Reopening der Kunsthalle Krems

 

erstellt am
23. 05. 17
13:00 MEZ

Krems (kunsthalle) - Die erste große Themenschau in der neu sanierten und wiedereröffneten Kunsthalle Krems ist Abstract Painting Now! Gerhard Richter, Katharina Grosse, Sean Scully … Mit etwa sechzig künstlerischen Positionen legt die Ausstellung ihren Schwerpunkt auf die aktuelle internationale Situation des ungegenständlichen Tafelbildes – kuratiert von Florian Steininger.

Für die Zentrale Halle der Kunsthalle Krems realisiert Tobias Pils eine Malerei-Installation. In freimütiger Verschränkung von abstrakten und figurativen Passagen sind seine malerischen und zeichnerischen Setzungen ein Gefecht zwischen der Logik der nächsten Schritte und deren Aushebelung, kuratiert von Verena Gamper.

Die beiden Ausstellungen in der Kunsthalle Krems werden von 2. Juli bis 5. November 2017 geöffnet sein.

Die Dominikanerkirche im Herzen der Kremser Altstadt wird zu einem zusätzlichen, im Sommer bespielbaren Ausstellungsort der Kunsthalle Krems. Die erste Schau richtet Sébastien de Ganay mit einer in situ-Installation ein, kuratiert von Andreas Hoffer.

Die Kunsthalle Krems setzt künftig mit arrivierten und aktuellen, jungen Positionen auf eine interdisziplinäre, progressive und internationale Ausrichtung

Die Kunsthalle Krems hat sich in den vergangenen 20 Jahren im Bereich der zeitgenössischen Kunst zu einer Institution mit nationaler und internationaler Strahlkraft entwickelt. Nach erfolgter Generalsanierung und Wiedereröffnung am 1. Juli 2017 wird Florian Steininger als neuer künstlerischer Direktor diesen Weg konsequent weitergehen. "Die Kunsthalle Krems ist und bleibt das internationale Ausstellungshaus für aktuelle Kunst in Niederösterreich", hält Florian Steininger fest, "meine Programmatik speist sich aus der Kunst seit 1945, wobei ich den Schwerpunkt auf das Zeitgenössische legen werde. Die Kunsthalle Krems wird arrivierten wie auch aufstrebenden jungen Positionen aus dem In- und Ausland eine große Plattform bieten, auf der innovative, medienübergreifende, gesellschaftsaktuelle und kunstspezifische Beiträge verhandelt werden."

Die erste große Themenschau Abstract Painting Now! Gerhard Richter, Katharina Grosse, Sean Scully ... bildet den Ausgangspunkt für die Programmlinie des neuen künstlerischen Direktors. Zudem werden umfangreiche Ausstellungen Einblicke in hochkarätige private Sammlungen von moderner und zeitgenössischer Kunst geben, wie zum Beispiel in die Schweizer Privatkollektion von Hubert Looser (Zürich). Die mediale Ausrichtung der Kunsthalle Krems reicht von den klassischen Disziplinen wie Malerei, Zeichnung und Skulptur über Fotografie, Video, Film und Performance bis zu Installation und anderen konzeptuellen sowie neumedialen Disziplinen. Durch die alljährliche Kooperation mit dem donaufestival unterstreicht die Kunsthalle Krems ihre interdisziplinäre und progressive Ausrichtung.

Das Augenmerk von Florian Steininger liegt auch auf einem erweiterten Kunstvermittlungs- programm. "Als Kurator und als Direktor sehe ich mich auch als kunstvermittelnde Person; sehr oft geht es um eine Entschlüsselung einer ‚stummen' Kunst, die eine andere Art von Sprache als die unsrige kennt. Diese Tore zu öffnen, ist entscheidend", begründet der künstlerische Direktor und fügt hinzu: "Die künftigen Besucher/innen der Kunsthalle Krems sollen die Ausstellungen nicht nur auf einer sinnerfassenden Ebene begreifen, sondern vor allem als sinnlich emotionales Erlebnis."

Die Kunsthalle Krems wurde in den vergangenen Monaten einer Generalsanierung unterzogen. Nach 21 Ausstellungsjahren mit mehr als 1,3 Millionen Besucher/innen waren Sanierungsarbeiten dringend nötig. Dazu gehörten u.a. die Dachsanierung, eine verbesserte Konditionierung der Ausstellungsräume, die Neugestaltung des Eingangsbereichs, die unterirdische Verbindung zum geplanten Neubau der Landesgalerie Niederösterreich vis á vis der Kunsthalle Krems, die Einrichtung einer Studienbibliothek aus den Beständen der Kunstmeile Krems sowie die Erweiterung der Büroräumlichkeiten.

