Ausstellung von 2. Juni bis 10. September 2017
Wien (21er haus) - Mit Erwin Wurm präsentiert das 21er Haus eine der bedeutendsten Positionen der österreichischen
Gegenwartskunst. Der international renommierte Künstler ist 2017 weltweit in mehreren großen Ausstellungen
vertreten und bespielt neben Brigitte Kowanz den Österreichischen Pavillon auf der Biennale in Venedig. Im
21er Haus zeigt er seine Werkgruppe der Performativen Skulpturen.
Seit über 35 Jahren lotet Erwin Wurm die Grundbedingungen der Skulptur wie Masse, Volumen, Gewicht, Statik
und Proportion aus. Er überspitzt diese kunstimmanenten Kategorien und stellt sie unseren gesellschaftspolitischen
Normen und Wertvorstellungen gegenüber.
Die soziale und zeitliche Dimension der Skulptur definiert Erwin Wurm mit den One Minute Sculptures neu, indem
er die Handlung zur Skulptur erklärt. Während der Bildhauer hier künstlerische Autorenschaft und
Ausführung voneinander trennt, bringt er sie bei den Performativen Skulpturen wieder enger zusammen. Wurm
legt bei dieser Werkgruppe selbst Hand an, indem er Modelle oder rohe Blöcke aus Ton attackiert und mit viel
Körperkraft und teilweise auch mit Hilfsmitteln deformiert. Im Anschluss gießt der Künstler die
geschundenen Modelle häufig in Bronze, Aluminium, Eisen oder Kunstharz ab, überzieht sie dann mit Farbe
oder patiniert sie. Es entsteht ein spannungsgeladener Dialog zwischen der Urform des Materials und den Spuren
des performativen Eingriffs. Der Körper wird dabei zum Material und Medium von Handlungsvollzügen.
Mit den Performativen Skulpturen begann Erwin Wurm bereits Anfang der 1990er-Jahre eine gänzlich neue Form
des künstlerischen Ausdrucks zu entwickeln. Seit 2011 arbeitet der Künstler wieder verstärkt an
diesem Werkblock, der im 21er Haus nun erstmals umfassend präsentiert wird. Ein Großteil der über
50 ausgestellten performativen Skulpturen und Plastiken ist eigens für diese Schau entstanden. Wurm überträgt
hier Zornausbrüche in skulpturale Schaffensprozesse. Er überspitzt so das Prinzip der bildhauerischen
Geste und persifliert sie.
Bei der Serie House Attack attackiert der Bildhauer Modelle von teils bekannten, teils anonymen Bauten, zu denen
er einen persönlichen Bezug hat. So legt er sich etwa auf sein Elternhaus und deformiert es durch sein Körpergewicht,
springt auf den Narrenturm, gräbt ein Loch ins Hochsicherheitsgefängnis Stammheim oder tritt gegen eine
deutsche Bunkerarchitektur. Indem Häusertypen malträtiert werden, denen eine verhaltenskorrigierende
Funktion eingeschrieben ist, wird der Akt der Zerstörung zur Rebellion gegen Angepasstheit und Regulierung.
Ausgangspunkt einer weiteren Serie, genannt Beat and Treat, ist der rohe Industrie-Tonblock, an dem sich der Künstler
austobt. Zwei zusätzliche Untergruppen der Performativen Skulpturen sind Furnitures und Objects. Bei den Furnitures
fokussiert Wurm auf Einrichtungsgegenstände wie Sofa, Sessel, Liege, Kommode oder Kühlschrank. Die Objects
gehen von Dingen wie Seifenspender, Wanduhr, Mobiltelefon, Maßband oder Pistole aus.
Als sichtbarer Vorbote der Ausstellung im 21er Haus wurde das 2016 für die Belvedere-Sammlung angekaufte Fat
House vor dem Oberen Belvedere positioniert. Dort tritt es in einen spielerischen Dialog mit der barocken Architektur
des Schlosses. In der begehbaren Skulptur hält eine Animation des übergewichtigen Hauses einen Monolog
über den Sinn des Lebens, Kunst und Architektur. Eine unterhaltsame und ironische Reflexion über die
Symptome unseres Wohlstands und eine Einladung, über existenzielle Fragen nachzudenken.
Die Ausstellung wird kuratiert von Severin Dünser und Alfred Weidinger.
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