Wien (pk) - Insgesamt 334 Seiten stark ist das Gesetzespaket, das die Regierung dem Nationalrat zur Reform des
Vergaberechts vorgelegt hat ( 1658 d.B.). Mit dem so genannten Vergaberechtsreformgesetz 2017 soll nicht nur ein
neues Bundesvergabegesetz erlassen werden, sondern auch ein neues Bundesgesetz über die Vergabe von Konzessionsverträgen
und ein neues Bundesgesetz über die Regelung des Rechtsschutzes für Vergaben des Bundes im Öffentlichen
Personenverkehr. Außerdem wird das Bundesvergabegesetz für den Bereich Verteidigung und Sicherheit adaptiert.
Hintergrund für das Paket sind neue EU-Vorgaben, Österreich ist bei der Umsetzung bereits säumig.
Ziel des Gesetzespakets ist es, den rechtlichen Rahmen für Auftragsvergaben der öffentlichen Hand zu
vereinfachen und zu modernisieren. Ein Teil der einschlägigen neuen EU-Richtlinien wurde bereits 2016 umgesetzt,
nun sollen die restlichen Vorgaben erfüllt werden. Unter anderem geht es um die Einführung neuer Arten
von Vergabeverfahren, die Ermöglichung gemeinsamer Auftragsvergaben österreichischer Behörden und
Behörden anderer EU-Ländern sowie die Ausweitung des so genannten Bestbieterprinzips. Künftig sollen
mehr Aufträge als bisher nach qualitativen Kriterien und nicht alleine nach dem Preis vergeben werden. Wie
bisher gilt das Bundesvergabegesetz nicht nur für Bund, Länder und Gemeinden, sondern auch für Auftragsvergaben
in bestimmten Sektoren wie etwa der Wasser- und Energieversorgung und Teilen des öffentlichen Verkehrs.
Vergabeverfahren werden vereinfacht und flexibilisiert
Im Sinne der angestrebten Vereinfachung und Flexibilisierung von Vergabeverfahren werden die europarechtlichen
Spielräume größtmöglich genutzt, wird in den Erläuterungen hervorgehoben. So ist etwa
vorgesehen, die Ausnahmebestimmungen zu erweitern, den Zugang zum Verhandlungsverfahren zu erleichtern, die Verpflichtung
zur Durchführung einer formalen Angebotsöffnung mit Bieterbeteiligung zu streichen, mehr Flexibilität
beim Abruf von Leistungen aus Rahmenvereinbarungen zu ermöglichen und die Mindestfristen für die Abgabe
von Teilnahmeanträgen und Angeboten zu verkürzen. Auch für Vergabeverfahren im Unterschwellenbereich,
für die es keine spezifischen EU-Vorgaben gibt, kommt es zu Vereinfachungen.
EuGH mahnt Transparenz auch bei kleinen Aufträgen ein
Der Schwellenwert für Direktvergaben ohne vorherige Bekanntmachung wird künftig mit 50.000 € (bisher
100.000 €) festgesetzt, wobei es weiterhin möglich sein wird, den Betrag mittels Verordnung des Bundeskanzlers
hinaufzusetzen bzw. zu reduzieren. Das betrifft auch bestimmte andere Los- und Schwellenwerte. Bei der Vergabe
kleinerer Aufträge gilt es allerdings nicht nur die Vorgaben des Bundesvergabegesetzes zu berücksichtigen,
sondern auch auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) Bedacht zu nehmen, wie in den Erläuterungen
angemerkt wird. Demnach sind bestimmte Verpflichtungen wie das Gebot der Gleichbehandlung und der Transparenz im
Falle eines grenzüberschreitenden Interesses auch bei wertmäßig nicht von den EU-Vergabe-Richtlinien
umfassten Vergabeverfahren einzuhalten. Faustregel laut Bundeskanzleramt: Je höher der Wert, je näher
der Leistungs- und Nutzungsort an einer Staatsgrenze und je spezifischer der Auftragsgegenstand, desto eher muss
von einem grenzüberschreitenden Interesse ausgegangen und ein angemessener Grad von Öffentlichkeit sichergestellt
werden.
Bestbieterprinzip wird ausgeweitet
Ein wesentlicher Punkt der Novelle ist die weitere Forcierung des Bestbieterprinzips gegenüber dem Billigstbieterprinzip.