Die Wiedereröffnung erfolgt am 1. Juli 2017. Mit der Dominikanerkirche gewinnt die Kunsthalle Krems 2017 noch einen zusätzlichen Ausstellungsort. Der Fokus liegt hier auf raumbezogenen Projekten in der gotischen Sakralarchitektur. Als erstes wird dort ein Installations-Projekt des in Österreich lebenden französischen Künstlers Sébastien de Ganay zu sehen sein.

   

Abstract Painting Now!
Gerhard Richter, Katharina Grosse, Sean Scully ...
02.07.-05.11.2017
Kunsthalle Krems

Die Abstraktion gilt in der Moderne als eine der signifikanten formalen Artikulationen und ist insbesondere mit der Malerei aufs Engste verbunden. Der konsequenten Analyse des Mediums bis zum Nullpunkt in der Avantgarde der 1910er-Jahre folgte ein stetiges Wiederaufkeimen der ungegenständlichen Malerei, vor allem im Abstrakten Expressionismus, im Informel und in der Minimal Art. In der nachmodernen Abstraktion der 1960er-Jahre trat ein Skeptizismus gegenüber der Malerei und der schöpferischen Autorschaft auf, dem in der postmodernen Phase ab den 1980er-Jahren mit Sinnlichkeit und Intuition entgegnet wurde.

Die Ausstellung Abstract Painting Now! wird mit etwa sechzig künstlerischen Positionen ihren Schwerpunkt auf die aktuelle internationale Situation des ungegenständlichen Tafelbildes legen und das weite Feld einer immer noch bedeutenden malerischen Praxis auffächern.

Historische Basis der Schau ist die Entwicklung im Anschluss an den Abstrakten Expressionismus, die vor allem von Gerhard Richter und Sigmar Polke getragen wurde. Ersterer wandte sich nach einer Periode der Agonie, in der seine grauen Vermalungen entstanden, dem Schönen, scheinbar Expressiven zu. Letzterer setzte Abstraktion als ironische Paraphrase ein und kommentierte damit die Wahrhaftigkeit des Pinselstrichs als Markierung des künstlerischen Ichs.

Dekonstruktion, Kritik an der Autorschaft, Mix, Zitat und Ornament sind einige der wesentlichen Parameter in der aktuellen abstrakten Malerei, wenn etwa Wade Guyton seine minimalistischen Streifenbilder von einem Tintenstrahldrucker erzeugen lässt. Katharina Grosse tauscht den klassischen Pinsel gegen die Airbrushpistole und kreiert irisierende colour fields. In der modernen Malerei galt das Ornament als Verbrechen, als nutzlose Schlacke der autonomen Kunst. In der stilpluralistischen Postmoderne findet es in der Abstraktion bei Ross Bleckner und Philip Taaffe wieder einen Platz. Der erweiterte Abstraktionsbegriff schließt auch Natur und Landschaft in Form neoromantisch- expressiver Farbfelder wie jener von Per Kirkeby ein. Bei Sean Scully paaren sich Konstruktiv-Geometrisches und malerische Atmosphäre in einer Synthese von Ratio und Emotion. Spiritualität und geometrische Abstraktion in der Nachfolge von Kasimir Malewitsch und Barnett Newman sind bei Helmut Federle essenzielle Kriterien. Bei Brice Marden und Lee Ufan speichert der Pinselstrich als Zeichen des meditativen Akts das Geistige in der Kunst. Diese Ernsthaftigkeit und diese Konzentration auf Geist und Bild sind auch in den monochromen Gemälden von Marcia Hafif, Joseph Marioni und Günter Umberg anzutreffen.

Ebenso haben sich in Österreich Tendenzen der neuen Abstraktion entwickelt, die ein selbstverständliches größeres Ganzes mit den internationalen Positionen bilden: Ab den 1980er-Jahren stehen konzeptuelle neugeometrische Arbeiten von Ernst Caramelle, Gerwald Rockenschaub und Heimo Zobernig neben Farbfeldmalereien von Erwin Bohatsch, Herbert.

Brandl, Hubert Scheibl und Walter Vopava. Darauf folgen in der Ausstellung jüngere Positionen, die das Projekt Abstraktion bis heute in voller Bandbreite fortführen.

