IV-GS Neumayer: Wildganspreis vereint Tradition und Innovation – Robert Seethalers Romanfiguren
verkörpern Offenheit und Auseinandersetzung mit der Gegenwart
Wien (iv) - „Seit nunmehr 55 Jahren würdigt der Wildgans-Preis bis heute neue literarische Wege und
Werke. Wie die österreichische Industrie verkörpert er Tradition und Innovation gleichermaßen –
und löst damit einen Widerspruch auf, der in Wahrheit und bei genauerer Betrachtung gar keiner ist“, erklärte
der Generalsekretär der Industriellenvereinigung (IV), Mag. Christoph Neumayer, am Abend des 08.05. anlässlich
der Verleihung des „Literaturpreises der Österreichischen Industrie – Anton Wildgans“ 2017 an Robert Seethaler
im Wiener Haus der Industrie. „Robert Seethalers Romanfiguren sind, so hat er in einem Interview betont, häufig
bereit, ihre Grenzen zu erweitern und sich auf andere einzulassen – sie würden über sich und die Welt
staunen und dem nachgehen, wie es der Autor einmal formulierte“, so Neumayer. Diese Offenheit sei eine Tugend,
über die viel geschrieben werde. „Gerade in Zeiten oft hochgradig ideologisierter, populistischer Debatten
über Themen wie Freihandel, Bildung, Migration, Pensionen oder Arbeitszeiten müssen wir uns fragen, wie
es wirklich um unsere Offenheit bestellt ist. Es braucht die offene, faktenbasierte Auseinandersetzung mit der
Gegenwart. Wer die Wirklichkeit positiv gestalten will, kann sie nicht ignorieren“, so der IV-Generalsekretär.
Laudator Holzner: Müssen uns Robert Seethaler als furchtlosen Autor vorstellen
„Wir müssen uns Robert Seethaler als einen furchtlosen Autor vorstellen. In seinen Büchern kommen
nämlich in erster Linie Figuren zu Wort, die nicht viel zu sagen haben, die lieber schweigen als reden, oft
sogar verstummen, wenn sie einmal reden müssten. Weggeschnitzt wird in seinen Romanen vor allem jede Position,
die dogmatisch Richtlinien vorschreibt: was sein darf und was nicht, was schön und gut ist und was nicht,
was zu tun und zu lassen wäre und was nicht. Die Sprache dieser Romane, auf den ersten Blick schlicht, trocken,
lakonisch, ermöglicht die Entwicklung von Bildern und Gedankenpositionen, die nie von vornherein gleich an
Mauern stoßen“, stellte Univ.-Prof. Dr. Johann Holzner, vormaliger Leiter des Brenner-Archivs an der Universität
Innsbruck, fest, der in seiner Laudatio das umfangreiche Schaffen des Preisträgers würdigte. Aus den
Händen von Christoph Neumayer nahm Robert Seethaler anschließend seine Auszeichnung entgegen.
Wildgans-Preis seit 1962 durch unabhängige Jury vergeben
Der mit 15.000 Euro dotierte Preis wird bereits seit 1962 von einer unabhängigen Jury vergeben. Die Begründung
der Jury – bestehend aus Prof. Marianne Gruber (Ehrenpräsidentin der Österreichischen Gesellschaft für
Literatur), Univ.-Prof. Dr. Johann Holzner (vorm. Leiter des Brenner-Archivs an der Universität Innsbruck)
und Barbara Neuwirth (Schriftstellerin) – für die Auswahl des Schriftstellers: „In den Romanen von Robert
Seethaler kommen Figuren zu Wort, die nicht sonderlich geschäftstüchtig sind und gewöhnlich als
Verlierer betrachtet werden. Ihnen zur Seite oder dicht hinter ihnen aber stehen Erzähler, die das Schicksal
dieser Figuren ganz anders sehen, nämlich vorurteilslos, wunderbar nüchtern und lakonisch, mit Sympathie,
zugleich jedoch kritischem Blick auf das jeweils dargestellte Milieu. Hinter den Bildern dieser ebenso schräg
wie souverän gezeichneten fiktiven Welten erscheint die reale Welt schlagartig merkwürdig, in einem ziemlich
ungewohnten Licht, und es wird sichtbar, was alles möglich wäre.“ Der Preis wird auf Vorschlag der Jury
einem Schriftsteller oder einer Schriftstellerin der jüngeren oder mittleren Generation mit österreichischer
Staatsbürgerschaft verliehen, „dessen oder deren Werk von hervorragender Relevanz für die literarische
und gesellschaftliche Korrelation unserer Zeit ist.“ Er gehört zu den renommiertesten österreichischen
Literaturpreisen. Unter den Preisträgerinnen und Preisträgern befinden sich eine Reihe von prominenten
Autorinnen und Autoren der Zweiten Republik wie Ingeborg Bachmann, Thomas Bernhard, Michael Köhlmeier, Arno
Geiger, Barbara Neuwirth, Sabine Gruber, Olga Flor, Norbert Gstrein, Erich Hackl und Margit Schreiner.
Robert Seethaler – Zur Person
Robert Seethaler, geboren 1966 in Wien, besuchte dort die Schauspielschule und wirkte in einer Vielzahl von
Produktionen für Kino und Fernsehen sowie an Theatern in Wien, Berlin, Stuttgart und Hamburg mit. Als Schriftsteller
stammen aus seiner Feder unter anderem die Romane „Die Biene und der Kurt“, „Die weiteren Aussichten“, „Jetzt wird‘s
ernst“, „Der Trafikant“ sowie „Ein ganzes Leben“. Für seine Veröffentlichungen erhielt Seethaler zahlreiche
Preise und Stipendien. Der Film nach seinem Drehbuch zu „Die zweite Frau“ wurde von Hans Steinbichler realisiert,
hatte seine Premiere im Rahmen des Münchner Filmfestes und erhielt drei Grimme-Preise. Darüber hinaus
wurde Robert Seethaler unter anderem mit dem Kulturpreis des Landes Niederösterreich, dem Grimmelshausen-Preis
sowie dem Buchpreis der Wiener Wirtschaft gewürdigt.
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