Fraktionen wollen im Ausschuss neuen Anlauf nehmen, Änderungen im Wirtschaftskammergesetz
passieren aber das Plenum
Wien (pk) - Der Beschluss der Gewerbeordnungsnovelle ist vorerst geplatzt. Nachdem sich mangels Zustimmung
der Opposition abzeichnete, dass es für das One-Stop-Shop-Prinzip im Gewerbeanmeldungsverfahren nicht die
erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit geben werde, haben die Parteien am 17.05. im Nationalrat einstimmig die Vorlage
nochmals an den Wirtschaftsausschuss rückverwiesen. Die SPÖ, die von einem akzeptablen Kompromiss sprach,
sieht noch Verbesserungsbedarf und erinnerte an den Vorschlag auf Einführung eines einzigen Gewerbescheins
für alle freien Gewerbe. Die ÖVP signalisierte Gesprächsbereitschaft und drückte ihre Hoffnung
aus, dass es noch vor dem Sommer zu einem Beschluss kommen werde. Erfreut über die neuerliche Befassung des
Ausschusses zeigten sich die Oppositionsparteien, die den Entwurf in der vorliegenden Fassung geschlossen ablehnten.
Mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP und FPÖ wurden hingegen Änderungen im Wirtschaftskammergesetz
verabschiedet, die Entlastungen für die Unternehmen bei der Grundumlage bringen sollen. Einstimmigkeit bestand
schließlich über Adaptierungen im Maß- und Eichgesetz, wobei es hier vor allem um den Wegfall
von Eichpflichten bzw. die Verlängerung von Nacheichfristen geht.
Gewerbeordnungsreform will Schritte in Richtung Deregulierung und Liberalisierung setzen
Der Entwurf der Novelle, über den SPÖ und ÖVP im Wirtschaftsausschuss bereits Einigung erzielt hatten,
bezweckt vor allem Entlastungen und Erleichterungen für Unternehmen durch Deregulierung und Verfahrensvereinfachungen.
So werden die Teilgewerbe gestrichen, was dazu führt, dass nunmehr etwa Nageldesign, Fahrradtechnik oder Änderungsschneiderei
als freie Gewerbe gelten. In Zukunft würde es damit 81 reglementierte und rund 440 freie Gewerbe geben. Bei
den Nebenrechten ist eine Ausweitung geplant, wobei der Gesetzgeber für die ergänzenden Tätigkeiten
Prozentsätze festlegt. Konkret könnten demnach 30% des Jahresumsatzes in einem anderen freien Gewerbe
erzielt werden, für Tätigkeiten aus reglementierten Gewerben ist eine Obergrenze von 15% pro Auftrag
vorgesehen. Die Gewerbeanmeldung wiederum soll gebührenfrei sein.
In Anbetracht des kommenden Rauchverbots und damit zusammenhängender allfälliger Lärmbelastungen
durch vor den Lokalen rauchende Gäste war im Entwurf auch eine Bestimmung über die Sperrstundenregelung
enthalten. Gemeinden hätten damit die Möglichkeit, in Abwägung der Interessen der AnrainerInnen
und der Lokalbetreiber und unter Beiziehung von Sachverständigen, die Sperrstunde vorzuverlegen. Adaptierungen
der Sperrstundenregelung forderten auch FPÖ, NEOS und Team Stronach in einem gemeinsamen Antrag, der ebenso
rückverwiesen wurde wie ein Initiativantrag von SPÖ und ÖVP, in dem klargestellt wird, dass Automatentankstellen
als Betriebsanlagen im Sinn der Gewerbeordnung gelten.
Änderungen im Wirtschaftskammergesetz sollen Kammermitglieder entlasten
Auf Basis eines Initiativantrags der Regierungsparteien verabschiedeten die Abgeordneten hingegen mit den Stimmen
von SPÖ, ÖVP und FPÖ Änderungen im Wirtschaftskammergesetz, die auf eine Entlastung bei der
Grundumlage abzielen. Bei Neugründungen entfällt nun im ersten Jahr nach der Gründung die Pflicht
zur Zahlung der Grundumlage, ein neuer degressiver Staffeltarif wiederum bewirkt bei steigendem Vorsteuervolumen
eine Senkung der Umlage. Darüber hinaus soll bei Vorliegen von mehreren Gewerbeberechtigungen, die allesamt
zur Mitgliedschaft in ein und derselben Fachorganisation führen, die Grundumlage nur noch für eine einzige
Fachorganisation anfallen. Neu im Gesetz ist weiters die ausdrückliche Berechtigung der Wirtschaftskammer,
Daten zur Bekämpfung von Pfusch zu sammeln und zu verarbeiten.
Einstimmigkeit über Novelle zum Maß- und Eichgesetz
Konsens herrschte über Anpassungen im Maß- und Eichgesetz. Die Novelle streicht bei einer Reihe von
Messgeräten, etwa bei Abwasserzählern oder Drehzahlmessern, die Eichpflicht. Für andere Geräte,
wie z.B. Längenmessgeräte, wiederum entfällt die Nacheichpflicht, während von der Verlängerung
der Nacheichfristen schließlich elektronische Elektrizitätszähler, Gaszähler oder Reifendruckmessgeräte
betroffen sind. Die Novelle soll nach fünf Jahren für die Verwender der Messgeräte eine Einsparung
von rund 15,2 Mio. € jährlich und den Entfall von 164.000 Messungen pro Jahr bringen.
