Jahr 2015 betrug die Betreuungsrate bei den unter 3-jährigen Kindern 27,4%. Aufgrund der Ausbauoffensive
gehe sie davon aus, dass das Barcelona-Ziel erreicht wird, erklärte sie gegenüber Abgeordneter Cornelia
Ecker (S). Außerdem soll ab Herbst 2018 das zweite Gratis-Kindergartenjahr umgesetzt werden. Im Gegensatz
zu NEOS-Abgeordnetem Michael Bernhard trat sie nicht für eine Reduktion der Maximalbezugsdauer beim Kinderbetreuungsgeld
auf 24 Monate ein, weil dies die Wahlfreiheit einschränken würde. Es sei ohnehin schon ein Trend zu den
kürzeren Varianten erkennbar, zeigte die Ministerin auf.
Sie wies weiters darauf hin, dass ihr Ressort zum ersten Mal den Preis "Gemeinden für Familien"
vergibt. Ausgezeichnet werden dabei besondere Maßnahmen, die der Förderung eines familienfreundlichen
Umfelds in den Kommunen dienen. Im Mittelpunkt steht heuer das Thema "Generationendialog", also das bessere
Verständnis der verschiedenen Altersgruppen untereinander.
|