EU-Unterausschuss begrüßt Initiative; Minister Leichtfried ortet Divergenz zwischen
Ambitionen und tatsächlicher Politik
Brüssel/Wien (pk) - Verkehrsthemen standen am 24.05. im Mittelpunkt des EU-Unterausschusses, die die
Abgeordneten ebenfalls mit Bundesminister Jörg Leichtfried diskutierten. Ihnen lag die Deklaration von Valletta
zur Steigerung der Verkehrssicherheit und die Mitteilung der Kommission unter dem Titel "Eine europäische
Strategie für emissionsarme Mobilität" vor.
EU will 2050 keine Verkehrstoten mehr auf Europas Straßen
Was die Senkung der Verkehrstoten betrifft, so hat die EU sehr ambitionierte Ziele. Von 2020 bis 2030 soll die
Zahl der Verkehrstoten und Verletzten halbiert werden, bis 2050 sollte es laut EU-Kommission keine Toten mehr auf
den Straßen der Union geben. Grundlegendes Papier dafür ist die sogenannte Valetta-Deklaration, die
am 29. März 2017 alle EU-Mitgliedsländer sowie Norwegen, Bosnien-Herzegowina und Albanien unterzeichnet
haben. Das Dokument ist ein politisches Bekenntnis zu noch mehr Anstrengungen im Interesse der Verkehrssicherheit.
Es umfasst sowohl politische Maßnahmen als auch Maßnahmen im Bereich der technischen Ausstattung, der
Infrastruktur und bei der Lenkerausbildung.
Dass es möglich ist, die Zahl der Verkehrstoten durch geeignete Schritte zu reduzieren, beweisen die Zahlen.
Im vergangenen Jahr kamen laut Verkehrsministerium 25.500 Menschen auf den Straßen innerhalb der EU ums Leben,
das waren 600 Personen weniger als im Jahr zuvor.
Auch innerstaatlich beginnen die gesetzten Maßnahmen zu wirken, versicherte Verkehrsminister Jörg Leichtfried.
Als Hauptgrund für die meisten Unfälle nannte er die Ablenkung, insbesondere durch das Telefonieren mit
dem Handy. Nicht zu unterschätzen sei eine plötzliche kurzfristige Unachtsamkeit, sagte er. Als großes
Problem haben sich auch die junge männlichen Autofahrer erwiesen, weshalb die Ausdehnung des Probeführerscheins
der richtige Weg war. Bei der Strategie gegen die nicht angepasste Geschwindigkeit sei man gut weitergekommen,
stellte der Minister fest.
Ablenkungen während des Fahrens sind größte Gefahrenquelle
Die Abgeordneten unterstützten den Minister bei seinen Bemühungen weitgehend. Georg Willi (G) sprach
sich dafür aus, das Telefonieren oder auch das Spielen mit dem Handy während des Fahrens mit wesentlich
härteren Sanktionen zu belegen. Die FahrerInnen verlassen sich auch zunehmend auf Assistenzsysteme, was nach
Ansicht Willis ebenfalls zu mehr Unachtsamkeit verleitet. Demgegenüber meinte Christian Hafenecker (F), Assistenzsysteme
würden zur Verkehrssicherheit beitragen und sollten gezielt gefördert werden. Für viele seien derartige
Systeme nicht leistbar. Das griff der Minister gerne auf, da derartige Systeme aus seiner Sicht durchaus nützlich
sind, Unfälle zu vermeiden. Auch aus industriepolitischer Sicht will er über eine solche Förderung
nachdenken.
Angesichts der Tatsache, dass die Autos immer größer werden, hält es Willi zudem für erforderlich,
weitere Tempolimits zu erlassen, das trage auch wesentlich zur Luftqualität bei. Er regte weiters an, noch
mehr Begegnungszonen zu schaffen. Auch damit stand er im Widerspruch zum freiheitlichen Abgeordneten Hafenecker.
Einig waren sich die Abgeordneten darin, mehr auf die FußgängerInnen zu achten, wobei Willi (G) die
Verantwortung für die eigene Sicherheit, etwa durch gut sichtbare Kleidung, nicht allein bei den FußgängerInnen
sehen möchte. Die Straßenverkehrssicherheit sei eine Gesamtverantwortung aller, wandte dazu Bundesminister
Leichtfried im Gleichklang mit den Abgeordneten Hannes Weninger (S) und Andreas Ottenschläger (V) ein. Es
gelte, bei allen VerkehrsteilnehmerInnen das notwendige Bewusstsein zu schärfen, waren die beiden Abgeordneten
einer Meinung. Abgeordneter Anton Heinzl (S) forderte, etwas gegen jene zu tun, die bei Verkehrsunfällen langsam
fahren, fotografieren und filmen und dabei die Hilfsorganisationen behindern. In diesem Zusammenhang verwies er
auf das deutsche Beispiel, wo es eine Straferhöhung gegenüber derartigen Gaffern gibt. Er verschließe
sich nicht gegen Verschärfungen, meinte dazu Ottenschläger (V), man müsse aber auch an die Vollziehbarkeit
denken. Der Vorschlag Hafeneckers (F), die Mittellinien wieder gelb zu markieren, fand bei den anderen Ausschussmitgliedern
keine Unterstützung.
