Neue verfahrensrechtliche Regelungen im EMRK; Änderungen im Statut des Internationalen
Strafgerichtshofs
London/Wien (pk) - Trotz des Verlusts der absoluten Mehrheit im Parlament für die britischen Konservativen
unter Premierministerin Theresa May tritt Außenminister Sebastian Kurz dafür ein, die Brexit-Verhandlungen
zügig fortzusetzen. Den britischen BürgerInnen als auch jenen in den verbleibenden 27 Mitgliedstaaten
müsse so schnell wie möglich Rechtssicherheit gegeben werden, sagte er am 13.06. im Außenpolitischen
Ausschuss. Zudem könne sich die EU dann wieder auf andere Projekte fokussieren.
Kurz stellt sich darüber hinaus nach wie vor gegen höhere EU-Beitragszahlungen Österreichs nach
dem Brexit. Auch die Einführung einer EU-Steuer hält der Minister zum jetzigen Zeitpunkt für nicht
sinnvoll. Die Steuerlast müsse gesenkt werden, sagte er gegenüber entsprechenden Vorschlägen seitens
des Grünen Abgeordneten Georg Willi.
Hinsichtlich der in Diskussion stehenden EU-Armee kann sich Kurz ein Engagement Österreichs in "einem
wohlüberlegten Ausmaß" und im Rahmen seiner Neutralität vorstellen. Grundsätzlich sei
es notwendig, eine stärkere europäische Zusammenarbeit sicherzustellen.
ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka wertete den Brexit im Ausschuss als schwersten Verlust der EU seit ihrer Gründung.
Die Union verliere nicht nur einen Nettozahler, sie habe auch enorm an weltpolitischem Gewicht verloren. Aus seiner
Sicht ist die EU gut beraten, in den Verhandlungen zu gemeinsamen Ergebnissen mit Großbritannien zu kommen.
Geht es um die Ausfälle im EU-Budget von rund 15 Mrd. €, sollten diese aus Sicht Lopatkas bei den EU-Ausgaben
eingespart werden. "Die österreichischen Nettozahler können nicht immer zur Kassa gebeten werden",
so der ÖVP-Klubobmann.
Genehmigt wurden vom Außenpolitischen Ausschuss kleine Anpassungen im Statut des Internationalen Strafgerichtshofs
sowie ein Zusatzprotokoll zur Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), durch das nun auch Österreich
die neuen organisatorischen und verfahrensrechtlichen Regelungen im Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte
(EGMR) akzeptiert.
Vertagt wurden hingegen zwei Entschließungen der NEOS zum Brexit, in denen sie auf einen unabhängigen
Expertenrat während der Verhandlungen und die Ansiedelung der EU-Arzneimittelbehörde in Wien drängen.
In die Warteschleife kam außerdem ihre Forderung, EU-Gelder an die Türkei einzufrieren.
Übergangsbestimmung im Statut des Internationalen Strafgerichtshofs wird gestrichen
Die Parlamentsfraktionen sprachen sich einstimmig dafür aus, im Statut des Internationalen Strafgerichtshofs
eine Übergangsbestimmung ersatzlos zu streichen ( 1644 d.B.). Gemäß dieser Bestimmung kann ein
Staat, wenn er Vertragsstaat wird, erklären, dass er für einen Zeitraum von sieben Jahren nach Inkrafttreten
des Statuts die Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs für Kriegsverbrechen nicht anerkennt. Über die Streichung
dieser Übergangsbestimmung sind die Vertragsstaaten 2015 in Den Haag übereingekommen, sie sei für
Nicht-Vertragsstaaten kein Anreiz, um das Statut des Strafgerichtshofs zu ratifizieren.
EMRK: Neue organisatorische und verfahrensrechtliche Regelungen
Einhellige Zustimmung gab es zudem für die Genehmigung eines Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention
(EMRK), in dem es primär um neue organisatorische und verfahrensrechtliche Regelungen im Europäischen
Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) geht ( 1673 d.B.).
Eingeführt wird damit ein Höchstalter für KandidatInnen für die Wahl der EGMR-RichterInnen.
Zur Zeit endet die Amtszeit der RichterInnen mit der Vollendung des 70. Lebensjahres. Diese Bestimmung soll entfallen
und dadurch ersetzt werden, dass AnwärterInnen das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben dürfen.