SPÖ sieht bei der Gewerbeordnung noch Verbesserungsbedarf
Die Vorlage sei ein akzeptabler Kompromiss, der Neustart in der ÖVP biete nun aber die Chance, das zu erreichen,
was Reinhold Mitterlehner nicht durchsetzen konnte, meinte Christoph Matznetter (S). Die SPÖ hätte sich
noch mehr an Verbesserungen gewünscht, bestätigte auch Cornelia Ecker. Aktuell bleibt für die KMU-Sprecherin
der SPÖ vor allem die Forderung nach einem einzigen Gewerbeschein für alle freien Gewerbe. Ihre Fraktionskollegen
Wolfgang Katzian und Walter Schopf wandten sich mit Nachdruck gegen die Aushebelung der Kollektivvertragszuordnung
bei den Nebenrechten. So gehe es nicht an, dass sich Arbeitgeber aussuchen können, welchen Kollektivvertrag
sie zahlen, warnte Katzian. Schopf wiederum geht es auch darum, die Lehrlingsausbildung attraktiver zu machen.
Die Reform des Gewerberechts versuche, jene Fehler zu vermeiden, die in Deutschland oder den Niederlanden mit einer
zu weitgehenden Liberalisierung passiert sind, sagte Josef Muchitsch (S). Der vorliegende Entwurf erfüllt
seiner Ansicht nach das Ziel, die Qualität des Gewerbes zu erhalten. Franz Kirchgatterer (S) betonte den Wert
der Sozialpartnerschaft und erklärte, die gute Fachausbildung im österreichischen Gewerbe müsse
erhalten bleiben. Die Lehre müsse weiter gestärkt werden. Dieter Keck (S) schließlich begrüßte
die Änderungen im Maß- und Eichgesetz als wesentliche Entbürokratisierungen und Erleichterungen.
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ÖVP bedauert Scheitern der Novelle, signalisiert aber Gesprächsbereitschaft für Nachbesserungen
Gesprächsbereit zeigt sich Peter Haubner namens der ÖVP. Die Volkspartei sei gegen eine komplette Liberalisierung
der Gewerbe, stellte er klar und erteilte "amerikanischen Verhältnissen" eine klare Absage. Vielmehr
gelte es, Qualität und Qualifikation als Basis für die Gewerbe zu erhalten. Hermann Schultes (V) hob
in diesem Zusammenhang die Bedeutung der Meisterprüfung hervor und begrüßte im Übrigen alle
Schritte, die den Gewerbetreibenden das Leben einfacher machen. Für den Tourismus sei in dem Entwurf sehr
viel passiert, betonte Gabriel Obernosterer und bedauerte, dass die Erleichterungen nun nicht beschlossen werden
konnten. Für ein mittleres Hotel brauche man derzeit sechs verschiedene Gewerbescheine, mit der Novelle hätte
es nur eines einzigen Scheins bedurft, gab der ÖVP-Tourismussprecher zu bedenken. Positiv reagierte Brigitte
Jank (V) auf die Novelle des Wirtschaftskammergesetzes, von der sie sich eine erhebliche Entlastung der Betriebe
und eine Erneuerung der Kammerstrukturen erwartet. Die Betriebsanlagengenehmigungen sprach Andreas Hanger (V) an.
Für Elektrotankstellen werde diese künftig nicht mehr notwendig sein, dies sei ein wichtiger Schritt
zur Deregulierung. Josef Lettenbichler (V) bedauerte, dass eine fertig ausverhandelte Novelle nun nicht beschlossen
wird. Erfreut zeigte er sich darüber, dass die Entbürokratisierung des Maß- und Eichgesetzes gelungen
ist und großes Einsparungspotenzial enthält. Kathrin Nachbaur (V) sah ebenso wie Angelika Winzig (V)
die Novelle des Maß- und Eichgesetzes als gutes Beispiel des Bürokratieabbaus. Dies sei möglich,
weil man den technischen Fortschritt berücksichtige.