Was die LKW-Sicherheit betrifft, so entstehe ein großes Problem durch mangelnde Rundumsicht vor allem im
städtischen Raum, erläuterte der Minister. Die LKW-Lobby habe sich bislang erfolgreich gegen eine entsprechende
Nachrüstung gewährt, warf Georg Willi (G) ein. Anton Heinzl (S) warnte im Rahmen dieser Debatte davor,
die Durchfahrt durch Gigaliner zu erlauben, und erinnerte an den Beschluss aller sechs Fraktionen gegen derartige
Groß-LKW.
Abermals scharfe Kritik an deutscher Autobahnmaut
Thema bei diesem Diskussionspunkt war auch die Deutsche Autobahnmaut, die Anton Heinzl (S) einmal mehr als
diskriminierende Ausländermaut bezeichnete. Die Anregung von Christian Hafenecker (F), man könnte ja
zunächst einmal den kleinen Grenzverkehr bilateral lösen, hielt Hannes Weninger (S) für den falschen
Ansatz. Er warnte davor, in einer Phase, in der Österreich geschlossen vorgeht, mit kleineres Kompromissvarianten
vorzupreschen.
Nach Auskunft des Ministers müsste Österreich mit der Klage warten, bis die Unterschrift des deutschen
Bundespräsiden unter dem Gesetz vorliegt und dieses kundgemacht wurde. Abzuwarten sei zudem das dreimonatige
Mediationsverfahren bei der Europäischen Kommission. Der Minister übte auch Kritik an seinem deutschen
Amtskollegen, mit dem es nicht möglich gewesen sei, direkt über diese Frage zu sprechen. Der Minister
rechnet mit einem erfolgreichen Verfahren vor dem EuGH, alles andere hätte weit über die Maut hinausgehende
Konsequenzen, merkte er an.
Allgemein stellte Leichtfried fest, die Maut in Österreich funktioniere gut. Im Zuge der neuen Wegekostenrichtlinie
führe man Gespräche, um noch mehr Möglichkeiten zu bekommen.
EU-Vorstoß für emissionsarme Mobilität verbunden mit Innovation und Wirtschaftlichkeit
Mit der im Juli dieses Jahres verabschiedeten europäischen Strategie für emissionsarme Mobilität
will die Kommission Leitprinzipien für die Mitgliedstaaten erstellen, die sowohl der Notwendigkeit der Reduktion
von Schadstoffemissionen als auch der der Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und dem Mobilitätsbedarf
von Menschen und Gütern Rechnung trägt. Die Strategie ist als ein Instrument gedacht, um die europäische
Wirtschaft zu modernisieren und den Binnenmarkt zu stärken. Die Kommission wendet mit dieser Strategie aber
auch den Blick auf die Bürgerinnen und Bürger, die von einer besseren Luftqualität, weniger Lärm,
mehr Verkehrsentlastung und mehr Sicherheit sowie von effizienteren und sparsameren Kraftfahrzeugen profitieren
sollen. Die Strategie stützt sich auf bestehende Mechanismen und Fonds, wobei die aktuelle Investitionsoffensive
für Europa eine wichtige Rolle spielt.
Bundesminister Jörg Leichtfried begrüßte die Rahmenstrategie als wichtigen Beitrag zur Dekarbonisierung
des Verkehrssektors bis zum Jahr 2050. Die EU-Maßnahmen müssen selbstverständlich durch nationale
Schritte ergänzt werden, sagte der Minister, der diesen Schwerpunkt auch als eine große Chance für
die österreichische Wirtschaft bezeichnete. Österreich hat als Beitrag zur Erreichung der Ziele des Pariser
Klimavertrags bereits im Dezember des Vorjahres einen Strategierahmen "Saubere Energie im Verkehr" erstellt.
Leichtfried: E-Mobilität bedarf einer ökologischen Energiestrategie
Trotz der positiven Bewertung äußerte Leichtfried aber auch Zweifel an der Durchsetzung, da immer
wieder eine Divergenz zwischen Ambitionen und tatsächlicher Politik bei der EU-Kommission zu bemerken sei.
Das sehe man beispielsweise auch beim positiven Zugang der Kommission zu den Gigalinern. Intensiv werde derzeit
auch die neue Wegekostenrichtlinie diskutiert, insbesondere über von Emissionsklassen abhängige Mauten.
Es sei aber noch nicht klar, in welche Richtung das Ganze gehen soll.
Teilweise wurde in der Debatte auch die Befürchtung geäußert, dass durch den zusätzlichen
Strombedarf für die E-Mobilität der Atomstrom als vermeintlich saubere Energie gefördert werden
könnte (Franz Leonhard Eßl (V) und Christian Hafenecker (F)). Die Bedenken konnte der Minister nicht
ausräumen, da man in Europa anders denkt und der Atomstrom weitgehend als sauber anerkannt ist. Grundsätzlich
merkte er an, dass die E-Mobilität auch einer Energiestrategie bedarf, und zwar mit Schwerpunkt einer ökologisierten
Energie.