Schon jetzt gilt, dass rein auf den Preis abstellende Ausschreibungen – ohne die Berücksichtigung von Folgekosten
wie etwa Wartungskosten oder Lebenszykluskosten – nur bei Waren und Dienstleistungen mit hohen Standardisierungsgrad
erlaubt sind. Zudem ist bei bestimmten Vergaben wie Bauaufträgen über einer Million Euro oder der Beschaffung
ausgewählter Lebensmittel wie Fleisch, Käse, Obst und Gemüse in jedem Fall verpflichtend, das technisch
und wirtschaftlich günstigste Angebot zu wählen, wobei neben Kostenfaktoren etwa auch soziale Kriterien
berücksichtigt werden können. Diese Verpflichtung wird nun ausgeweitet und gleichzeitig ein neues Qualitätssicherungsmodell
eingeführt, das den Auftraggebern die Möglichkeit eröffnet, Qualitätskriterien nicht nur im
– laut Erläuterungen komplexen und anfechtungsgefährdeten – Bereich der Zuschlagskriterien festzulegen,
sondern etwa auch bei der Leistungsbeschreibung, den Eignungskriterien oder den Ausführungsbedingungen.
Das neue Modell hat den Vorteil, dass die geforderten Qualitätskriterien – in Frage kommen soziale, ökologische
und innovative Aspekte – vom Bieter in jedem Fall zu berücksichtigen sind und nicht durch ein besonderes Glänzen
bei einem höher gewichteten Zuschlagskriterium, etwa einen besonders attraktiven Preis, umgangen werden können.
Als ein konkretes Beispiel einer Ausführungsbedingung wird in den Erläuterungen die verpflichtende Beschäftigung
von Lehrlingen oder Langzeitarbeitslosen im Rahmen der Auftragsausführung genannt. Wie schon bisher muss jedenfalls
aus der Ausschreibung klar hervorgehen, welche Leistungen gefordert sind und wie die einzelnen Zuschlagskriterien
gewichtet werden.
Verpflichtend berücksichtigt werden müssen Qualitätskriterien künftig jedenfalls bei der Ausschreibung
personenbezogener Dienstleistungen im Gesundheits- und Sozialbereich – genannt werden in diesem Zusammenhang etwa
ärztliche und therapeutische Leistungen, Kinderbetreuung, Erwachsenenbildung, Altersfürsorge etc. –,
bei der Ausschreibung von Gebäudereinigungs- und Bewachungsdienstleistungen, bei der Beschaffung von Lebensmitteln
sowie bei Verkehrsdiensten im öffentlichen Straßenpersonenverkehr – z. B. bei Linienbussen, Rufbussen
oder Anrufsammeltaxis –, wobei bei den unter das Gesetz fallenden Verkehrsdiensten, abweichend von der grundsätzlich
freien Wahl der Qualitätsaspekte, zumindest ein soziales Kriterium zur Anwendung kommen muss. Insgesamt kommen
als Qualitätskriterium beispielsweise Energieeffizienz, Abfallvermeidung, Bodenschutz, Tierschutz oder die
Beschäftigung bestimmter Gruppen wie ältere ArbeitnehmerInnen oder behinderte Menschen in Frage. Im Bereich
der Lebensmittelbeschaffung könnte es in diesem Sinn etwa ein Biogütezeichen sein.
Darüber hinaus ist das technisch und wirtschaftlich günstigste Angebot – abseits von Bauaufträgen
mit einem geschätzten Auftragswert über einer Million Euro – auch bei Dienstleistungen, die im Verhandlungsverfahren
vergeben werden, insbesondere bei geistigen Dienstleistungen, bei einer im Wesentlichen funktionalen Beschreibung
der Leistung, bei einem wettbewerblichen Dialog sowie bei Auftragsvergaben im Wege einer so genannten Innovationspartnerschaft
verpflichtend zu wählen. Bei letztgenannter handelt es sich um ein neues Vergabemodell mit dem Ziel, eine
innovative Ware, Bau- oder Dienstleistung zuerst zu entwickeln und diese dann zu erwerben. Generell gilt, dass
die Konzeption und Durchführung eines Vergabeverfahrens nach Möglichkeit so erfolgen soll, dass auch
kleine und mittlere Unternehmen daran teilnehmen können.
Begründet wird die Forcierung des "Bestangebotsprinzips" nicht zuletzt damit, dass eine Fokussierung
bei Auftragsvergaben allein auf den niedrigsten Preis als Zuschlagskriterium einen hohen Preisdruck erzeugt, der
in letzter Konsequenz zu Lohn- und Sozialdumping führen kann. Auch die weiteren Bestimmungen des geltenden
Bundesvergabegesetzes, die sich gegen "schwarze Schafe" unter den Unternehmen richten, wurden in diesem
Sinn - teilweise adaptiert - in das neue Gesetz übernommen. Ausgeweitet wird etwa die Möglichkeit, Subvergaben
zu beschränken.