Darüber hinaus wird durch das Zusatzprotokoll die Beschwerdefrist von sechs auf vier Monate verkürzt
und das Subsidiaritätsprinzip und der Ermessensspielraum der einzelnen Vertragsstaaten in der Präambel
der EMRK ausdrücklich niedergeschrieben.
Entfallen soll zudem das Widerspruchsrecht, wenn Rechtssachen von der Kleinen Kammer an die Große Kammer
abgegeben werden sollen. Gestrichen wird außerdem die Bagatellbeschwerde, die es dem Gerichtshof ermöglicht
hatte, eine Beschwerde für unzulässig zu erklären. Diese findet in der Praxis nämlich so gut
wie keine Anwendung, heißt es in der Regierungsvorlage.
Grund für die Anpassungen im EGMR sind u.a. eine hohe Zahl von eingebrachten Beschwerden und ein Rückstau
an anhängigen Verfahren. Das Individualbeschwerderecht soll laut Regierungsvorlage aber auch weiterhin gesichert
sein.
NEOS: Regierung soll Europäische Arzneimittelbehörde nach Wien holen
Mit dem Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union werden die Europäische Arzneimittelbehörde
(EMA) sowie die Europäische Bankenaufsicht (EBA) von London in andere europäische Städte verlegt.
Wohin die zwei EU-Agenturen übersiedeln werden, soll noch in diesem Jahr vom EU-Rat entschieden werden, ein
möglicher Kandidat für den Standortwechsel der EMA ist Wien. In einer Entschließung fordern die
NEOS, dass sich die Regierung auf eine offizielle Bewerbung Österreichs um den Standort der EMA konzentrieren
soll.
Nach Berichten des Online-Standard im Sommer vorigen Jahres haben sich Finanzminister Hans Jörg Schelling
und Kurz für eine Übersiedlung der EBA nach Wien ausgesprochen. Die NEOS befürchten nun, dass eine
etwaige Doppelbewerbung Österreichs die Chance, die Arzneimittelbehörde nach Wien holen zu können,
verschlechtert. Karin Doppelbauer fordert eine Prioritätensetzung für die EMA seitens der Regierung (
2069/A(E)).
"Es ist besser, in den Verhandlungen zwei Eisen im Feuer zu haben", meinte dazu SPÖ-Klubobmann Andreas
Schieder. Einen Parlamentsbeschluss zugunsten einer Institution sei zum jetzigen Zeitpunkt nicht sinnvoll.
NEOS-Anträge für unabhängigen Brexit-Expertenrat und Einfrieren von EU-Geldern an die Türkei
vertagt
Hinsichtlich des Brexit schlagen die NEOS die Einrichtung eines unabhängigen Expertenrats vor, der den Brexit-Prozess
tagesaktuell analytisch begleiten und der Bundesregierung und dem Parlament Vorschläge zur weiteren Vorgehensweise
bereitstellen soll. Diese Expertise soll nach Vorstellungen der pinken Fraktion auch der Öffentlichkeit zugänglich
sein ( 2120/A(E)). Um einen optimalen Austausch mit den heimischen EU-Experten während der Verhandlungen geht
es auch den Grünen. Sie forderten in einem gemeinsamen Abänderungsantrag mit den NEOS eine "strukturierte
begleitende Debatte über den Verlauf der Brexit-Verhandlungen im Nationalrat".
Angesichts der in der Türkei immer schwieriger werdenden Grundrechts- und Menschenrechtslage drängen
die NEOS außerdem auf Konsequenzen seitens der EU. Insbesondere seit dem Putsch im Juli voriges Jahr entwickle
sich die Türkei immer weiter weg von einem demokratischen Rechtsstaat hin zu einem autokratischen Regime.
Auch Aussagen Erdogans und anderer Regierungsmitglieder würden den Schluss zulassen, dass das Land kein Interesse
mehr daran hat, Teil der EU zu werden, argumentiert die Oppositionspartei in ihrer Entschließung ( 2117/A(E)).
Karin Doppelbauer bezweifelt, dass die zugesagten 4,45 Mrd. € an Heranführungshilfe zur Förderung von
Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und zivilgesellschaftlicher Projekte tatsächlich dafür verwendet werden.
Nach Meinung ihrer Partei soll sich die Regierung in Brüssel dafür einsetzen, dass die EU-Gelder an die
Türkei eingefroren werden. Unterstützt wurde die Initiative von den Grünen.
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