Krems (kunsthalle) - Die erste große Themenschau in der neu sanierten und wiedereröffneten Kunsthalle
Krems ist Abstract Painting Now! Gerhard Richter, Katharina Grosse, Sean Scully … Mit etwa sechzig künstlerischen
Positionen legt die Ausstellung ihren Schwerpunkt auf die aktuelle internationale Situation des ungegenständlichen
Tafelbildes – kuratiert von Florian Steininger.
Für die Zentrale Halle der Kunsthalle Krems realisiert Tobias Pils eine Malerei-Installation. In freimütiger
Verschränkung von abstrakten und figurativen Passagen sind seine malerischen und zeichnerischen Setzungen
ein Gefecht zwischen der Logik der nächsten Schritte und deren Aushebelung, kuratiert von Verena Gamper.
Die beiden Ausstellungen in der Kunsthalle Krems werden von 2. Juli bis 5. November 2017 geöffnet sein.
Die Dominikanerkirche im Herzen der Kremser Altstadt wird zu einem zusätzlichen, im Sommer bespielbaren Ausstellungsort
der Kunsthalle Krems. Die erste Schau richtet Sébastien de Ganay mit einer in situ-Installation ein, kuratiert
von Andreas Hoffer.
Die Kunsthalle Krems setzt künftig mit arrivierten und aktuellen, jungen Positionen auf eine interdisziplinäre,
progressive und internationale Ausrichtung
Die Kunsthalle Krems hat sich in den vergangenen 20 Jahren im Bereich der zeitgenössischen Kunst zu einer
Institution mit nationaler und internationaler Strahlkraft entwickelt. Nach erfolgter Generalsanierung und Wiedereröffnung
am 1. Juli 2017 wird Florian Steininger als neuer künstlerischer Direktor diesen Weg konsequent weitergehen.
"Die Kunsthalle Krems ist und bleibt das internationale Ausstellungshaus für aktuelle Kunst in Niederösterreich",
hält Florian Steininger fest, "meine Programmatik speist sich aus der Kunst seit 1945, wobei ich den
Schwerpunkt auf das Zeitgenössische legen werde. Die Kunsthalle Krems wird arrivierten wie auch aufstrebenden
jungen Positionen aus dem In- und Ausland eine große Plattform bieten, auf der innovative, medienübergreifende,
gesellschaftsaktuelle und kunstspezifische Beiträge verhandelt werden."
Die erste große Themenschau Abstract Painting Now! Gerhard Richter, Katharina Grosse, Sean Scully ... bildet
den Ausgangspunkt für die Programmlinie des neuen künstlerischen Direktors. Zudem werden umfangreiche
Ausstellungen Einblicke in hochkarätige private Sammlungen von moderner und zeitgenössischer Kunst geben,
wie zum Beispiel in die Schweizer Privatkollektion von Hubert Looser (Zürich). Die mediale Ausrichtung der
Kunsthalle Krems reicht von den klassischen Disziplinen wie Malerei, Zeichnung und Skulptur über Fotografie,
Video, Film und Performance bis zu Installation und anderen konzeptuellen sowie neumedialen Disziplinen. Durch
die alljährliche Kooperation mit dem donaufestival unterstreicht die Kunsthalle Krems ihre interdisziplinäre
und progressive Ausrichtung.
Das Augenmerk von Florian Steininger liegt auch auf einem erweiterten Kunstvermittlungs- programm. "Als Kurator
und als Direktor sehe ich mich auch als kunstvermittelnde Person; sehr oft geht es um eine Entschlüsselung
einer ‚stummen' Kunst, die eine andere Art von Sprache als die unsrige kennt. Diese Tore zu öffnen, ist entscheidend",
begründet der künstlerische Direktor und fügt hinzu: "Die künftigen Besucher/innen der
Kunsthalle Krems sollen die Ausstellungen nicht nur auf einer sinnerfassenden Ebene begreifen, sondern vor allem
als sinnlich emotionales Erlebnis."
Die Kunsthalle Krems wurde in den vergangenen Monaten einer Generalsanierung unterzogen. Nach 21 Ausstellungsjahren
mit mehr als 1,3 Millionen Besucher/innen waren Sanierungsarbeiten dringend nötig. Dazu gehörten u.a.
die Dachsanierung, eine verbesserte Konditionierung der Ausstellungsräume, die Neugestaltung des Eingangsbereichs,
die unterirdische Verbindung zum geplanten Neubau der Landesgalerie Niederösterreich vis á vis der
Kunsthalle Krems, die Einrichtung einer Studienbibliothek aus den Beständen der Kunstmeile Krems sowie die
Erweiterung der Büroräumlichkeiten.