Zur Ausstellung erscheint der Katalog Abstract Painting Now! Gerhard Richter, Katharina Grosse, Sean Scully ... mit Texten von Heinrich Klotz, Ulrich Loock, Demetrio Paparoni und Florian Steininger.

Kurator: Florian Steininger

Künstler/innen
Tomma Abts, John M. Armleder, Ross Bleckner, Erwin Bohatsch, Herbert Brandl, André Butzer, Ernst Caramelle, Gunter Damisch, Svenja Deininger, Helmut Federle, Günther Förg, Mark Francis, Bernard Frize, Jakob Gasteiger, Rudolf Goessl, Franz Grabmayr, Katharina Grosse, Wade Guyton, Marcia Hafif, Peter Halley, Nancy Haynes, Mary Heilmann, Secundino Hernández, Callum Innes, Martha Jungwirth, Franco Kappl, Per Kirkeby, Imi Knoebel, Kurt Kocherscheidt, Suse Krawagna, Jonathan Lasker, Eugène Leroy, Caitlin Lonegan, Brice Marden, Joseph Marioni, Jason Martin, Sarah Morris, Frank Nitsche, Walter Obholzer, Albert Oehlen, Ahmet Oran, Sigmar Polke, Arnulf Rainer, Gerhard Richter, Gerwald Rockenschaub, Thomas Scheibitz, Hubert Scheibl, Adrian Schiess, Christoph Schirmer, Josef Schwaiger, Sean Scully, Pat Steir, Rudolf Stingel, Philip Taaffe, Liliane Tomasko, Lee Ufan, Günter Umberg, Juan Uslé, Charline von Heyl, Walter Vopava, Christopher Wool, Natalia Za?uska, Otto Zitko, Heimo Zobernig.

   

Tobias Pils Untitled
02.07.-05.11.2017
Kunsthalle Krems

Für die Zentrale Halle der Kunsthalle Krems realisiert Tobias Pils eine Malerei-Installation. In freimütiger Verschränkung von abstrakten und figurativen Passagen sind seine malerischen und zeichnerischen Setzungen ein Gefecht zwischen der Logik der nächsten Schritte und deren Aushebelung. Wie ein Haken schlagender Hase spielt sich Pils gegen sich selbst frei, Elemente wie Maschen, Wimpern, Füße und Gitter treffen auf opake Flächen, Lasuren oder verwaiste Zonen. Diese instabile Masse definiert sich durch Übergänge, die in der Bewegung des parallelen Adressierens und Abweisens die Spannung des achromatischen Bildes auf dem Höhepunkt halten.

Obwohl seine Gemälde autarke Einheiten sind, reflektiert Pils intensiv den Charakter der Räume, in denen seine Arbeiten präsentiert werden. In seiner für die Zentrale Halle der Kunsthalle Krems entwickelten Malerei-Installation greift Pils die Möglichkeit auf, dieses Atrium als Tageslichtraum zu inszenieren. Ursprünglich von Adolf Krischanitz als solches konzipiert, war die Glasdecke die vergangenen Jahre hindurch abgedeckt und der Raum mit Kunstlicht erhellt. Pils widersetzt sich der Logik des Raumes, indem er auf die naheliegende Verwendung der Wand als Präsentationsfläche verzichtet. Durch die Aktivierung der frontalen Glaswand für die Installation ordnet er den Raum den Notwendigkeiten seiner Malerei unter.

Ein Fuß am unteren Bildrand ermöglicht den Einstieg ins Bild. Doch neben flächigen Formen sowie Linien- und Gitterstrukturen erscheint er plötzlich als eine rein der Komposition geschuldete Setzung und büßt seine Glaubwürdigkeit als Träger von Narration ein. Diese wird in der näheren Umgebung des Fußes regelrecht ausgeblutet. An den Seiten der unteren Bildebene finden sich fahrige Klammern, während daneben große Teile des Bildträgers mit der dünnen, ansonsten als Untergrund verwendeten Farbschicht auskommen müssen. Ein Hybrid aus makroskopischem Gewebe, skizziertem Mauerwerk und abstraktem Liniengeflecht trägt den vertikalen Bildaufbau in der Mittelachse. Über allem ruhen schließlich drei liegende Schwangere, die prallen Bäuche und Brüste schwerelos in die Luft gereckt. In der rhythmischen Struktur des An- und Abschwellens bilden sie neben einer Horizontlinie auch eine ornamentale Bordüre aus. Im Zusammenfallen von Figürlichem und Ornamentalem liegt die Quintessenz der Malerei von Tobias Pils: Beim schrankenlosen Aufblättern seiner Empfindungen im Malprozess wird das Intimste nach außen gekehrt, bis zu dem Punkt, an dem das Persönliche Allgemeingültigkeit erlangt. An diesem Punkt ist es dann auch möglich, drei Schwangere im Rapport des Frieses zu befrieden.

