Wien (tu) - An der TU Wien konnte der „quantisierte magnetoelektrische Effekt“ erstmals in topologischen Isolatoren
nachgewiesen werden. Das soll neue hochpräzise Messmethoden ermöglichen. Eine Lichtwelle, die man durch
den leeren Raum schickt, schwingt immer in derselben Richtung. Allerdings gibt es Materialien, mit denen man die
Richtung des Lichts drehen kann, wenn sie sich in einem Magnetfeld befinden. Man bezeichnet das als „magnetooptischen
Effekt“.
Eine Variante dieses Effekts, über die schon seit längerer Zeit spekuliert worden war, konnte nun an
der TU Wien erstmals nachgewiesen werden: Spezielle Materialien – sogenannte „topologische Isolatoren“ – drehen
die Richtung der Lichtwelle nicht kontinuierlich, sondern in Quantensprüngen, in wohldefinierten Portionen.
Die Größe dieser Quantensprünge hängt nur von fundamentalen physikalischen Parametern ab,
etwa von der Feinstrukturkonstante, die man mit solchen Techniken vielleicht bald noch genauer vermessen könnte
als das mit anderen Methoden möglich ist. Präsentiert wurden die neuen Ergebnisse nun im Fachjournal
„Nature Communications“.
Topologische Isolatoren
„Wir beschäftigen uns schon seit längerer Zeit mit Materialien, die in der Lage sind, die Schwindungsrichtung
von Licht zu drehen“, erzählt Prof. Andrei Pimenov vom Institut für Festkörperphysik der TU Wien.
Normalerweise hängt der Effekt von der Dicke des Materials ab: Je größer die Strecke, die das Licht
im Material zurücklegen muss, umso größer der Drehwinkel. Bei den Materialien, die sich Pimenovs
Team nun mit Unterstützung einer Forschungsgruppe aus Würzburg genauer angesehen hat, ist die Sache aber
anders: Es handelt sich um sogenannte „topologische Isolatoren“ – das Entscheidende an ihnen ist nicht ihre Dicke,
sondern ihre Oberfläche.
Das Innere eines topologischen Isolators kann keinen Strom leiten. Seine Oberfläche hingegen leitet elektrischen
Strom meist sogar sehr gut. „Auch wenn man Strahlung durch den topologischen Isolator schickt, ist die Oberfläche
das Entscheidende“, sagt Pimenov. Wenn sich das Licht im Material ausbreitet, dann wird der Strahl zweimal von
der Materialoberfläche gedreht – einmal beim Eintritt in das Material, ein zweites Mal beim Austritt.
Das Bemerkenswerte ist, dass diese Drehung nicht kontinuierlich vor sich geht, sondern in bestimmten Stufen, in
Quantensprüngen. Der Abstand dieser Stufen hängt nicht etwa von Geometrie und Eigenschaften des Materials
ab, sondern nur von fundamentalen Naturkonstanten. Man kann sie etwa mit Hilfe der Feinstrukturkonstante angeben,
mit der man die Stärke der elektromagnetischen Wechselwirkung beschreibt. So könnte es möglich werden,
Naturkonstanten genauer als bisher zu messen oder sogar neue messtechnische Definitionen für sie einzuführen.
Mit speziellen Materialien präziser messen
Ähnlich verhielt es sich mit dem Quanten-Hall-Effekt: Auch dabei handelt es sich um einen Quanteneffekt in
bestimmten Materialien, bei dem eine bestimmte Größe, in diesem Fall der elektrische Widerstand, nur
in bestimmten Stufen anwachsen kann. Heute verwendet man den Quanten-Hall-Effekt für Hochpräzisionsmessungen,
die offizielle Norm-Definition des elektrischen Widerstandes greift auf den Quanten-Hall-Effekt zurück. 1985
wurde für seine Entdeckung der Physik-Nobelpreis vergeben.
Auch für topologische Materialien gab es bereits einen Nobelpreis – und zwar im Jahr 2016. Die nun vorliegenden
Erkenntnisse sollen dazu beitragen, Materialien mit speziellen topologischen Eigenschaften (in diesem Fall topologische
Isolatoren) für konkrete technische Anwendungen zu nutzen.
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