Die Wiedereröffnung erfolgt am 1. Juli 2017. Mit der Dominikanerkirche gewinnt die Kunsthalle Krems 2017 noch
einen zusätzlichen Ausstellungsort. Der Fokus liegt hier auf raumbezogenen Projekten in der gotischen Sakralarchitektur.
Als erstes wird dort ein Installations-Projekt des in Österreich lebenden französischen Künstlers
Sébastien de Ganay zu sehen sein.
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Abstract Painting Now!
Gerhard Richter, Katharina Grosse, Sean Scully ...
02.07.-05.11.2017
Kunsthalle Krems
Die Abstraktion gilt in der Moderne als eine der signifikanten formalen Artikulationen und ist insbesondere mit
der Malerei aufs Engste verbunden. Der konsequenten Analyse des Mediums bis zum Nullpunkt in der Avantgarde der
1910er-Jahre folgte ein stetiges Wiederaufkeimen der ungegenständlichen Malerei, vor allem im Abstrakten Expressionismus,
im Informel und in der Minimal Art. In der nachmodernen Abstraktion der 1960er-Jahre trat ein Skeptizismus gegenüber
der Malerei und der schöpferischen Autorschaft auf, dem in der postmodernen Phase ab den 1980er-Jahren mit
Sinnlichkeit und Intuition entgegnet wurde.
Die Ausstellung Abstract Painting Now! wird mit etwa sechzig künstlerischen Positionen ihren Schwerpunkt auf
die aktuelle internationale Situation des ungegenständlichen Tafelbildes legen und das weite Feld einer immer
noch bedeutenden malerischen Praxis auffächern.
Historische Basis der Schau ist die Entwicklung im Anschluss an den Abstrakten Expressionismus, die vor allem
von Gerhard Richter und Sigmar Polke getragen wurde. Ersterer wandte sich nach einer Periode der Agonie, in der
seine grauen Vermalungen entstanden, dem Schönen, scheinbar Expressiven zu. Letzterer setzte Abstraktion als
ironische Paraphrase ein und kommentierte damit die Wahrhaftigkeit des Pinselstrichs als Markierung des künstlerischen
Ichs.
Dekonstruktion, Kritik an der Autorschaft, Mix, Zitat und Ornament sind einige der wesentlichen Parameter in der
aktuellen abstrakten Malerei, wenn etwa Wade Guyton seine minimalistischen Streifenbilder von einem Tintenstrahldrucker
erzeugen lässt. Katharina Grosse tauscht den klassischen Pinsel gegen die Airbrushpistole und kreiert irisierende
colour fields. In der modernen Malerei galt das Ornament als Verbrechen, als nutzlose Schlacke der autonomen Kunst.
In der stilpluralistischen Postmoderne findet es in der Abstraktion bei Ross Bleckner und Philip Taaffe wieder
einen Platz. Der erweiterte Abstraktionsbegriff schließt auch Natur und Landschaft in Form neoromantisch-
expressiver Farbfelder wie jener von Per Kirkeby ein. Bei Sean Scully paaren sich Konstruktiv-Geometrisches und
malerische Atmosphäre in einer Synthese von Ratio und Emotion. Spiritualität und geometrische Abstraktion
in der Nachfolge von Kasimir Malewitsch und Barnett Newman sind bei Helmut Federle essenzielle Kriterien. Bei Brice
Marden und Lee Ufan speichert der Pinselstrich als Zeichen des meditativen Akts das Geistige in der Kunst. Diese
Ernsthaftigkeit und diese Konzentration auf Geist und Bild sind auch in den monochromen Gemälden von Marcia
Hafif, Joseph Marioni und Günter Umberg anzutreffen.
Ebenso haben sich in Österreich Tendenzen der neuen Abstraktion entwickelt, die ein selbstverständliches
größeres Ganzes mit den internationalen Positionen bilden: Ab den 1980er-Jahren stehen konzeptuelle
neugeometrische Arbeiten von Ernst Caramelle, Gerwald Rockenschaub und Heimo Zobernig neben Farbfeldmalereien von
Erwin Bohatsch, Herbert.
Brandl, Hubert Scheibl und Walter Vopava. Darauf folgen in der Ausstellung jüngere Positionen, die das Projekt
Abstraktion bis heute in voller Bandbreite fortführen.