FPÖ vermisst Bürokratieabbau und Liberalisierung
Von den ambitionierten Ankündigungen sei nicht viel übrig geblieben, kommentierte Axel Kassegger (F)
die nun rückverwiesene Vorlage. So habe man die Möglichkeiten des Bürokratieabbaus nicht ausgeschöpft,
die Zahl der regulierten Gewerbe sei zudem nicht gesenkt, sondern sogar noch erhöht worden. Ein "Bürokratiemonster"
drohe durch die Bestimmung, wonach sämtliche Nebenrechte einem Kollektivvertrag zugeordnet werden müssen,
warnte Bernhard Themessl (F). Beide Mandatare pochten überdies ebenso wie Christian Höbart (F) auf die
Schaffung eines einheitlichen Gewerbescheins für alle freien Gewerbe. Wolfgang Klinger (F) begrüßte
die Beitragssenkung im Wirtschaftskammergesetz, forderte aber auch eine rasche Änderung des Wahlsystems der
Wirtschaftskammer. Er bezeichnete die "Zwangsmitgliedschaft" als anachronistisch und forderte eine Modernisierung
der Kammern. Auf die Komplexität des Gewerberechts wies Thomas Schellenbacher (F) hin. Viele geplante Regelungen
seien noch nicht eindeutig genug, um etwa für die KundInnen von Handwerkern bei Versicherungsfällen Rechtssicherheit
zu garantieren
Grüne warnen vor Verschlechterungen für Umwelt und AnrainerInnen
Die Vorlage sei bloß ein Flickwerk, eigentlich sollte das Gesetz komplett neu geschrieben werden, kritisierte
Matthias Köchl (G) und lehnte vor allem die Regelung über die Nebenrechte als unpraktikabel ab. Schwere
Vorbehalte erhob er auch gegen die Neuerungen im Betriebsanlagenrecht. Die Grünen seien nicht gegen Verfahrenskonzentration,
es dürfe aber nicht zu Verschlechterungen für die Umwelt und die AnrainerInnen kommen, stellte er im
Einklang mit Grünen-Umweltsprecherin Christiane Brunner klar. Was die Wirtschaftskammer betrifft, verlangte
er in einem bei der Abstimmung allerdings abgelehnten Entschließungsantrag eine Verschlankung, insbesondere
eine Bereinigung der Mehrfachstrukturen. Die Wirtschaftssprecherin der Grünen, Ruperta Lichtenecker, begrüßte
die Rückverweisung ausdrücklich und sieht darin auch eine Chance, weitere Verbesserungen für Start-Ups
zu beschließen. Heftige Kritik übte Birgit Schatz (G) daran, dass die ÖVP offenbar im Gewerberecht
die Lärmbelästigung durch Gaststätten verharmlosen wolle. Bewilligungsverfahren sollten die Frage
der Lärmbelästigung berücksichtigen, forderte sie. Georg Willi (G) zeigte sich verärgert über
das Wirtschaftskammergesetz. Die gesetzlich nicht gedeckte Praxis der Wirtschaftskammer, selber Jagd auf Pfuscher
zu machen, werde per Antrag der Abgeordneten Matznetter und Haubner kurzum legalisiert. Die Bekämpfung von
Pfusch müsse aber Aufgabe der Finanzpolizei bleiben.
NEOS fordern Aufhebung der Pflichtmitgliedschaft in der Wirtschaftskammer
Auch für NEOS-Klubobmann Matthias Strolz ist die Rückverweisung nun wichtig. Wenn man es ernst meint
mit einer unternehmerischen Linie und mit neuen Jobs, dann könne man keine zusätzlichen Reglementierungen
beschließen. Seinen Unmut weckt dabei auch die Rolle der Wirtschaftskammer bei der Überprüfung
der Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen durch die Unternehmer. Mit Nachdruck forderte er die Abschaffung der
Pflichtmitgliedschaft in der Kammer, wobei er feststellte, hier werde für das neue ÖVP-Team bald die
Stunde der Wahrheit kommen. NEOS-Wirtschaftssprecher Josef Schellhorn urgierte weiteren Bürokratieabbau und
plädierte für eine schlankere, serviceorientierte Wirtschaftskammer ohne Pflichtmitgliedschaft. Am Ende
des Tages werde der Wettbewerb immer zu einer Qualitätsverbesserung führen, dies gelte für die Gewerbe
ebenso wie für die Kammer, zeigte er sich überzeugt. Sein Fraktionskollege Gerald Loacker (N) fasste
die Kritik der NEOS an der Wirtschaftskammer in einem Entschließungsantrag zusammen und forderte darin die
gesetzliche Verankerung einer Möglichkeit für die Kammermitglieder auf Beendigung der Pflichtmitgliedschaft.
Diese Initiative fand bei der Abstimmung keine Mehrheit.
Team Stronach: Unternehmen werden zu Tode reguliert
Die Unternehmen werden nach wie vor bevormundet und zu Tode reguliert, befand Leopold Steinbichler (T), der vor
allem praxisferne Gesetze beklagte. In Entschließungsanträgen, die mit der Gewerbeordnungsnovelle rückverwiesen
wurden, erhob er die Forderung nach Streichung von zwei alten Regelungen für jede neue Regulierung. Zudem
tritt er für die Erhöhung des Netto-Jahresumsatzes auf 50.000 € als Voraussetzung für die Registrierkassenpflicht
ein.
Der fraktionslose Abgeordnete Rupert Doppler sah positive Aspekte der Gewerberechtsnovelle, forderte aber weitere
Entlastungen der Unternehmer. Gerhard Schmid (o.F.) verwies auf die Probleme des Wirtschaftsstandorts Österreich.
Diese brauche Bürokratieabbau, dieser dürfe aber nicht zu einer Verschlechterung im Bereich der Lehre
führen. Das Gewerberecht müsse entrümpelt und Unternehmen bei den Lohnnebenkosten entlastet werden.
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