Cern/Wien (öaw) - Teilchenphysiker/innen der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und des
CERN entwickelten im Rahmen eines ERC-Projekts eine hochpräzise Methode zur Messung und Analyse von Antiwasserstoffatomen.
Sie könnte dabei helfen, das rätselhafte Verhältnis von Materie und Antimaterie im Universum besser
zu verstehen, berichten die Forscher/innen im Fachjournal „Nature Communications“.
Materie und Antimaterie stehen in einem perfekten Gleichgewicht – zumindest in der Theorie. Denn diese in zahllosen
Messungen auf mikroskopischer Ebene bestätigte Symmetrie zwischen Teilchen und Antiteilchen, die zugleich
einen Grundpfeiler im Standardmodell der Teilchenphysik darstellt, hat einen großen Haken: Im Universum ist
sie nicht zu entdecken. Obwohl gemäß der theoretischen Symmetrie im Augenblick des Urknalls ebenso viel
Antimaterie wie Materie erzeugt werden hätte müssen, dominiert im Universum die Materie klar.
Der Entschlüsselung dieses Rätsels ist ein Team von Teilchenphysiker/innen rund um Eberhard Widmann,
Direktor des Stefan-Meyer-Instituts für subatomare Physik der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
(ÖAW), nun einen Schritt näher gekommen. Es gelang ihnen, eine bereits in den 1930er Jahren entwickelte
und mit dem Nobelpreis für Physik ausgezeichnete Mess-Methode aufzugreifen und unter Einsatz moderner Technologien
maßgeblich zu verbessern.
Erstmals kontinuierlicher Strom an Antiwasserstoff künstlich hergestellt
Mit dieser Mess-Methode, über die die Forscher/innen nun im Fachjournal „Nature Communications“ berichten,
ist es möglich, die Energiestruktur sowohl von Wasserstoffatomen als auch von Antiwasserstoffatomen – den
leichtesten aus Antimaterie bestehendem Atomen – hochpräzise zu vermessen. Im Rahmen des vom Europäischen
Forschungsrat (European Research Council ERC) geförderten Projekts gelang es dabei zunächst, mit der
Schaffung eines Antiwasserstoffstrahls am europäischen Teilchenbeschleuniger CERN erstmals einen kontinuierlichen
Strom an Antiwasserstoff künstlich herzustellen.
„Die Erzeugung eines Strahls von Antiwasserstoffatomen war der erste Schritt“, schildert Widmann den ersten im
Projekt erreichten Meilenstein. „Der nächste war, eine Methode zu finden, mit dem Antiwasserstoff dann auch
exakt gemessen werden kann“, so der ÖAW-Teilchenphysiker weiter. Die Herausforderung dabei war, dass die bei
der Messung von Wasserstoffatomen zuletzt gebräuchliche Methode mit Antiwasserstoff nicht funktioniert. Es
galt daher, die seit den 1930er Jahren bestehende und grundsätzlich für die Messung von Antiwasserstoff
tauglichere Methode aufzugreifen und diese entscheidend zu verbessern.
Zehnmal bessere Präzision der Messung von Antiwasserstoffatomen
Am Stefan-Meyer-Institut der ÖAW gelang dies, indem man zunächst ein komplexes mathematisches Modell
eines Instrumentariums entwickelte, das sich zur Messung eines Strahls sowohl aus Wasserstoffatomen als auch Antiwasserstoffatomen
eignete. Dieses wurde daraufhin in Computersimulationen getestet und anschließend in Form eines Mess-Instrumentariums
umgesetzt. Bei den Messungen mit Wasserstoffatomen, die idente Werte zu den bisherigen Messungen mit Wasserstoff
lieferten, konnte die Funktionstüchtigkeit der neuen Methode bestätigt werden.
Die Vorzüge der Methode liegen indes, wie Widmann betont, nicht in der Messbarkeit von vergleichsweise leicht
verfügbarem Wasserstoff. Sondern in dem bisher unerreichten Präzisionsgrad bei der Messung der viel aufwändiger
herzustellenden Antiwasserstoffatome. Dank des Einsatzes moderner Mikrowellentechnologien konnte man mit der neuen
Methode die Genauigkeit dabei im Vergleich zu den letzten vergleichbaren Analysen deutlich erhöhen. „Die Mess-Präzision
ist um den Faktor zehn höher als alles Bisherige“, erklärt Widmann.
Messung von Antiwasserstoffatomen am CERN geplant
Mit dem Erreichen dieses zweiten Meilensteins ist nun der Weg zur Messung von Antiwasserstoffatomen in größerem
Umfang geebnet. Dieser Schritt wird am CERN erfolgen, wohin das Mess-Instrumentarium nach den ersten Funktionstests
am Wiener Institut gebracht wurde. Sobald es dort gelungen ist, die Qualität von Antiwasserstoffstrahlen noch
weiter zu verbessern, sodass die Dichte an Antiwasserstoffatomen in dem Strahl ausreichend hoch ist, geht es dann
an das eigentliche Ziel der Forschungen: die bisher exakteste Messung von Antiwasserstoffatomen in der Praxis umzusetzen.
„Die Frage ist“, gibt Widmann einen vorsichtigen Ausblick, „ob bei den Messungen von Antiwasserstoff dasselbe herauskommt
wie bei Wasserstoff.“ Denn wenn bei der Energiestruktur der Atome eine Abweichung zwischen Materie und Antimaterie
festgestellt werden sollte, kann das wertvolle Hinweise auf die rätselhafte, große Asymmetrie im Weltraum
geben. Und dann wäre eine Revolution in der Teilchenphysik nicht auszuschließen.
Publikation
“In-beam measurement of the hydrogen hyperfine splitting and prospects
for antihydrogen spectroscopy”, Martin Diermaier, Christian B. Jepsen, Benadette Kolbinger, Chloé Malbrunot,
Osswald Massiczek, Clemens Sauerzopf, Martin C. Simon, Johann Zmeskal, Eberhard Widmann. Nature Communications,
2017. DOI: 10.1038/NCOMMS15749
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