Zur Ausstellung erscheint der Katalog Abstract Painting Now! Gerhard Richter, Katharina Grosse, Sean Scully ...
mit Texten von Heinrich Klotz, Ulrich Loock, Demetrio Paparoni und Florian Steininger.
Kurator: Florian Steininger
Künstler/innen
Tomma Abts, John M. Armleder, Ross Bleckner, Erwin Bohatsch, Herbert Brandl, André Butzer, Ernst Caramelle,
Gunter Damisch, Svenja Deininger, Helmut Federle, Günther Förg, Mark Francis, Bernard Frize, Jakob Gasteiger,
Rudolf Goessl, Franz Grabmayr, Katharina Grosse, Wade Guyton, Marcia Hafif, Peter Halley, Nancy Haynes, Mary Heilmann,
Secundino Hernández, Callum Innes, Martha Jungwirth, Franco Kappl, Per Kirkeby, Imi Knoebel, Kurt Kocherscheidt,
Suse Krawagna, Jonathan Lasker, Eugène Leroy, Caitlin Lonegan, Brice Marden, Joseph Marioni, Jason Martin,
Sarah Morris, Frank Nitsche, Walter Obholzer, Albert Oehlen, Ahmet Oran, Sigmar Polke, Arnulf Rainer, Gerhard Richter,
Gerwald Rockenschaub, Thomas Scheibitz, Hubert Scheibl, Adrian Schiess, Christoph Schirmer, Josef Schwaiger, Sean
Scully, Pat Steir, Rudolf Stingel, Philip Taaffe, Liliane Tomasko, Lee Ufan, Günter Umberg, Juan Uslé,
Charline von Heyl, Walter Vopava, Christopher Wool, Natalia Za?uska, Otto Zitko, Heimo Zobernig.
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Tobias Pils Untitled
02.07.-05.11.2017
Kunsthalle Krems
Für die Zentrale Halle der Kunsthalle Krems realisiert Tobias Pils eine Malerei-Installation. In freimütiger
Verschränkung von abstrakten und figurativen Passagen sind seine malerischen und zeichnerischen Setzungen
ein Gefecht zwischen der Logik der nächsten Schritte und deren Aushebelung. Wie ein Haken schlagender Hase
spielt sich Pils gegen sich selbst frei, Elemente wie Maschen, Wimpern, Füße und Gitter treffen auf
opake Flächen, Lasuren oder verwaiste Zonen. Diese instabile Masse definiert sich durch Übergänge,
die in der Bewegung des parallelen Adressierens und Abweisens die Spannung des achromatischen Bildes auf dem Höhepunkt
halten.
Obwohl seine Gemälde autarke Einheiten sind, reflektiert Pils intensiv den Charakter der Räume, in denen
seine Arbeiten präsentiert werden. In seiner für die Zentrale Halle der Kunsthalle Krems entwickelten
Malerei-Installation greift Pils die Möglichkeit auf, dieses Atrium als Tageslichtraum zu inszenieren. Ursprünglich
von Adolf Krischanitz als solches konzipiert, war die Glasdecke die vergangenen Jahre hindurch abgedeckt und der
Raum mit Kunstlicht erhellt. Pils widersetzt sich der Logik des Raumes, indem er auf die naheliegende Verwendung
der Wand als Präsentationsfläche verzichtet. Durch die Aktivierung der frontalen Glaswand für die
Installation ordnet er den Raum den Notwendigkeiten seiner Malerei unter.
Ein Fuß am unteren Bildrand ermöglicht den Einstieg ins Bild. Doch neben flächigen Formen sowie
Linien- und Gitterstrukturen erscheint er plötzlich als eine rein der Komposition geschuldete Setzung und
büßt seine Glaubwürdigkeit als Träger von Narration ein. Diese wird in der näheren Umgebung
des Fußes regelrecht ausgeblutet. An den Seiten der unteren Bildebene finden sich fahrige Klammern, während
daneben große Teile des Bildträgers mit der dünnen, ansonsten als Untergrund verwendeten Farbschicht
auskommen müssen. Ein Hybrid aus makroskopischem Gewebe, skizziertem Mauerwerk und abstraktem Liniengeflecht
trägt den vertikalen Bildaufbau in der Mittelachse. Über allem ruhen schließlich drei liegende
Schwangere, die prallen Bäuche und Brüste schwerelos in die Luft gereckt. In der rhythmischen Struktur
des An- und Abschwellens bilden sie neben einer Horizontlinie auch eine ornamentale Bordüre aus. Im Zusammenfallen
von Figürlichem und Ornamentalem liegt die Quintessenz der Malerei von Tobias Pils: Beim schrankenlosen Aufblättern
seiner Empfindungen im Malprozess wird das Intimste nach außen gekehrt, bis zu dem Punkt, an dem das Persönliche
Allgemeingültigkeit erlangt. An diesem Punkt ist es dann auch möglich, drei Schwangere im Rapport des
Frieses zu befrieden.