Parallel zur Malerei-Installation Tobias Pils. Untitled entsteht das Künstlerbuch Tobias Pils. Doves mit dem titelgebenden Gedicht des amerikanischen Lyrikers Henri Cole und einem Text der Kuratorin Verena Gamper. Das Buch erscheint zur Eröffnung der Installation am 1.7.2017 im Verlag für moderne Kunst.

   

Sébastien de Ganay Transposition and Reproduction
02.07.-15.10.2017
Kunsthalle Krems in der Dominikanerkirche

Die Dominikanerkirche im Herzen der Kremser Altstadt wird zu einem zusätzlichen, im Sommer bespielbaren Ausstellungsort der Kunsthalle Krems. Die erste Schau richtet Sébastien de Ganay mit einer in situ-Installation ein. Im Zentrum seiner Auseinandersetzung steht die Transformation des sakralen in einen säkularisierten Ort. Im heutigen Ausstellungsraum fehlen zwar alle Elemente der christlichen Liturgie, seinen spirituellen Charakter hat sich der architektonisch starke Raum aber bewahrt. De Ganay benutzt für seine Objekte liturgische Elemente, die er in eine zumeist abstrakt-minimalistische Formensprache übersetzt. Die Kunstwerke sind autonom, treten aber in einen Dialog mit dem Raum und den Betrachter/innen.

Alle Objekte, die Sébastien de Ganay dafür entworfen hat, zeugen von seiner Auseinandersetzung mit Zeit, Material und Materie, mit Abstraktion und Alltag, mit den Grenzen zwischen Kunst und Leben; oder auch mit deren Aufhebung, was bei Betrachter/innen zwangsläufig zu Irritationen führt. Der formale Minimalismus seiner Arbeiten, wie auch die sorgfältige Auswahl der verwendeten Materialien verweisen auf die präzise Konzeption seiner Gedankenübertragungen. Die Funktionalität einer Form, zum Beispiel eines Betstuhls, wird durch die Veränderung des Materials und des Kontextes neu konnotiert. So klar und unmissverständlich die künstlerische Sprache auch ist, führt sie aber nicht zu einer eindeutigen Betrachtungs- und Interpretationsweise, sondern lässt viel Spielraum für eigene Assoziationen und Handlungen.

Spektakulär ist die zentrale Bodenarbeit, die fast das ganze Mittelschiff der Kirche ausfüllt. Schwarzweiße Zementfliesen, zu einem monumentalen Rechteck verfugt, zitieren die Bodenfliesen der gotischen Kathedrale Notre-Dame in Amiens. Dieses berühmte Bodenlabyrinth war ein symbolischer Ort für Pilger/innen, die nicht nach Jerusalem pilgern konnten. De Ganays Arbeit, die man betreten darf, ist einerseits ein riesiges minimalistisch- geometrisches "Bild", verweist aber auch auf die jahrhundertealte kirchliche Tradition. Im langgestreckten Chor hat der Künstler die Form der Pfeiler des Mittelschiffs in acht unterschiedlich hohe Aluminiumskulpturen übertragen. Sie bilden einen imaginären Säulengang, sind in ihrer Hermetik und schimmernden Oberfläche aber auch autarke Objekte. Ein Aspekt, der in mehreren Arbeiten auftaucht, ist das Verschwinden, das Entschwundene, die Absenz. "Look it's Jesus": Durchaus mit Humor verweist die Präsentation der Anfangssequenz aus Federico Fellinis "La dolce Vita!", bei der eine Christusstatue an einem Hubschrauber hängend durch die Luft fliegt, auf den aus der (Dominikaner-)Kirche verschwundenen christlichen Content.

Zur Ausstellung erscheint ein umfassender Katalog mit Textbeiträgen von Max Henry, Andreas Hoffer, Florian Steininger, Jeannette Zwingenberger und einem Interview mit dem Künstler.
Die in situ-Arbeiten für die Dominikanerkirche werden in das Schaffen der letzten 30 Jahre von Sébastien de Ganay eingebettet.

 

 

 

Weitere Informationen:
http://www.kunsthalle.at

 

 

 

 

 

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