Pflicht zu elektronischen Vergabeverfahren ab Oktober 2018
Neu ist auch die Verpflichtung der Auftraggeber zu elektronischen Vergabeverfahren im Oberschwellenbereich ab Oktober
2018. Ab diesem Zeitpunkt müssen außerdem – im Sinne des Transparenzgedankens – die Ergebnisse aller
einschlägigen Vergabeverfahren auf einer eigenen Plattform veröffentlicht werden. Das betrifft sowohl
vergebene Aufträge als auch abgeschlossene Rahmenvereinbarungen und Ergebnisse von Ideenwettbewerben. Ausnahmen
sind nur in bestimmten Fällen vorgesehen, etwa wenn eine Veröffentlichung öffentlichem Interesse
zuwiderläuft oder berechtigte geschäftliche Interessen eines Unternehmens geschädigt würden.
Die EU erwartet sich von der elektronischen Abwicklung von Vergabeverfahren nicht nur mehr Transparenz, sondern
auch eine erhebliche Reduktion der Kosten. Das Einsparungspotential könne allerdings nur dann realisiert werden,
wenn standardisierte Software-Lösungen auf breitester Basis eingesetzt werden bzw. die implementierten Lösungen
untereinander kompatibel sind, mahnt das Bundeskanzleramt eine abgestimmte Vorgangsweise zwischen Bund und Ländern
ein. Die Erfahrung in Deutschland zeige, dass im Falle des Einsatzes unterschiedlicher Beschaffungssysteme hohe
Kosten bei den Unternehmen drohen.
Eigenes Bundesgesetz für die Vergabe von Konzessionsverträgen
In einem eigenen Bundesgesetz wird, in Anlehnung an die Konzessionsvergabe-Richtlinie der EU, die Vergabe von Konzessionsverträgen
geregelt. Diese haben in Österreich allerdings wenig Bedeutung, wie in den Erläuterungen vermerkt wird.
Anders als etwa Frankreich oder Großbritannien gibt es hierzulande kaum Privat-Public-Partnership-Modelle,
die häufig mit Konzessionsvergaben einhergehen.
Bundesvergabegesetz gilt nicht mehr für Personenbeförderungen per Bahn und U-Bahn
Vom Geltungsbereich des Bundesvergabegesetzes ausdrücklich ausgenommen sind künftig Personenbeförderungsdienstleistungen
auf der Schiene und auf U-Bahnen. Auch Konzessionsverträge im Bereich Bus und Straßenbahn sind vom neuen
Vergaberegime nicht umfasst. Österreich folgt damit der Regelungssystematik der EU-Richtlinien. Dadurch entsteht
allerdings eine Rechtsschutzlücke, die für den Kompetenzbereich des Bundes durch ein eigenes Bundesgesetz
(Bundesvergaberechtsschutzgesetz Öffentlicher Personenverkehr) geschlossen werden soll. Im Wesentlichen geht
es dabei um die Regelung des Verfahrens vor dem für zuständig erklärten Bundesverwaltungsgericht.
Nicht unter das Gesetz fallen einschlägige Auftragsvergaben im Bereich der Länder und der Gemeinden,
dafür braucht es eigene landesgesetzliche Bestimmungen.
EU hat bereits Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet
Welche Bedeutung Wettbewerb und Transparenz bei öffentlichen Auftragsvergaben haben, zeigen Daten der EU,
die den Erläuterungen zum Gesetzentwurf zu entnehmen sind. Demnach hat die EU-Kommission für 2015 ein
Auftragsvolumen der öffentlichen Haushalte in Österreich für Bau-, Liefer- und Dienstleistungen
– ohne Sektorenbeschaffung – von 45,2 Mrd. € errechnet. Das entspricht 13,3% des BIP. Aufgrund der Säumigkeit
bei der Umsetzung der EU-Richtlinien hat die Kommission bereits ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich
eingeleitet. Werden die Gesetze nicht bald geändert, drohen Geldbußen.
Vergabepaket kann erst nach Zustimmung der Länder kundgemacht werden
Damit das neue Bundesvergabegesetz in Kraft treten kann, braucht es allerdings nicht nur die Zustimmung des Nationalrats,
sondern auch jene der Länder. Sie waren in diesem Sinn auch in die Verhandlungen miteingebunden, wie in den
Erläuterungen festgehalten wird. Evaluiert werden soll das Gesetzespaket im Jahr 2022.
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