Parallel zur Malerei-Installation Tobias Pils. Untitled entsteht das Künstlerbuch Tobias Pils. Doves mit dem
titelgebenden Gedicht des amerikanischen Lyrikers Henri Cole und einem Text der Kuratorin Verena Gamper. Das Buch
erscheint zur Eröffnung der Installation am 1.7.2017 im Verlag für moderne Kunst.
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Sébastien de Ganay Transposition and Reproduction
02.07.-15.10.2017
Kunsthalle Krems in der Dominikanerkirche
Die Dominikanerkirche im Herzen der Kremser Altstadt wird zu einem zusätzlichen, im Sommer bespielbaren
Ausstellungsort der Kunsthalle Krems. Die erste Schau richtet Sébastien de Ganay mit einer in situ-Installation
ein. Im Zentrum seiner Auseinandersetzung steht die Transformation des sakralen in einen säkularisierten Ort.
Im heutigen Ausstellungsraum fehlen zwar alle Elemente der christlichen Liturgie, seinen spirituellen Charakter
hat sich der architektonisch starke Raum aber bewahrt. De Ganay benutzt für seine Objekte liturgische Elemente,
die er in eine zumeist abstrakt-minimalistische Formensprache übersetzt. Die Kunstwerke sind autonom, treten
aber in einen Dialog mit dem Raum und den Betrachter/innen.
Alle Objekte, die Sébastien de Ganay dafür entworfen hat, zeugen von seiner Auseinandersetzung mit
Zeit, Material und Materie, mit Abstraktion und Alltag, mit den Grenzen zwischen Kunst und Leben; oder auch mit
deren Aufhebung, was bei Betrachter/innen zwangsläufig zu Irritationen führt. Der formale Minimalismus
seiner Arbeiten, wie auch die sorgfältige Auswahl der verwendeten Materialien verweisen auf die präzise
Konzeption seiner Gedankenübertragungen. Die Funktionalität einer Form, zum Beispiel eines Betstuhls,
wird durch die Veränderung des Materials und des Kontextes neu konnotiert. So klar und unmissverständlich
die künstlerische Sprache auch ist, führt sie aber nicht zu einer eindeutigen Betrachtungs- und Interpretationsweise,
sondern lässt viel Spielraum für eigene Assoziationen und Handlungen.
Spektakulär ist die zentrale Bodenarbeit, die fast das ganze Mittelschiff der Kirche ausfüllt. Schwarzweiße
Zementfliesen, zu einem monumentalen Rechteck verfugt, zitieren die Bodenfliesen der gotischen Kathedrale Notre-Dame
in Amiens. Dieses berühmte Bodenlabyrinth war ein symbolischer Ort für Pilger/innen, die nicht nach Jerusalem
pilgern konnten. De Ganays Arbeit, die man betreten darf, ist einerseits ein riesiges minimalistisch- geometrisches
"Bild", verweist aber auch auf die jahrhundertealte kirchliche Tradition. Im langgestreckten Chor hat
der Künstler die Form der Pfeiler des Mittelschiffs in acht unterschiedlich hohe Aluminiumskulpturen übertragen.
Sie bilden einen imaginären Säulengang, sind in ihrer Hermetik und schimmernden Oberfläche aber
auch autarke Objekte. Ein Aspekt, der in mehreren Arbeiten auftaucht, ist das Verschwinden, das Entschwundene,
die Absenz. "Look it's Jesus": Durchaus mit Humor verweist die Präsentation der Anfangssequenz aus
Federico Fellinis "La dolce Vita!", bei der eine Christusstatue an einem Hubschrauber hängend durch
die Luft fliegt, auf den aus der (Dominikaner-)Kirche verschwundenen christlichen Content.
Zur Ausstellung erscheint ein umfassender Katalog mit Textbeiträgen von Max Henry, Andreas Hoffer, Florian
Steininger, Jeannette Zwingenberger und einem Interview mit dem Künstler.
Die in situ-Arbeiten für die Dominikanerkirche werden in das Schaffen der letzten 30 Jahre von Sébastien
de Ganay eingebettet.
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