Beschäftigungsboom hebt die Konsumentenstimmung
Wien (wifo) - Österreichs Wirtschaft verzeichnete im I. Quartal 2017 das stärkste Wachstum seit
sechs Jahren. Zum einen blieb der private Konsum eine solide Konjunkturstütze, zum anderen profitierten die
Exporte von starken Impulsen aus den Schwellenländern, insbesondere über die engen Zulieferketten mit
Deutschland, und aus Ostmitteleuropa. Der Aufschwung, der mit der Steuerreform 2016 einsetzte, sorgt nun für
einen Rückgang der Arbeitslosigkeit, sodass kräftige Zweitrundeneffekte zusätzliche Nachfrage schaffen;
die Konsumentenstimmung hat wieder zu jener in Deutschland aufgeschlossen. Dennoch zeigen sich auf dem Arbeitsmarkt
Strukturprobleme. Die massive Zunahme des Arbeitskräfteangebotes durch die Ostöffnung des Arbeitsmarktes,
die Alterung der Erwerbsbevölkerung und die Umsetzung von Pensionsreformmaßnahmen trugen zu einer Verfestigung
der Arbeitslosigkeit bei.
Der konsumgetragene Konjunkturaufschwung, der in Österreich Ende 2015 eingesetzt hatte, erhielt heuer einen
zusätzlichen Impuls aus dem Ausland. Die Exportwirtschaft profitierte zum einen von der Beschleunigung der
Industriekonjunktur in den Schwellenländern, insbesondere über die Zulieferketten nach Deutschland, zum
anderen von der Konjunkturbelebung in Ostmitteleuropa dank neuer EU-Förderungen. Die Exporte und die Sachgütererzeugung
zogen im I. Quartal 2017 so stark an wie seit sechs Jahren nicht. Gleichzeitig scheint der positive Impuls, den
die Steuerentlastung dem privaten Konsum im Vorjahr verlieh, ausgeprägte Zweitrundeneffekte zu bewirken, sodass
sich die Konsumdynamik nachhaltig stabilisieren dürfte: Die Verbesserung der Einkommenssituation der privaten
Haushalte belebte u. a. die Nachfrage nach beschäftigungsintensiven Dienstleistungen; in der Folge verstärkte
sich wiederum die Nachfrage nach Arbeitskräften. Die Beschäftigung expandiert heuer noch stärker
als im Vorjahr, und die Arbeitslosigkeit geht spürbar zurück. Dies verbesserte die Konsumentenstimmung
nachhaltig und dürfte zunehmend auch die niedrigeren Einkommen stärken, die von der Steuerreform nur
unterproportional profitierten. Neben dem privaten Konsum begünstigt die breite Verbesserung der Beschäftigungs-
und Einkommenssituation zunehmend auch die Bauinvestitionen.
Der aktuelle Beschäftigungsboom überdeckt aber Strukturprobleme auf dem Arbeitsmarkt, die durch den starken
Arbeitskräfteandrang in den letzten Jahren entstanden sind: Durch demographische und Verdrängungseffekte
verdoppelte sich der Anteil der Langzeitbeschäftigungslosen, der über lange Jahre konstant gewesen war,
seit 2013. Die Arbeitslosenquote sinkt deshalb trotz der Zunahme des Stellenangebotes nicht auf das konjunkturübliche
Niveau, im Mai 2017 betrug sie saisonbereinigt 8,6%. Vor allem Geringqualifizierte, Ältere und gesundheitlich
Beeinträchtigte sind von Langzeitbeschäftigungslosigkeit betroffen. Unter Personen aus früheren
Gastarbeiterländern (Türkei, Jugoslawien) nahm die Arbeitslosigkeit bisher kaum ab, unter inländischen
Arbeitskräften um etwa ein Fünftel des Anstieges seit 2012, während die Zahl der Beschäftigten
aus dem EU-Ausland weiter wächst.
Neben Deutschland und Österreich zogen die Exporte im I. Quartal auch in der Industrieregion Norditaliens
an. In Frankreich blieb die Konjunktur mittelkräftig, in Spanien dynamisch aufholend. In Großbritannien
dämpften die abwertungsbedingten Preissteigerungen den Konsum, in Ostmitteleuropa sorgen neue EU-Förderungen
für Aufschwung. Die Tourismusnachfrage aus Russland belebte sich im vergangenen Winter nach dem starken Rückgang
in den letzten zwei Jahren, weil sich mit der Stabilisierung des Rohölpreises die Kaufkraft in Russland erholte.
Zu den Definitionen siehe "Methodische Hinweise und Kurzglossar"
|