"Kauft bei Juden! Geschichte
 einer Wiener Geschäftskultur"

 

erstellt am
16. 05. 17
13:00 MEZ

Jüdisches Museum Wien zeigt ab 17. Mai neue Ausstellung zu Wiener Kulturgeschichte
Wien (rk) - Das Jüdische Museum Wien, ein Museum der Wien Holding, widmet sich von 17. Mai bis 19. November in seiner neuen Ausstellung „Kauft bei Juden! Geschichte einer Wiener Geschäftskultur“ einem beinahe verschwundenen und vergessenen Teil der jüdischen Wiener Kulturgeschichte. Im Zentrum der Ausstellung stehen die Entwicklungs-, Erfolgs-, Migrations- und Familiengeschichten der GründerInnen und BesitzerInnen prominenter Wiener Unternehmen sowie ihr maßgebliches Engagement für den Weg Wiens in die Moderne. Der Ausstellungstitel ist ein Appell gegen das Vergessen, ein Aufruf zur Erinnerung an diese bedeutenden Unternehmen und deren AkteurInnen hinter den Geschäftsfassaden.

Wiener Stadtgeschichte
Die Entstehung von Kaufhäusern in Wien war Teil einer gesamteuropäischen Entwicklung des 19. Jahrhunderts. Dass viele der GründerInnen aus jüdischen Familien stammten, ist heute ebenso wenig bekannt, wie die einstige Existenz des Textilviertels im ersten Wiener Gemeindebezirk.

Prominente Häuser wie Gerngross, Zwieback, Neumann, Jacob Rothberger, Braun & Co., Goldman & Salatsch, Jungmann & Neffe und Knize, prägten die mondänen Einkaufsmeilen Wiens auf der Kärntner Straße und der Mariahilfer Straße. Die Ausstellung ruft aber auch die sogenannten Vorstadtwarenhäuser Dichter und Wodicka ins Gedächtnis der Stadt zurück. Mit ihren Betrieben leisteten diese Familien einen maßgeblichen Beitrag zur Wiener Stadtentwicklung und beeinflussten das wirtschaftliche, topografische, soziale und kulturelle Stadtbild bis in die Gegenwart.

Durch die Zäsur der Schoa verschwand diese von Wiener JüdInnen geprägte Geschäftskultur fast völlig. Erfolgsgeschichten von Vertriebenen lassen sich im Ausland nachzeichnen – wie etwa jene des Kostümbildners und Grafikers Ernst Deutsch-Dryden oder des Architekten, Stadtplaners und Erfinders der Shopping Mall, Victor Gruen. Viele Unternehmen konnten aber an die Erfolge der Zeit vor 1938 nicht mehr anknüpfen. Jedenfalls beschlossen die meisten nach 1945 nicht mehr nach Wien zurückzukehren. An die bedeutenden Kaufhäuser sowie an die zahlreichen von JüdInnen betriebenen Einzelhandelsbetriebe erinnern heute im Wiener Stadt- und Geschäftsbild nur noch die Namen mancher Nachfolgeunternehmen und in seltenen Fällen Teile der Bausubstanz.

Diesem „Verschwinden“ gegenübergestellt ist die Entwicklung des Textilviertels nach 1945. Bedingt durch Migration und Zuwanderung lassen sich hier individuelle Geschichten von Unternehmen wie Schöps, dem Tuchhaus Silesia, Wachtel & Co, Haritex, Zalcotex u.v.m. erzählen, die auch vom Wiederaufbau der Wiener jüdischen Gemeinde nach 1945 zeugen.

Vielfältige Objekte erzählen diese Geschichten nicht nur aus der Perspektive der BetreiberInnen, sondern berichten von Architektur und Inszenierung, den DesignerInnen, der Klientel sowie VerkäuferInnen, SchneiderInnen und SchaufensterdekorateurInnen, aber auch von Anfeindungen, Antisemitismus, Verlust, Flucht und Zerstörung. Die Ausstellung umfasst eine weit gefächerte Auswahl von Objekten – über Artikel, die dort verkauft wurden, Kleidungsstücke, Werbegrafik, Fotografien von Geschäften und ihren Besitzerfamilien, deren private Gegenstände, Büsten und Gemälde, Einrichtungsgegenstände aus den Geschäften bis hin zu Verpackungsmaterial aus den diversen Kaufhäusern.

Drei Erzählstränge begleiten die BesucherInnen auf ihrer Reise durch die Geschichte dieser Wiener Geschäftskultur. Von klassischen Kauf- und Warenhäusern über Einzelhandelsbetriebe, beispielsweise den jüdischen k.u.k. Hoflieferanten, bis hin zu den kleinen Geschäftslokalen des Textilviertels spannt die Ausstellung einen breiten Bogen vom ausgehenden 18. Jahrhundert bis in die Gegenwart. Das Jüdische Museum Wien hat die junge Wiener Künstlerin Kathi Hofer eingeladen, Motive der Ausstellung aufzugreifen und so mittels einer künstlerischen Intervention einen anderen Blick auf das Ausgestellte zu ermöglichen. Als Inspiration für den zweiteiligen Epilog – in Form einer „Stilkritik“ im Ausstellungskatalog und als Installation im Museum – diente ein ausgestelltes historisches Objekt.

Textilmetropole Wien
Fast alle Unternehmen die vorgestellt werden, handelten primär mit Textilien. Diese Schwerpunktsetzung ergibt sich durch die Tatsache, dass die meisten großen Wiener Kauf- und Warenhäuser als TextilhändlerInnen begonnen haben und erst im Laufe der Jahrzehnte ihr Sortiment erweiterten. Topographisch konzentriert sich die Ausstellung, mit Ausnahme der sogenannten Vorstadtwarenhäuser, auf zwei Ballungsräume des Konsums, die zwar auch heute noch dieselbe Funktion innerhalb der Stadt einnehmen, jedoch mit völlig verändertem Antlitz: zum einen der erste Wiener Gemeindebezirk mit seinen einstigen großen Kauf- und Warenhäusern im Bereich der Kärntner Straße sowie unzähligen kleinen Geschäften rund um den Rudolfsplatz und den Salzgries; zum anderen die Mariahilfer Straße als imposanter Einkaufsboulevard zwischen Innerer Stadt und dem Westbahnhof.

Ziel dieser Ausstellung ist es, diese Wiener Geschäftskultur durch ein Sichtbarmachen bzw. Wiederbewusstmachen in das Gedächtnis der Stadt zurück zu holen. So wird den bedeutenden Leistungen von JüdInnen für Wien, derer sich diese Stadt erst in den letzten zwei Jahrzehnten Schritt für Schritt wieder erinnert, ein weiteres Kapitel hinzugefügt.

Zu der von Astrid Peterle und Janine Zettl (Assistenz) kuratierten und von Viola Stifter gestalteten Ausstellung erscheint auch ein zweisprachiger Katalog zum Preis von EUR 29,95 im Amalthea Signum Verlag mit zahlreichen farbigen, teils noch nie zuvor veröffentlichten, Abbildungen, der im Bookshop Singer erhältlich ist.

 

 

 

Weitere Informationen:
http://www.jmw.at

 

 

 

 

 

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