Automatisierte Produktionsstraßen, gesteuert von intelligenter Software: An der TU Wien
wurde ein neues Christian-Doppler-Labor eröffnet, um Lösungen für die „Industrie 4.0“ zu entwickeln.
Wien (tu) - Die Anforderungen werden immer höher: Maschinen und Produktionsanlagen in den Fabriken
sollen perfekt ausgelastet sein, automatisch miteinander kommunizieren und sogar mit unvorhergesehenen Situationen
gut zurechtkommen. Von der Bestellung über das Lager bis zur Produktionsstraße soll das ganze Unternehmen
zu einem großen, intelligenten, vorausschauend und eigenständig handelnden System zusammenwachsen.
Damit das gelingen kann, braucht man Computermodelle, mit denen sich die einzelnen Maschinen präzise beschreiben
lassen, und diese Modelle müssen auf intelligente Weise miteinander verknüpft werden. Genau damit beschäftigt
man sich nun an der TU Wien im Christian Doppler Labor für modellintegrierte, intelligente Produktion (CDL-MINT).
Mit Unterstützung des Bundesministeriums für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft (BMWFW) sowie der
beiden Industriepartner CertiCon und LieberLieber wurde es am 22. Mai 2017 eröffnet.
„Wir müssen den Wandel in Richtung Industrie 4.0 aktiv gestalten und die Chancen effektiv nutzen. Das sichert
Wachstum und schafft Arbeitsplätze im Land“, sagt Wissenschafts-, Forschungs- und Wirtschaftsminister Dr.
Harald Mahrer. „Mit der Erforschung neuer Modellierungsmethoden leistet dieses CD-Labor dazu einen wesentlichen
Beitrag.“
Computertests statt langer Betriebsausfälle
„Für Experimente hat man in einer Fabrik normalerweise keine Zeit“, sagt Prof. Manuel Wimmer von der Business
Informatics Group am Institut für Softwaretechnik und Interaktive Systeme der TU Wien, der das neue CD-Labor
leitet. „Eine Produktionsstraße stillzulegen um eine neue Maschine auszuprobieren, Abläufe zu verbessern
oder den Produktionsprozess grundlegend neu zu planen - das wäre meistens viel zu teuer.“
In Zukunft soll das aber ganz einfach am Computer möglich sein. Die einzelnen Geräte werden physikalisch
präzise beschrieben – von den Ressourcen, die sie benötigen über ihre zeitliche Taktung und die
Betriebstemperatur, die sie abhängig von der Arbeitslast erreichen bis zu den genauen Eigenschaften der erzeugten
Produkte. „Man spricht von einem ‚digital twin‘ der Anlage“, sagt Alexandra Mazak, die als leitende Forscherin
im CD-Labor arbeitet. „Diese digitalen Zwillinge der einzelnen Komponenten muss man dann auf intelligente Weise
zu einem großen Gesamtmodell zusammenfügen – dann lässt sich direkt am Computer analysieren, ob
die Produktion effizient läuft, wie sich bestimmte Veränderungen auswirken würden, oder etwa auch
was passiert, wenn ein Zulieferer kurzfristig nicht liefern kann.“
Riesige Datenmengen analysieren
Im neuen CD-Labor forscht man daran, wie sich diese Modelle auch danach im laufenden Betrieb nutzen lassen. Moderne
Maschinen sind mit zahlreichen Sensoren ausgestattet, die permanent gewaltige Mengen an Daten liefern. Wenn man
sie kontinuierlich auswertet, kann man daraus wichtige Erkenntnisse gewinnen. „Früher hat man einfach zuerst
die Anlage geplant und dann in Betrieb genommen – es gab kaum einen Rückfluss von Information aus der Betriebsphase
in den Designprozess“, sagt Manuel Wimmer. Das soll sich nun ändern: Vielleicht stellt sich anhand der Daten
heraus, dass die Abläufe durch angepasste Betriebsparameter noch viel effizienter ausgeführt werden könnten,
oder dass kleinere, harmlose Änderungen am Design des Endprodukts die Produktion deutlich vereinfachen würden.
Dafür braucht man neue Methoden, mit großen Datenmengen umzugehen – und man muss es schaffen, die einzelnen
Software-Komponenten, mit denen einzelne Maschinen oder Prozesse simuliert werden, mit klar definierten Schnittstellen
zu einem großen, intelligenten Ganzen zusammenzufügen, sodass am Ende ein „digitaler Zwilling“ der ganzen
Fabrik entsteht.
Am Ende dieser Entwicklung soll eine intelligente Fabrik stehen, in der sich die einzelnen Maschinen aufeinander
einstellen, in der Fehler automatisch erkannt und behoben werden, in der die Produktionsrate ganz von selbst an
den Lagerbestand und an aktuelle Bestellungen angepasst wird. So soll es auch möglich werden, sehr flexibel
auf Spezialwünsche einzugehen: Statt Massenware könnte die intelligente Fabrik von morgen massenhaft
maßgeschneiderte Einzelstücke erzeugen – und zwar in einer Geschwindigkeit und zu einem Preis, wie es
heute nur mit großen Stückzahlen möglich ist.
Über Christian Doppler Labors
In Christian Doppler Labors wird anwendungsorientierte Grundlagenforschung auf hohem Niveau betrieben, hervorragende
WissenschafterInnen kooperieren dazu mit innovativen Unternehmen. Für die Förderung dieser Zusammenarbeit
gilt die Christian Doppler Forschungsgesellschaft international als Best-Practice-Beispiel.
Christian Doppler Labors werden von der öffentlichen Hand und den beteiligten Unternehmen gemeinsam finanziert.
Wichtigster öffentlicher Fördergeber ist das Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft
(BMWFW).“
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