Leichtfried sah den Wandel, auch wenn er langsam vorangeht, als eine zusätzliche Chance und für Österreich
wird es ihm zufolge darum gehen, dabei vorne und Taktgeber zu sein. Als wesentliche Faktoren dabei sieht er die
Forschungsförderung und die Forschungsprämie. Leichtfried wandte sich auch entschieden dagegen, bestimmte
technische Lösungen vorzuschreiben, festgelegt werden sollten lediglich Grenzwerte. Die Technologieneutralität
sei ihm ein besonderes Anliegen, stellte er fest.
Auch wenn die Strategie allseits unterstützt wurde, kamen von den Abgeordneten Bedenken. So plädierte
Andreas Ottenschläger (V) dafür, die Produktionskette und den Lebenszyklus der Fahrzeuge in Betracht
zu ziehen. Er warnte davor, Unsicherheit bei Industrie und VerbraucherInnen entstehen zu lassen, und sprach sich
dafür aus, klare Signale zu setzen. Damit stieß er auch auf Verständnis beim Minister. Ähnlich
argumentierten Abgeordneter Franz Leonhard Eßl (V) und Michael Bernhard (N). Die Wirtschaftlichkeitsberechnung
sei genau anzustellen, betonte Eßl. Es seien auch noch Fragen zu klären, wie manche Materialien entsorgt
werden können.
Die Kunst sei es, zu fördern und zu fordern, aber so, dass die Leute mitkommen, so der Befund von Georg Willi
(G), der auf politische Maßnahmen zur Förderung emissionsarmer Mobilität drängte, auch wenn
diese hart sein sollten. Willi führte in diesem Zusammenhang mehrere Beispiele an, wo sich die Industrie zunächst
gegen Neuerungen gewehrt und dann sehr rasch die wirtschaftlichen Chancen wahrgenommen hat und umgestiegen ist.
Die Industrie ist viel leistungsfähiger als man manchmal denkt, sagte er. Zudem forderte Willi einen fairen
Wettbewerb zwischen der Schiene und der Straße.
Minister Leichtfried zeigte sich auch offen für den Vorschlag von Christian Hafenecker (F), das Rechtsabbiegen
bei Rot zu erlauben. Das würde vor allem im städtischen Bereich viele schädliche Emissionen sparen,
so dessen Argument.
E-Mobilität: EU drängt auf Tempo
Wie das EU-Dokument festhält, sollen digitale Technologien, insbesondere kooperative intelligente Verkehrssysteme,
besser genützt werden, um die Verkehrssicherheit zu erhöhen und den Verkehr effizienter und attraktiver
zu gestalten. Weiter soll die Verkehrsverlagerung auf emissionsärmere Verkehrsträger gefördert und
die Effizienz des Verkehrssystems gesteigert werden. Nachdem der Verkehrssektor in der EU noch immer zu etwa 94%
vom Erdöl abhängt, drängt man zudem auf die eine raschere Einführung emissionsarmer alternativer
Energieträger im Verkehrssektor - u. a. durch fortschrittliche Biokraftstoffe, Strom und synthetische Kraftstoffe
aus erneuerbaren Energiequellen – sowie auf den Übergang zu emissionsarmen und emissionsfreien Fahrzeugen.
In diesem Zusammenhang misst die Kommission der Förderung von Forschung und Innovation im Hinblick auf emissionsarme
Mobilität besondere Bedeutung bei, starke Innovationsanreize sollen beschleunigend wirken. Außerdem
sucht man, mehr Synergien zwischen dem Energie- und dem Verkehrssystem zu erzielen. Die Kommission hat auch bereits
einige wichtige Maßnahmen in Bezug auf das Verfahren zur Messung und Kontrolle der Abgasemissionen von Fahrzeugen
vorgeschlagen und umgesetzt, um sicherzustellen, dass Normen auch etwas bewirken und man sich darauf verlassen
kann.
Da die Verkehrsbranche ein wichtiger Arbeitgeber ist, werden ArbeitnehmerInnen im Rahmen der Europäischen
Agenda für neue Kompetenzen dabei unterstützt, die für den technologischen Übergang zu emissionsarmer
Mobilität notwendigen Fähigkeiten zu erlangen.
Städte und Gemeinden sind zudem aufgefordert, Anreize zur Nutzung emissionsarmer alternativer Energien und
Fahrzeuge zu bieten und die Verlagerung des Verkehrs zu öffentlichen Verkehrsmitteln und/oder gemeinsamen
Mobilitätslösungen (z.B. Bike-/Car-Sharing und Fahrgemeinschaften) zu fördern und die BürgerInnen
zu aktiver Fortbewegung (Rad- und Fußverkehr) zu motivieren. Vor allem ist es in den Augen der Kommission
erforderlich, die CO2-Emissionen von LKW, Stadtbussen und Fernbussen zu reduzieren. Auf diese Fahrzeuge entfällt
derzeit rund ein Viertel der straßenverkehrsbedingten CO2-Emissionen bei steigender Tendenz.
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